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Steffen Grebner, Chef des Potsdamer Bergmann-Klinikums, gehört zu den Top-Verdienern. Er erhielt 2014 genau 220.000 Euro - deutlich mehr als im Jahr zuvor.

© A. Klaer

Vorwürfe gegen Klinikum „Ernst von Bergmann“ Potsdam: Der Keim des Zweifels

Patienten des kommunalen Bergmann-Klinikums klagen über mangelnde Hygiene, die eine Verbreitung multiresistenter Erreger begünstigt. Das kommunale Krankenhaus wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Potsdam - Den Aufenthalt ihres Vaters im städtischen Klinikum „Ernst von Bergmann“ wird Anna Meier (Namen der Betroffenen geändert) nicht vergessen. Nach einem Sturz mit Oberschenkelhalsbruch und einem schweren Liegetrauma wurde der 76-Jährige vor einem Jahr auf der Intensivstation behandelt. Nach vier Wochen kam ein noch größeres Problem hinzu: Der Rentner infizierte sich mit einem multiresistenten Keim.

„Mein Vater wurde dann vier Monate streng isoliert therapiert, hatte mit Pflegepersonal, Therapeuten und Familie nur in Schutzkleidung Kontakt – also keine weiteren Gesprächspartner, was auch für die Psyche enorm belastend gewesen sein muss“, erzählt Meier. Eine damals infizierte Brustwunde muss bis heute täglich gereinigt und gespült werden, weil sie nicht heilt und sich nicht schließt. Das von der Entzündung betroffene Gewebe musste tief abgetragen werden, fast bis zu den Rippen. Noch heute wirft Anna Meier dem Klinikum daher vor, dass dort Keime auf Schwerstkranke übertragen würden und diese Menschen „dann lange darunter leiden“.

Nach dem ARD-Bericht über Krankenhaus-Keime meldeten sich mehrere Leser

Nun hat sich Anna Meier mit ihrer Geschichte an die PNN gewendet. Anlass war Das Klinikum hatte das umgehend bestritten, später stellte sich heraus, dass den Journalisten falsche Informationen über die Zahl der Hygiene-Angestellten im Klinikum vorlagen. Und dennoch, das Thema war in der Welt und mehrere Leser meldeten sich, um über schlechte Hygiene-Erfahrungen am Klinikum zu sprechen.

Zum Beispiel Christin Berger, die 2013 und 2015 im Klinikum entbunden hat. Und jedes Mal hatte sie Beschwerden über aus ihrer Sicht mangelnde Hygiene. So seien mit dem Lappen für das Bad auch die Türgriffe gereinigt worden. „Die Duschen waren keimig und verkalkt.“ Zudem sei vergessen worden, zum Beispiel einen Tisch oder Lichtschalter zu desinfizieren. „Ich hatte ein Frühchen auf meinem Zimmer – und dann diese Mängel.“ Andere Leser sprachen etwa vom „Zeitmangel des Pflegepersonals“, sich jedes Mal desinfizieren zu müssen. So würden Keime von Raum zu Raum getragen.

Chefarzt für Haushygiene: 100 Prozent Risikofreiheit seien nicht zu schaffen

Im Klinikum spricht man hingegen von einer sehr gut aufgestellten Krankenhaushygiene, die einzelnen Fälle werden auch unter Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht nicht weiter öffentlich kommentiert. „Wir versuchen aber das Risiko, dass Patienten sich mit Keimen infizieren, so weit es geht, zu minimieren“, sagte Andreas Knaust, Chefarzt für die Haushygiene, den PNN auf Nachfrage. Allerdings seien 100 Prozent Risikofreiheit nicht zu schaffen, räumte der Arzt ein.

Denn in einem Haus mit mehr als 2000 Angestellten komme es eben auf jeden einzelnen Mitarbeiter an. Knaust stellt dafür die Regeln auf. Die meisten Beschwerden beträfen tatsächlich die Reinigung der Patientenräume. Dabei versuche man, die Arbeit auch für die Mitarbeiter so einfach wie möglich zu gestalten, zum Beispiel mit verschiedenfarbigen Putzlappen für unterschiedliche Bereiche. Solche Tätigkeiten würden auch unangekündigt kontrolliert. Zudem könne durch das Aufstempeln unsichtbarer Substanzen geprüft werden, ob bestimmte Stellen tatsächlich gewischt werden. Andere Regeln beträfen zum Beispiel Schwestern auf der Intensivstation, die nach jedem Kontakt mit dem Patienten oder dessen Umfeld ihre Hände desinfizieren müssten – im Schnitt rund 120 Mal pro Tag. Unter anderem könne man dies über den Desinfektionsmittelverbrauch nachprüfen. Inzwischen seien die Gesetze zum Hygieneschutz sehr scharf – und das Klinikum im Fall der Fälle vor Gericht in der Pflicht, nachzuweisen, dass die geltenden Hygienebestimmungen eingehalten wurden.

Gleichwohl seien diejenigen, die möglicherweise die Schuld an einer Infektion mit Keimen tragen, auch schwer auszumachen – eben weil so viel Personal mit einem Patienten befasst sei, sagte Chefhygieniker Knaust.

Regelmäßige Fortbildungen für die Bergmann-Angestellten

Zur Sensibilisierung der Angestellten fänden auch regelmäßige Fortbildungen statt wie etwa jüngst ein Hygienetag. Dort sprachen bei einer Podiumsdiskussion auch weitere Experten über das Thema, darunter Potsdams Amtsärztin Kristina Böhm. Sie bestätigte, das Infektionsschutzgesetz werde in Potsdam „weitestgehend eingehalten“. Allerdings sei es für die Hygienebeauftragten auch im Klinikum eine Herausforderung, sich im Alltag die immer gleichen Arbeitsschritte in Erinnerung zu rufen. Knaust bestätigte, die „hohe Arbeitsdichte“ im Klinikum erschwere bestimmte Maßnahmen.

Doch wie groß ist das Problem tatsächlich? Während der Podiumsdiskussion sprach der ärztliche Geschäftsführer des Hauses, Hubertus Wenisch, von rund 390 Erkrankten mit multiresistenten Keimen am Klinikum im vergangenen Jahr. Bei 40 000 stationären Behandlungen pro Jahr entspricht das knapp einem Prozent der Patienten. Offiziell gibt das Klinikum keine Zahlen heraus. Die Daten würden nicht die „Qualität des Krankenhausmanagements dokumentieren“ und „viel Raum für Missinterpretation“ lassen, hieß es.

Zahl der infizierten Patienten ließen sich nicht vergleichen

So sieht es auch Amtsärztin Böhm, die die Daten kennt und das Klinikum kontrollieren soll. Die Zahlen von mit Keimen infizierten Patienten ließen sich nicht vergleichen, gerade zwischen kleinen und großen Häusern mit Patienten unterschiedlicher Altersklassen gebe es Unterschiede. Würden die Zahlen veröffentlicht, könnten Häuser in ein schlechtes Licht geraten, ohne dass diese etwas dafür können, sagt Böhm.

Anna Meier, deren Vater sich im Klinikum infizierte, beruhigt das nicht. Sie sagt, dass sie heute anders handeln würde. Damals verzichtete sie auf eine Beschwerde, auch einen Anwalt nahm sie nicht: „Wir hatten andere Sorgen, zudem fehlte uns der Durchblick für das Thema.“

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