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Berühmt. Für die meisten ist Potsdams Welterbe vor allem Sanssouci.

© dpa

Landeshauptstadt: Was bringt der Unesco-Schutz?

Experten diskutierten mit Oberbürgermeister Jann Jakobs über den Sinn des Welterbe-Siegels. Eine Erkenntnis überrascht

Eine überraschende Erkenntnis mag dies für so manchen Zuhörer gewesen sein: Der Welterbestatus von Potsdams Schlössern und Parks ist wirtschaftlich gesehen für die Landeshauptstadt nahezu ohne Relevanz. Das jedenfalls legen die soziologischen Forschungen von Carola Neugebauer nahe, die sie auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Stadt Potsdam am Freitagabend vor rund 100 Besuchern im Friedenssaal in der Schopenhauerstraße vorstellte.

Neugebauer, Juniorprofessorin an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, hatte in einer wissenschaftlichen Arbeit zu drei europäischen Städten mit Unesco-Welterbestätten geforscht und kam dabei zu dem ernüchternden Ergebnis, dass die wirtschaftliche Entwicklung der untersuchten Städte – St. Petersburg, Stralsund und Wismar – kaum durch die Verleihung des Welterbe-Labels beeinflusst wird. Die ökonomischen Auswirkungen seien nur „sehr gering“, so Neugebauer.

Auf der Veranstaltung am Freitag, die aus Anlass des 24. Jahrestages der Aufnahme der Potsdamer Schlösser und Parks in die Welterbeliste stattfand, sagte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), auch die Erfahrungen mit Dresden zeigten, dass der Entzug des Welterbestatus nicht unbedingt etwas Schlimmes sein müsse. „Es wird immer wieder beschworen, was für grandiose Effekte der Welterbestatus hat.“ Das Beispiel der nach wie vor von vielen internationalen Touristen besuchten sächsischen Landeshauptstadt, die 2009 infolge des Baus der umstrittenen Waldschlösschenbrücke das Welterbe-Siegel verloren hatte, zeige, dass ein solcher Titelentzug nicht zwangsläufig mit großen negativen Folgen verbunden sei.

Anlass zu der Befürchtung, er wolle mit derartigen Äußerungen künftigen Bausündern in Potsdam womöglich den roten Teppich ausrollen, gab der Oberbürgermeister auf der Veranstaltung dennoch nicht: Praktisch die ganze Stadt weise Bezüge zu den Welterbeparks auf, erklärte Jakobs. Zugleich bekannte sich das Stadtoberhaupt zu den Pufferzonen, also den besonders geschützten Übergangsbereichen am Rande der Parks. Über die jüngste Bebauung am Glienicker Horn (PNN berichteten) sagte der Rathauschef nur knapp: „Das ist eher eine unbefriedigende Lösung.“

Die Kunsthistorikerin Nicola Halder-Hass wies in der Diskussion darauf hin, dass sich zwar nach wie vor weltweit viele Städte um Aufnahme in die Welterbeliste bemühten, es andererseits recht nebulös sei, welchen konkreten Nutzen dieses Unesco-Siegel mit sich bringe. „Wie, bitte, passt das zusammen?“, fragte Halder-Hass in die Diskussionsrunde. Professorin Carola Neugebauer meinte hingegen: „Wenn es wirtschaftlich nichts bringt, dann heißt das nicht, dass es gar nichts bringt.“ Der Welterbestatus stärke im Einzelfall die Positionen von Denkmalschützern und könne bisweilen eben doch ausschlaggebend für Reiseentscheidungen von Touristen sein. Welterbestätten stünden zudem „unter dem Schutz der internationalen Erbengemeinschaft“.

Den Begriff des Erbes nahm auch Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Schlösserstiftung, auf. „Das Erbe kann man sich nicht aussuchen“, meinte der Stiftungschef. Er wünsche sich manchmal, dass die Schlösser und Parks anderswo lägen – in Gebieten mit weniger Konfliktpotenzial. Aber man müsse nun einmal mit den historisch gewachsenen Gegebenheiten leben. Dorgerloh erinnerte zugleich daran, dass sich die Arbeit der Stiftung von einem strikten Auftrag her ableite, nämlich Hüterin des überkommenen Erbes zu sein. „Das soll man erhalten und wiederherstellen.“ Die Schärfe des Konflikts um das von Springer-Chef Mathias Döpfner eingezäunte Areal am Pfingstberg (PNN berichteten) führte Dorgerloh auch auf die zunehmende Besiedlung des Potsdamer Nordens zurück. Die Freiräume würden immer kleiner. Dieser Analyse widersprach allerdings Jakobs. Der Konflikt am Pfingstberg habe nichts mit dem Nutzungsdruck im Potsdamer Norden zu tun. Über die protestierenden Anwohner sagte der Rathauschef: „Die sind da eher von der Idee beseelt, dass alles so bleibt, wie es ist.“ Zuvor hatte Jakobs in der Diskussion gefragt, wie es sein könne, dass jemand, der in der Nachbarschaft einer wilden Grünfläche wohne, davon ausgehe, dass dieses Areal seinen Kindern und Hunden für alle Zeit als Spielfläche zur Verfügung stehen müsse. Jakobs wurde für diese Äußerung mit deutlichem Applaus bedacht. H. Catenhusen

H. Catenhusen

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