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Die derzeitige Wagenburg auf Herrmannswerder.

© Andreas Klaer/PNN

Wagenhausburg auf Hermannswerder: In Aufbruchstimmung

Beim Potsdamer Wohnprojekt Wagenhausburg auf Hermannswerder laufen endlich die Umzugsvorbereitungen. Nach jahrelanger Zitterpartie fehlt nur noch eine Unterschrift.

Potsdam - Um die Zukunft des alternativen Wohnprojektes wird seit fast zehn Jahren gerungen – nun scheint der Knoten in Sachen Wagenhausburg Hermannswerder geplatzt: Man habe sich mit der Stadt im Sommer auf Konditionen für den Umzug auf das seit Längerem im Gespräch befindliche Grundstück Tornowstraße 35 einigen können, sagten Thomas Bopp, Johanne Hoppe und Mare Pit von der Wagenhausburg den PNN am Mittwoch vor Ort. Der fertige Vertrag liege vor, es fehlten nur noch die Unterschriften beim Notar. Die Stadt hält sich indes noch bedeckt: Man könne dazu „im Moment noch nichts“ sagen, erklärte ein Stadtsprecher auf PNN-Anfrage. Man befinde sich „im laufenden Verfahren“.

Im Projekt, in dem momentan sieben Kinder und 14 Erwachsene von drei Jahren bis Ende 40 leben, ist man zuversichtlich, dass die lange Zeit der Unsicherheit nun endlich zu Ende geht. Die Baugenehmigung für die erforderlichen Arbeiten in den zwei Häusern auf dem neuen Areal sowie für die Wohnwagen liege bereits vor, sagte Johanne Hoppe. Die Vorbereitungen für den Umzug haben begonnen, auch der Großteil der Finanzierung über private Kleinkredite – insgesamt sehe die Einigung mit der Stadt einen Anteil von rund 160 000 Euro für die Bewohner vor – sei gesichert. „Wir stehen in den Startlöchern“, fasste es Mare Pit zusammen.

Anderthalb Jahre haben die Wagenhausburg-Bewohner für die nötigen Sanierungs- und Bauarbeiten veranschlagt. Wenn alles nach Plan läuft, könnte das Projekt im Sommer 2020 umziehen. Weit entfernt ist die neue Adresse nicht: Von der Tornowstraße 38 am Fähranleger auf Hermannswerder geht es in die Tornowstraße 35. Das Grundstück direkt neben dem Hoffbauer-Jugendhaus „Oase“ hatte zuletzt der Internationale Bund genutzt. Die Wagenhausburg, beziehungsweise deren Trägerverein Fairwiese e.V., wird dort nicht mehr Pächter, sondern Mieter sein. Mit der Stadt habe man sich auf eine 20-jährige Laufzeit und Optionen zur Verlängerung um maximal weitere zehn Jahre einigen können, sagte Thomas Bopp.

Thomas Bopp, Johanne Hoppe und Mare Pit (v.l.n.r.) wohnen in der Wagenhausburg Hermannswerder.
Thomas Bopp, Johanne Hoppe und Mare Pit (v.l.n.r.) wohnen in der Wagenhausburg Hermannswerder.

© Andreas Klaer/PNN

Der Platz muss noch hergerichtet werden

Vor dem Umzug sind aber noch einige Vorarbeiten nötig. Die Gebäude müssen nicht nur saniert werden, im größeren der beiden Häuser sind umfangreiche Umbauten geplant – dort soll unter anderem ein barrierefreier Sanitärtrakt entstehen sowie einige Zimmer für Bewohner. Momentan gibt es dort lediglich einen saalähnlich großen Raum. Aufwendig wird unter anderem die Arbeit mit dem mit DDR-Holzschutzmitteln kontaminierten Dachstuhl. Um das Entweichen von Giftstoffen in den künftigen Wohnraum zu verhindern, sollen die Balken „eingepackt“ und danach verkleidet werden, erklärte Thomas Bopp. Der Platz müsse auch hergerichtet werden für die Wohnwagen – etwa mit der Einrichtung von Wasser- und Stromanschlüssen. Man arbeite mit Handwerksbetrieben zusammen, wolle aber auch viel in Eigenleistung erbringen, sagt Johanne Hoppe.

Weil an der neuen Adresse weniger Wohnraum im festen Haus sein wird als an der bisherigen – rund die Hälfte der Bewohner lebt im Haus –, entstehen derzeit auch zwei neue Wohnwagen, sodass alle Bewohner mit umziehen können. Statt bisher acht Wohnwagen, von denen sieben bewohnt und einer als Gemeinschaftsraum genutzt werden sollte, sollen es künftig zehn sein – die Baugenehmigung lasse sogar insgesamt bis zu zwölf Wagen zu.

Für den neuen Platz entsteht auch ein neuer Wagen.
Für den neuen Platz entsteht auch ein neuer Wagen.

© Andreas Klaer/PNN

Die Miete wird am neuen Standort deutlich höher sein

Bei der Finanzierung setze man nicht auf Banken, sondern auf Kleinkredite von Privatleuten. Ein Großteil der insgesamt 160 000 Euro Investitionssumme sei darüber bereits gesichert. Bislang hätten sich Unterstützer gefunden, die Beträge von zwischen 500 und 5000 Euro als Darlehen geben. Unterstützt von der Berliner AG Beratung, die auf derartige selbstverwaltete Projekte spezialisiert ist, habe man mit den Geldgebern jeweils Direktkreditverträge abgeschlossen.

Ein Blick auf das neue Gelände für die Wagenhausburg.
Ein Blick auf das neue Gelände für die Wagenhausburg.

© Andreas Klaer/PNN

Zwar werde die Miete für die Bewohner am neuen Standort deutlich teurer werden, aber immer noch im sozial verträglichen Rahmen, wie Johanne Hoppe betont. Zwischen 300 und 350 Euro warm werden die etwa 14 Quadratmeter großen Zimmer künftig kosten – „doppelt so viel wie jetzt“. In der Summe enthalten sei auch ein Anteil für die Kreditrückzahlung, sodass die Summe „in ferner Zukunft“ wieder sinken könnte.

Vor allem Exner hatte immer wieder Druck gemacht

Mit der Baugenehmigung wird die Nutzung der Wohnwagen erstmals rechtlich gesichert, betont Johanne Hoppe. Derzeit werde die Wohnnutzung lediglich geduldet. Wie berichtet plant die Stadt seit Langem, das 5000 Quadratmeter große aktuelle Grundstück zu verkaufen. Die Suche nach einer Alternative beschäftigt die Beteiligten und das Stadtparlament seit Jahren. Druck hatte vor allem Stadtkämmerer Burkhard Exner (SPD) immer wieder gemacht: Denn die Stadt verspricht sich von dem Verkauf des Grundstücks und der Nachbarflächen Einnahmen von bis zu sechs Millionen Euro.

Die Wagenhausburg versteht sich nicht nur als alternatives und naturnahes Wohnprojekt, sondern auch als Anlaufpunkt für politischen Austausch und Engagement. Es gibt „Kulturfrühstücke“ mit Kleinkunst oder Musik, im Sommer Freiluftkino, zweimal im Jahr ein Fest. Der Verein betreibt außerdem einen Bootsverleih auf Spendenbasis. Das Interesse am Projekt sei in den vergangenen Jahren gewachsen – auch im Zuge des Trends zu sogenannten „Tiny Houses“, also Minihäusern, wie Mare Pit berichtet. So kämen mitunter Schul- oder Jugendgruppen zu Besuch, um zu sehen, „wie man anders leben kann“.

HINTERGRUND

In Potsdam gibt es drei Wohnprojekte mit Bauwagen: Die Wagenhausburg Hermannswerder unweit des Fähranlegers wurde ab 2000 entwickelt. 2003 zogen die ersten Bewohner ein. Aktuell leben dort 14 Erwachsene und sieben Kinder. Getragen wird das Projekt vom 2010 gegründeten Verein Fairwiese, bereits seit 2009 wird über den Umzug diskutiert. Die Wagenhausburg versteht sich auch als Anlaufpunkt für Kulturveranstaltungen und Workshops.

In Nedlitz wurde 2003 das Wagenprojekt Eichelkämper_innen ins Leben gerufen. Das Projekt mit rund 15 Bewohnern ist als GmbH organisiert, das Grundstück samt Haus wurde 2005, unterstützt vom Projektverbund Mietshäuser Syndikat, gekauft. Auch dieses Projekt versteht sich als Begegnungsraum – zum Beispiel mit Festen.

Am Lerchensteig gibt es die Wagenburg „Schlafender Fuß“, getragen vom 2014 gegründeten Verein Wagenvolk.

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