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Verbrauchen zu viel Sprit und ruckeln: Die 19 Volvo-Busse des ViP.

© S. Gabsch

Vorwürfe gegen Potsdamer Verkehrsbetrieb: Beim ViP schwelt es weiter

Unruhe beim Potsdamer Verkehrsbetrieb nach weiteren Mitarbeiter-Beschwerden: Die Geschäftsführung reagiert nun auf die Kritik – und räumt ein, dass es doch Bolzen am Gaspedal der Busse gab.

Potsdam - Enthüllungen über technische Schwierigkeiten mit Bussen und Vorwürfe von Mitarbeitern wegen mangelhafter Personalführung: Im Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP) wächst die Unruhe. Das kommunale Unternehmen, eine Tochter der Stadtwerke, kommt nicht aus den Schlagzeilen. Auf PNN-Anfrage sagte jetzt Technikchef Oliver Glaser: „Wenn interne Probleme über die Presse ausgetragen werden, wächst bei mir die Sorge, dass der Betriebsfrieden gefährdet ist.“ Dann müsse die Geschäftsführung handeln – im Interesse der Zehntausenden Fahrgäste, die Tag für Tag befördert werden.

Vergangene Woche hatten die PNN unter Berufung auf ViP-Angestellte und -Leiharbeiter über technische Probleme mit Bussen berichtet. Die Mitarbeiter klagten zudem über eine mindestens ruppige Unternehmenskultur. Auf die Berichterstattung hin haben sich weitere ViP-Busfahrer bei den PNN gemeldet, die die Darstellungen im Wesentlichen bestätigten und weitere Details bekannt machen. Namentlich wollen die Betroffenen nicht genannt werden, aus Sorge vor Nachteilen im Unternehmen. Die Busfahrer beschrieben, dass der Krankenstand unter den Beschäftigten hoch sei und speziell Leiharbeiter stark belastet würden.

Geschäftsführung wehrt sich gegen Anschuldigungen

Gegen die Anschuldigungen wehrt sich die Geschäftsführung: Zwar sei der Stress am Steuer der Busse angesichts der Verkehrsprobleme in Potsdam in den vergangenen Jahren gestiegen, sagte Glaser. Auch gebe es in mancher Stresssituation „klare Ansagen“ aus der Leitstelle – „in der Regel soll aber ein respektvoller Umgangston herrschen“. Zugleich versuche die Geschäftsführung, Entlastung zu schaffen. Hauptthema in der Belegschaft sei die Diensteinteilung – wer fährt wann. Unter anderem gebe es inzwischen einen Wunschdienstplan, sagt auch der ViP-Betriebsratsvorsitzende Jens Zweigert. Zu 90 Prozent könnten die Wünsche auch erfüllt werden. „Unter dem Strich sollte das hier eine große Familie sein, in der offen mit Konflikten umgegangen und sich gegenseitig geholfen wird“, sagte der Betriebsratsvorsitzende, der vor einem Jahr in einer Kampfabstimmung gewählt wurde.

Die Querelen im Zuge dieser Wahl – unter anderem auch mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, die den alten Betriebsrat halten wollte – hatten das Betriebsklima belastet. Die ViP-Chefetage vermutet daher auch eine Verbindung zur jetzigen Situation mit anonym erhobenen Vorwürfen.

Reduktionsbolzen wurden eingesetzt, um Kraftstoff zu sparen

Das Krisenmanagement der ViP-Chefs ist gleichwohl nicht fehlerfrei. Die neueste Wendung: Auf PNN-Anfrage hat die Geschäftsführung nun doch einräumen müssen, dass in drei von den als störanfällig geltenden insgesamt 19 Volvo-Bussen des ViP sehr wohl sogenannte Reduktionsbolzen zu finden waren – um Kraftstoff zu sparen, waren diese Schrauben nach dem Kauf der Volvos vor sieben Jahren unter dem Gaspedal eingebaut worden, damit das Pedal nicht mehr voll durchgetreten werden kann. Dadurch konnten die Busse aber auch weniger gut beschleunigen.

Noch Anfang der Woche hatte die ViP-Spitze erklärt, mangels Sparwirkung seien die Schrauben 2012 allesamt wieder ausgebaut worden – was so nicht stimmte. Der damalige Arbeitsauftrag sei offensichtlich unterschiedlich ausgelegt worden, sagte Glaser. Während bei einem Großteil der Busse die Bolzen entfernt wurden, seien sie bei drei Fahrzeugen nur tiefer hineingeschraubt worden – damit sie beim Gasgeben nicht mehr stören. Daher seien die Bolzen nicht mehr aufgefallen. Ein Sicherheitsrisiko habe nicht bestanden.

Welches Klima herrscht im Verkehrsbetrieb Potsdam?

Doch die Frage ist auch: Welches Klima herrscht im Unternehmen, dass Mitarbeiter sich genötigt sehen, Mängel öffentlich zu machen? Auch andere Details, beispielsweise frühere Tätigkeiten von Verantwortlichen der oberen Unternehmensebene bei der DDR-Volksarmee, sind den PNN geschildert worden. Verwiesen wurde auch auf hohe Unfallzahlen.

Die Zahl der Unfälle ist tatsächlich gestiegen. 78 Unfälle mit Straßenbahnen waren es im Jahr 2016, fünf mehr als im Vorjahr. Dazu gab es 106 Unfälle mit Bussen, neun mehr als 2015. „Dazu zählen aber auch Eigenschäden beim Rangieren auf dem Betriebshof“, so der Hinweis von Geschäftsführer Glaser.

Sind Leiharbeiter Kollegen zweiter Klasse?

Ein weiterer Vorwurf: Die Leiharbeiter im Unternehmen sollen teilweise ohne die vorgeschriebenen Pausen fahren müssen. Das bestreitet Glaser: „Es handelt sich nicht um Kollegen zweiter Klasse. Für sie gelten dieselben gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten wie für die Festangestellten.“ Das sei zuletzt auch vom Landesamt für Arbeitsschutz überprüft und bestätigt worden. Durchschnittlich seien etwa 30 Leiharbeiter im Einsatz, in den vergangenen fünf Jahren seien 46 von ihnen übernommen worden. Eingesetzt würden sie, um flexibel auf Personalengpässe in Krankheitszeiten reagieren zu können. Rund 130 festangestellte Busfahrer beschäftigt der ViP. Der Krankenstand liege im „branchenüblichen Bereich“ von acht Prozent und sei damit nicht auffällig erhöht.

Busfahrer hatten gegenüber den PNN erklärt, dass besonders die Volvo-Busse der Gesundheit der Fahrer abträglich seien – der Rücken werde durch das ruckelige Fahrverhalten belastet. Dagegen sagte Glaser, in den Bussen seien Sitze mit Luftpolsterung verbaut, die bis 2014 höchster Standard gewesen seien. Gleichwohl räumte er ein, dass die zwischen 2008 und 2010 von der früheren Geschäftsführung für fünfeinhalb Millionen Euro insgesamt angeschafften 19 Volvo- Busse deutlich störanfälliger seien als die vergleichbaren Mercedes-Busse. Ebenso sei ihr Treibstoffverbrauch erhöht. In den nächsten Jahren sollen sie ersetzt werden, die Ausschreibung laufe. Dabei hatten die damals Verantwortlichen im Jahr 2010 für den Volvo-Deal geschwärmt: Die Busse seien vollends auf dem Stand der Zeit, hatte 2010 ViP-Aufsichtsratschef und Potsdams Kämmerer Burkhard Exner (SPD) erklärt. Nun entzündet sich auch an diesen Bussen die Unruhe im Unternehmen.

Die kommt aus Sicht der Geschäftsführung zur Unzeit: In diesem Sommer sollen Potsdams Stadtverordnete über den Auftrag an den ViP debattieren und entscheiden, wie genau künftig der öffentliche Nahverkehr in Potsdam organisiert sein soll.

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