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Die Militärmission in der Seestraße 41/42 ist heute Residenz des Botschafters von Ecuador.

© Andreas Klaer

Vorträge im Potsdam-Museum: Mit der Lizenz zum Spionieren

In Potsdam unterhielten die Westalliierten in der Zeit des Kalten Krieges Missionen besonderer Art. Die Stadt spielte im Spionagedschungel eine zentrale Rolle.

Potsdam - Sie belauerten sich gegenseitig. Immer wollte man wissen, was die andere Seite militärisch so treibt. In der Zeit des Kalten Krieges fuhren die vier Alliierten auf diversen Erkundungstouren quer durch die beiden deutschen Staaten.

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren aus den Siegermächten Gegner geworden: Auf der einen Seite die Sowjets. Auf der anderen die drei Westalliierten, die Briten, die Amerikaner sowie die Franzosen.

Und Potsdam spielte in diesem Spionagedschungel eine zentrale Rolle. Hier in der Stadt an der Havel hatten die Militärverbindungsmissionen des Vereinigten Königreiches und Frankreichs ihren Sitz. Etwas weiter nördlich, in Neu Fahrland, das heute ebenfalls zu Potsdam gehört, saßen die Amerikaner.

Von hier aus wurde geplant

Hier in ihren Missionen planten die drei Westalliierten ihre Erkundungstouren durch das Gebiet der DDR. Der Osten setzte allerdings viel daran, diese Fahrten möglichst gut zu überwachen. Die westliche Seite wiederum war bemüht, ihre Verfolger abzuschütteln – und sei es mit Tempo 150 auf einer DDR-Autobahn im gut motorisierten Westwagen.

Man spionierte sich gegenseitig aus

Doch zuweilen kam es sogar zu Fahrzeugblockaden. Bei einem solchen Vorfall starb 1984 ein Franzose. Bei einem weiteren Zwischenfall wurde 1985 ein Amerikaner von einem sowjetischen Posten an einer militärischen Anlage erschossen.

Über diese Praxis des gegenseitigen Abtastens und Ausspionierens berichteten am Donnerstagabend im Potsdam-Museum mehrere Zeitzeugen.

„Wir hatten Einblicke in die Sowjetarmee, die sonst keiner hatte“, sagte Lawrence G. Kelley, der eigenen Angaben zufolge von 1983 bis 1986 in der US-amerikanischen Militärverbindungsmission in Neu Fahrland Dienst tat. Diese Einrichtung residierte in der Villa von Diringshofen in der Straße Am Lehnitzsee.

Man sammelte Informationen über das Militär

Bei den Erkundungsfahrten durch die DDR habe man Informationen über das hier stationierte Militär gesammelt, so Kelley. Daneben hätten weitere Daten aus anderen Quellen zur Verfügung gestanden. Welche das genau waren, wollte Kelley auch jetzt, knapp 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, nicht verraten.

85 Prozent der Arbeitszeit habe man auf die Erkundung des sowjetischen Militärs verwendet, mit etwa zehn Prozent widmete man sich Kelley zufolge der Nationalen Volksarmee der DDR. Repräsentationsaufgaben, insbesondere der offizielle Kontakt zu den anderen Siegermächten des Zweiten Weltkrieges, nahmen lediglich fünf Prozent der Arbeitszeit in Anspruch, schätzte Kelley ein.

Keine Verbindungsmissionen unter Westmächten

Vordergründig waren diese Militärverbindungsmissionen mit Ende des Zweiten Weltkrieges eingerichtet worden, damit die Alliierten untereinander zwischen den vier Besatzungszonen Kontakt halten können. So unterhielt die Sowjetunion auch in der Bundesrepublik sowohl im amerikanischen als auch im britischen und im französischen Sektor jeweils eine solche Militärverbindungsmission. Die Westmächte untereinander richteten jedoch solche Missionen nicht ein.

Aber zugleich hatten sich die Alliierten damit gewissermaßen selbst eine Lizenz zum Spionieren erteilt. Im Selbstverständnis der Missionsangehörigen klang das natürlich ein wenig anders: „Wir mögen das Wort überhaupt nicht“, sagte etwa Nigel Dunkley. Er habe von 1983 bis 1986 in der britischen Militärverbindungsmission am Heiligen See gearbeitet, erinnerte sich Dunkley.

Potsdams Heiliger See.
Potsdams Heiliger See.

© Manfred Thomas

Später erwarb Joop das Haus der Mission

Die längste Zeit befand sich diese Mission in dem Haus in der Seestraße, das später Modedesigner Wolfgang Joop erwarb und als Villa Wunderkind einrichtete. Ganz in der Nähe, in einer Villa in der Seestraße 41/42, der heutigen Residenz des Botschafters von Ecuador, hatten die Franzosen ihre Militärverbindungsmission.

Ebenso wie sein amerikanischer Kollege Kelley berichtete auch der Schotte Dunkley, dass es bei der täglichen Arbeit viel um militärische Aufklärung ging. Man habe zum Beispiel wissen wollen, wo auf dem Gebiet der DDR die Sowjets Atomwaffen lagerten und welches neueste militärische Gerät sie nutzen.

Und doch gab es durchaus auch freundschaftliche Kontakte zu den Sowjets, sagte Dunkley. So habe man sich hin und wieder im Restaurant des damaligen Interhotels in Potsdam, dem heutigen Hotel Mercure, mit den Sowjets getroffen und gemeinsam gefeiert.Dass die Russen Humor hatten, „das war für mich eine große Überraschung“, berichtete Dunkley.

Eine angespannte Zeit

Und dennoch war der Kalte Krieg freilich eine sehr angespannte Zeit – hüben wie drüben. Man habe bei der eigenen Erkundungstätigkeit keine Angriffsziele gesucht, sondern nur Beweise dafür sammeln wollen, dass wirklich niemand angreift, sagte am Donnerstag Sergei Savchenko. Er hielt aufseiten der Sowjets von der DDR aus Kontakt zu den Westalliierten.

Die vier Siegermächte durften sich zwar in den beiden deutschen Staaten relativ frei bewegen. Doch die Einfahrt in Sperrgebietszonen war auch ihnen verwehrt. Und doch sei dies immer wieder vorgekommen, sagte der Autor Söhnke Streckel in seinem Einführungsvortrag am Donnerstagabend. Schilder an den Straßen der DDR wiesen auf die Sperrgebiete hin. Aber es war offenbar gewissermaßen ein Sport der Alliierten, diese Schilder zu klauen. „Es gab kein besseres Souvenir für uns als diese Schilder“, so Kelley.

Am Samstag finden im Potsdam Museum am Alten Markt den ganzen Tag über Vorträge und Diskussionen zu diesem Thema in englischer Sprache statt.

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