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In Potsdam müssen Kinder lange auf ihre Teilnahme an einem Schwimmkurs warten. 

© Patrick Pleul/dpa

Wassersport in Potsdam: Potsdamer Kinder warten zu lange auf Schwimmkurse

Bis zu zwei Jahre müssen sich Nichtschwimmer gedulden, bis sie endlich einen Schwimmkurs machen können. Die DLRG schlägt Alarm. Sie fordert die Vergabe von Schwimmbahnen kindgerechter und flexibler zu gestalten.

Von Florian Kistler

Potsdam - Kinder und Jugendliche in Potsdam benötigen zahlreichere und bessere Möglichkeiten, das Schwimmen zu erlernen. Das meinen Experten der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). „Viele Kinder und Jugendliche haben keinen Zugang zum Schwimmen. Es fehlt an Möglichkeiten“, sagt Stephan Naundorf von der DLRG Potsdam. „Das ist ein strukturelles Problem.“ Er fordert, dass sich der kommunale Bäderbetrieb, Schulen, Kitas und Vereine mit der Stadtverwaltung und der DLRG zusammensetzen und diskutieren, wie tragfähigere Strukturen geschaffen werden können.

Das größte Problem in Potsdam aus Sicht der DLRG ist der Platzmangel in den Schwimmbädern. Weil die Hallenzeiten so knapp sind, seien die Wartelisten für DLRG-Schwimmkurse lang – derzeit stünden 225 meist Kinder und Jugendliche auf der Warteliste, sagt Naundorf. 70 davon entfielen auf Seepferdchen- und Bronze-Kurse. „Teilweise liegen die Wartezeiten bei mehr als zwei Jahren.“ Auf einen Platz im Seepferdchenkurs müssen Interessierte derzeit laut Homepage der DLRG drei Jahre warten. Die Kurse finden vor allem in der Schwimmhalle am Luftschiffhafen statt. 

Am Wochenende haben Wasserballer derzeit Vorrang 

Naundorf fordert, dass die Vergabe der Schwimmzeiten kindgerechter und flexibler gestaltet werden müsse. Die Vereine würden meist erst am späten Nachmittag Bahnen zugeteilt bekommen. „Bei der DLRG arbeiten wir ausschließlich ehrenamtlich. Zu den zugewiesenen Zeiten müssen auch unsere Trainer Zeit haben“, erklärt Naundorf. „Es ist klar, dass es unter diesen Umständen weniger Angebote gibt. Denn so späte Uhrzeiten sind für Kinder nicht geeignet.“ Generell, das betont Naundorf, sei die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung dennoch sehr gut und konstruktiv.

Kritik an den zugeteilten Schwimmzeiten übt auch Roger Lehmann, Vorsitzender der Wasserwacht Potsdam: „Unsere Kurse finden im blu statt – aber erst ab 18 oder 19 Uhr, weil die Trainer das ehrenamtlich machen und davor arbeiten. An den Wochenenden, wenn wir Zeit hätten, ist die Halle dann oft wegen Wasserball gesperrt.“ Auf einen Platz im Schwimmkurs warte man bei der Wasserwacht mehr als ein halbes Jahr. „Das Problem haben wir seit Jahren“, sagt Lehmann. Besonders hoch sei der Andrang bei den sechs- bis achtjährigen Kindern.

Auch reguläre Besucher klagen über Platzmangel

Die Stadt weiß jedoch auch keinen Ausweg aus dem Dilemma. Eine „erhebliche Verbesserung“ der Lage sei nur mit weiteren Wasserflächen möglich, sagte Stadtsprecherin Christine Homann auf PNN-Anfrage. Dass Potsdam ein weiteres Schwimmbad baut, scheint jedoch in weiter Ferne: „Ein zusätzliches Bad lässt sich derzeit wegen anderer pflichtiger Aufgaben wie zum Beispiel nötiger Schulbauinvestitionen nicht darstellen“, sagt Homann. Es sei zudem nicht möglich, allen Vereinen gleichzeitig Plätze für Kinderschwimmkurse zuzuteilen. „Das Kontingent für den Vereinssport beginnt wochentags im blu um 15 Uhr. Davor findet in der Regel von 8 bis 15 Uhr das Schulschwimmen statt“, sagt Homann. Der übrige Teil der Halle werde den regulären Besuchern zur Verfügung gestellt – die ebenfalls vielfach über zu wenig Platz zum Schwimmen klagen. 

Die zwei großen Potsdamer Schwimmbäder, das blu in der Innenstadt und das Kiezbad am Stern, werden von der kommunalen Bäderlandschaft Potsdam betrieben, einer Tochter der Stadtwerke. Zudem gibt es einige kleinere private Schwimmbäder in der Stadt sowie die Sportschwimmhalle am Luftschiffhafen. 

1300 Schwimmkurse im blu

Die Bäderlandschaft bestätigte auf PNN-Anfrage, dass der Bedarf an Schwimmkursen in den vergangenen Jahren gewachsen sei. Gleichzeitig könne der Bäderbetrieb seit Eröffnung des blu im Jahr 2017 aber auch mehr Schwimmkurse anbieten. So werde man der Nachfrage gerecht. Vor der Eröffnung des blu seien knapp 900 Kurse im Jahr belegt worden. Inzwischen seien es 1300.

Auch die zahlreichen privaten Schwimmschulen in Potsdam bieten Kurse für Nichtschwimmer an. Die Kosten dafür sind jedoch meist höher – so verlangt beispielsweise der SC Potsdam für einen Kinderschwimmkurs in seiner Schwimmschule Pinguin 155 Euro von sogenannten Kurzmitgliedern für zehn Schwimmstunden. Bei der DLRG kostet ein Seepferdchenschwimmkurs dagegen 43 Euro und dauert rund ein halbes Jahr. Das blu bietet beispielsweise einen Kurs für Kinder, die schon ein Seepferdchen haben, an – zehnmal 30 Minuten kosten ab 50 Euro. 

Mehr als die Hälfte der Kinder kann nicht richtig schwimmen

In Deutschland können 60 Prozent aller Grundschüler laut einer Forsa-Umfrage der DLRG nicht sicher schwimmen. 2005 lag der Anteil noch bei einem Drittel. Als sicherer Schwimmer gilt erst, wer das Schwimmabzeichen in Bronze hat. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2016 kommt zu dem Ergebnis, dass das Schwimmen-Können wesentlich mit der sozialen Herkunft zusammenhängt. Im Oktober wurde deshalb das Patenschaftsprojekt „Wellenreiter“ entwickelt. Das Büro Kinderarmut der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt (Awo) und die Bäderlandschaft Potsdam (BLP) wollen Kindern aus finanzschwachen Familien per Spenden Schwimmkurse bezahlen – diese kosten zwischen 95 und 160 Euro. Bei der Awo gingen bisher Spenden in Höhe von 5000 Euro ein, sagt Sprecher Stefan Engelbrecht. Die Crowdfunding-Kampagne der BLP erbrachte rund 2200 Euro. 

Naundorf von der DLRG sagt, er finde die Initiative zweifellos positiv, sie gehe aber an der eigentlichen Problematik vorbei: „Nach unseren Erfahrungen sind die Kosten für die Kursteilnahme nicht das Problem. Unsere Wartelisten sind lang, obwohl wir keine Dumpingpreise haben.“ In erster Linie fehle es an den räumlichen Möglichkeiten, Nichtschwimmer zu unterrichten. Er befürwortet ein ergänzendes Angebot zum Schwimmunterricht in der Schule. Das Seepferdchen-Abzeichen zu erwerben und das vorgesehene Halbjahr Schwimmunterricht in der dritten Klasse würden oft nicht reichen, um aus Kindern sichere Schwimmer zu machen. „Denn Kinder, die damit Schwierigkeiten haben, fallen durch das Raster“, sagt Naundorf. „Es müssen Folgeangebote geschaffen werden, die auch außerhalb der Schule zugänglich sind.“ Jugendzentren und Horte müssten ergänzend Schwimmunterricht anbieten.

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