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Landeshauptstadt: Warten auf Napoleon

Am Brauhausberg sollten 1813 rund 2400 Soldaten die Wiedereinnahme Berlins verhindern – gekämpft wurde nicht

Von Matthias Matern

Templiner Vorstadt - Der Weg führt vorbei an moosbedeckten Baumstämmen, unter tief hängenden Ästen hindurch bis zu einer kleinen Erhebung im Waldboden. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, was eigentlich augenfällig ist. Dann aber erschließt sich einem das gesamte Ausmaß, wenn auch der Bogen immer wieder von dichtem Laubwerk verdeckt wird: Bei dem halbkreisförmigen Wall wenige Meter oberhalb der Templiner Straße handelt es sich nicht um eine Laune der Natur, sondern um ein aufgeschüttetes Bollwerk. Es ist die sogenannte Wasserschanze, eine von insgesamt 14 provisorischen Verteidigungsanlagen rund um den Brauhausberg, errichtet Anfang Juni 1813 – aus Sorge vor Napoleons erneutem Zugriff auf Berlin, dem Hort des preußischen Widerstands, wie der Korse argwöhnte.

„Hier hört die Brustwehr auf, aber der Graben zieht sich weiter herum. Dort stand möglicherweise ein Blockhaus“, erläutert Hans-Jürgen Paech und zeigt auf eine ebene Fläche von vielleicht vier mal sechs Metern. „Auch das Dach war wohl aus massiven Holzbohlen, zudem noch mit Grassoden belegt, um auch Kanonenbeschuss standzuhalten“, berichtet der 78-jährige Hobbyhistoriker. Paech hat die Schanze sozusagen der Vergessenheit entrissen. Auf Laserscanning-Aufnahmen des brandenburgischen Landesvermessungsamtes, also digitalen Geländebildern, die die geologische Struktur ohne Störfaktoren wie Vegetation oder Gebäude darstellen, hat der Geologe im Ruhestand bislang unbekannte Schanzenreste entdeckt. Anlässlich des diesjährigen 200. Jubiläum der Befreiungskriege, zu denen auch die Schlacht von Großbeeren (Teltow-Fläming) vom 23. August 1813 gehört, hat Paech die Geschichte der Potsdamer Verteidigungslinie aufgearbeitet. Am Sonntag zum bundesweiten Tag des Offenen Denkmals will er Besucher die gut zehn Minuten von der Templiner Straße bis hoch zur Wasserschanze führen. Bereits an diesem Samstag bietet Paech eine Führung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Stadtgeschichte für Jedermann“ an.

So geisterhaft die überwachsene Schanze auch wirken mag, ein Schauplatz blutiger Kämpfe war sie nicht. „Die Schanze war besetzt, gekämpft wurde hier aber nicht“, berichtet der Hobbyhistoriker. Dennoch hat die Besatzung wohl mit mulmigem Gefühl stadtauswärts auf die damalige Straße nach Michendorf und Caputh geschaut. Wo heute Bäume und dichtes Unterholz den Blick versperren, gab es damals freie Sicht. Die Fläche vor der Schanze sei vermutlich extra gerodet worden. „Die gefällten Bäume hat man genutzt, um die Verbindungsgänge zwischen den Schanzen zu schützen und als zusätzliche Hindernisse für den Feind.“

Insgesamt mussten die Soldaten zwei Tage lang hinter den Erdwällen ausharren – vom 22. bis zum 24. September. Dabei wartete bei Potsdam keineswegs ein hochgerüstetes Kontingent auf die Armée de Berlin unter Marschall Charles Nicolas Oudinot. Rund um den Brauhausberg lagen drei Bataillone der brandenburgischen Landwehr, insgesamt 2400 Mann. „Männer vom Land zwischen 17 und 45 Jahren, die für den Kriegsdienst gezogen werden konnten und dafür dann eine kurze militärische Ausbildung bekamen“, erläutert Schanzen-Experte Paech. Auch das Waffenarsenal am Brauhausberg hätte den Gegner vermutlich nicht in Angst erstarren lassen. „Gewehre waren rar, teilweise bestand die Ausrüstung aus drei Meter langen Lanzen“, so Paech. Zudem seien nur fünf Kanonen in dem Gebiet verteilt gewesen. „Optimal wären wohl 50 gewesen“, schätzt der Heimatforscher und wandert eine nur noch schemenhaft erhaltene Rampe aufwärts, auf der möglicherweise eines der fünf Geschütze in Stellung gebracht worden war.

Entsprechend erleichtert war die Schanzenbesatzung wohl, als am Nachmittag des 23. September aus der Ferne der Kanonendonner der Schlacht von Großbeeren zu hören war, die für Napoleons Truppen mit einer Niederlage endete. Zurück zu ihren Familien durften die drei Bataillone der Landwehr aber trotzdem nicht. Am 24. September wurde die Besatzung Richtung Elbe abgezogen – den napoleonischen Truppen hinterher.

Samstag, Treffpunkt: Bürgerhaus am Schlaatz um 9 Uhr

Sonntag, Treffpunkt: Bushaltestelle Templiner Straße gegenüber der Einfahrt zu Hermannswerder, von 11 bis 17 Uhr

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