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Das Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam.

© Ottmar Winter

Vorwurf aus dem Jahr 2019: Ermittlungen gegen Bergmann-Klinikum

Vorwürfe gegen das Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam erheben Angehörige nicht erst seit der Coronakrise. Das zeigt ein Fall aus dem Sommer 2019.

Potsdam - Lange Jahre waren Wilma und Christian V. zufrieden mit dem Klinikum „Ernst von Bergmann“. Daran erinnert sich die 67-jährige Wilma V, die ihren Namen nicht vollständig in der Zeitung lesen möchte, noch gut. Ihr Mann Christian war an Parkinson erkrankt und wurde in der Klinik für Neurologie betreut. Am 24. August 2019 jedoch änderte sich dies. An jenem Tag ist der damals 77-jährige Christian V. mit einer Lungenentzündung ins Klinikum eingeliefert worden, auf die Pneumologie. Wilma V. sagt: „Er war in einem an sich guten Zustand, wir hatten ja einen ambulanten Pflegedienst.“

„Im schlechten Pflegezustand entlassen“

16 Tage später wurde Christian V. aus dem Klinikum verlegt. Für die letzten Tage vor seinem Tod wurde er ins Hospiz auf Hermannswerder gebracht – mit starkem Pilzbefall, wie der zuständige Wundtherapeut nach Christian V.s Aufenthalt im Bergmann-Klinikum bescheinigte. „Patient im schlechten Pflegezustand aus Krankenhaus entlassen“, heißt es im den PNN vorliegenden Wundverlaufsbericht vom 10. September 2019. Wenige Tage später war Christian V. tot.

Die Umstände ließen Wilma V. keine Ruhe. Sie stellte Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Potsdam, so entsetzt war sie über den „katastrophalen Zustand“, in dem sich ihr Mann ihren Worten zufolge nach den zwei Wochen im Krankenhaus befand. Lange überlegte sie, ob sie damit an die Öffentlichkeit geht. Die Schlagzeilen zum lange unerkannt gebliebenen Coronaausbruch am Klinikum gaben schließlich den Ausschlag.

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Staatsanwaltschaft ermittelt weiter

Im Klinikum hingegen gibt man sich überrascht über die Vorwürfe. Wilma V. sagt, die Hospizleitung habe den Fall dem Beschwerdemanagement des Krankenhauses geschildert. Doch dort kennt man den die Vorwürfe bis heute nicht, wie Sprecherin Theresa Decker auf PNN-Anfrage sagte. Auch die Strafanzeige sei nicht bekannt – dabei laufen laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft in diesem Fall weiterhin Ermittlungen gegen das Klinikum wegen des Verdachts der Körperverletzung. Und auch in anderen Punkten steht Aussage gegen Aussage.

Wilma V. jedenfalls denkt mit Grausen daran zurück, wie sie damals täglich ihren Mann im Klinikum besuchte und vor Ort „viel zu wenig Pflegepersonal für zu viele Patienten“ erlebte, „auch die Ärzte hatten keine Zeit für Gespräche zu seinem Zustand“. Klinikumssprecherin Decker sagt hingegen, es habe damals „viele Gespräche“ mit Wilma V. gegeben. Fest steht allerdings: Ihrem Ehemann ging es schlechter und schlechter, und in der Leistengegend und am Gesäß entwickelte sich eine Pilzinfektion. „Und neben seinem Bett stand dann eine Salbe, die gar nicht gegen solchen Beschwerden wirken konnte“, sagt Wilma V. Das Personal habe überfordert gewirkt, „wie aufgescheucht“ und „am Ende der Belastbarkeit“. Sprecherin Decker sagt hingegen, der Pilzbefall sei laut Aktenlage behandelt worden. Und in den Akten seien auch keine Dekubitus-Stellen, sondern nur eine Hautrötung aufgeführt worden – was allerdings der besagte Wundbericht anders bewertet und als „schlechten Pflegezustand“ klassifiziert.

Wilma V. sagt, sie habe sich auch empört, dass bei ihrem Mann zwei Bronchoskopien vorgenommen wurden. Dabei wird ein Endoskop über Mund oder Nase eingeführt und in die Bronchien der Lunge vorgeschoben. „Doch bei solchen schmerzhaften Eingriffen hätte man mich fragen müssen, dafür hat mein Mann extra eine Patientenverfügung vorgenommen“, sagt die Seniorin. Aus ihrer Sicht seien diese Eingriffe nutzlos gewesen, sie unterstellt einzig wirtschaftliche Motive für das Handeln. Dagegen sagt Klinikumssprecherin Decker, die Eingriffe seien erleichternd gewesen – und von der Patientenverfügung gedeckt. Auch habe man das Einverständnis der Seniorin zu den Eingriffen eingeholt, das belege auch eine abgegebene Unterschrift – was Wilma V. bestreitet. Sie habe erst nach der Behandlung etwas unterschrieben.

Kein Gesprächsbedarf

Wilma V. ist auch über etwas anderes noch immer empört: Die Pflegekräfte im Klinikum hätten sich gegenüber Hospizmitarbeitern, kurz bevor sie ihren Mann dorthin verlegen ließ, über dessen Aggressivität beschwert. Doch aus Sicht von Wilma V. habe die grobe Behandlung im Klinikum ihren Mann „ablehnend gemacht – er wollte von diesen Menschen einfach nicht mehr angefasst werden“.

Erst im Hospiz habe er sich wieder entspannen können, sagt sie. In der Patientenverfügung habe ihr Mann ausdrücklich festgehalten, dass er nicht über Monate an technische Geräte angeschlossen sein will, sollte es einmal zu Ende gehen.

Schwierige Krankheitsverläufe bedeuteten für Angehörige häufig eine emotionale Ausnahmesituation, sagt hingegen Klinikumssprecherin Decker. Man biete Wilma V. gern noch einmal ein persönliches Gespräch an, so verfahre man stets bei solchen Beschwerden. Doch davon will Wilma V. nichts wissen, die Kraft dafür fehle ihr. Sie setzt auf die Ermittler: „Ich hoffe, dass geprüft wird, was auf solchen Stationen passiert. Mein Mann hat zwar nichts mehr davon, aber vielleicht andere Patienten.“  

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