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Vorläufige Führungsriege der Potsdamer Stadtwerke: Zweite Garde übernimmt vorläufig die Stadtwerke

Nach dem Rückzug des Konzernchefs Wilfried Böhme verschärft sich die Führungskrise bei den Stadtwerken. Am heutigen Montag soll eine Interims-Führungsriege abgesegnet werden. Böhme soll übrigens noch bis April 2017 volle Bezüge erhalten.

Potsdam - Für die nach Skandalen führungslosen Potsdamer Stadtwerke (SWP) und die im Unternehmensverbund besonders profitable Tochterfirma Energie und Wasser Potsdam (EWP) stehen nach PNN-Informationen die ersten kommissarischen Chefs fest. Die SWP sollen übergangsweise die Prokuristen Ute Sello, die auch Chefin der Bäderbetrieb-Tochter ist, sowie Ralf Zeretzke, Hauptabteilungsleiter Dienstleistungen der Stadtwerke, führen. Dazu kommen für die EWP die bisher öffentlich kaum in Erscheinung getretenen Carola Schmaler, Hauptabteilungsleiterin Energietechnik, EWP-Einkaufsmanager Michael Schneider, EWP-Vertriebschef Andreas Buchholz und Ulf Gietz aus dem Bereich Rechnungswesen.

Am heutigen Montag will Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) in einer nicht-öffentlichen Sitzung des Hauptausschusses das weitere Verfahren besprechen. Dort sollen auch die besagten Personalien abgesegnet werden.

200.000 Euro pro Jahr: Böhme soll bei vollem Gehalt freigestellt werden 

Der bisherige Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme hatte nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft am Freitag seine Ämter niedergelegt. Anlass war ein bekannt gewordener Werkvertrag der EWP mit der Schlosserei eines Schwagers von Böhme. Dessen Firma sollen zwischen 2011 und Mitte 2015 jeweils 5000 Euro pro Monat gezahlt worden sein. Das Finanzamt hat Steuerermittlungen aufgenommen. Im Hauptausschuss sollen heute auch die Konditionen für Böhmes Rückzug beschlossen werden – da eine außerordentliche Kündigung nach Einschätzung des Rathauses juristisch schwer durchsetzbar ist, könnte der 64-Jährige bis Vertragsende im ersten Quartal 2017 vermutlich bei vollem Gehalt freigestellt werden. Es geht um rund 200 000 Euro pro Jahr.

Mit Böhmes Rückzug verschärft sich die Führungskrise bei den Stadtwerken – auch wegen der bekannt gewordenen Skandale bei der EWP und beim Stadtentsorger (Step) um Verstöße bei Auftragsvergaben und nicht von den zuständigen Gremien genehmigte Gehaltssteigerungen von fast einer halben Million Euro für eine Vertraute des 2011 geschassten Ex-Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen. Deswegen sind bereits der zweite EWP-Chef Holger Neumann und der Step-Technikchef Enrico Munder suspendiert worden. Allerdings wird auch ihnen weiter Gehalt gezahlt. Ferner hatte der kaufmännische Chef des ebenso zum SWP gehörenden Verkehrsbetriebs, Martin Grießner, aus persönlichen Gründen angekündigt, seinen Vertrag nach 2017 nicht mehr verlängern zu wollen.

EWP-Aufsichtsrat Schubert: "Alle Strukturen gehören auf den Prüfstand"

Angesichts der Negativ-Schlagzeilen warnte der Potsdamer SPD-Fraktionschef und EWP-Aufsichtsrat Mike Schubert am Sonntag, der Ruf des Unternehmens drohe fünf Jahre nach dem Abgang von Paffhausen „erneut durch Fehler in den Leitungsebenen der Stadtwerkeunternehmen Schaden zu nehmen“. In den Neuanfang müsse auch die Arbeit der Aufsichtsräte und der Beteiligungssteuerung einbezogen werden. „Alle Strukturen gehören auf den Prüfstand.“

Die Stadtwerke-Krise wird verschärft, weil das städtische Beteiligungsmanagement, das die kommunalen Unternehmen koordinieren sollen, nach PNN-Informationen seit Monaten praktisch lahmgelegt ist. Die Leiterin dieses Verwaltungsbereiches ist langfristig erkrankt. Damit habe sich die Abstimmung und Kommunikation zwischen Rathaus und Stadtwerken verschlechtert, hieß es.

Transparenz-Regeln seien nicht gelebt worden

SPD-Fraktionschef Schubert erklärte weiter, anders als nach dem Paffhausen-Aus, als eine Transparenzkommission neue Regeln für die kommunalen Unternehmen formulierte, müssten nun „alle die Notwendigkeit einer Überprüfung und Veränderung der Strukturen anerkennen“. Damals hätten „einige Akteure“ die Arbeit der Kommission als wenig hilfreich eingeschätzt. Das sei ein Fehler gewesen. „Dadurch wurde begünstigt, dass einige Regelungen für Transparenz nur auf dem Papier standen und nicht gelebt wurden“, so Schubert. Der Politiker, der vor fünf Jahren für eine harte Linie gegen Paffhausen eingetreten war, könnte neuer Sozialdezernent werden – als solcher könnte er auch den Aufsichtsratsvorsitz von Step und EWP übernehmen.

Unter anderem sind die Stadtwerke wichtiger Sponsor von Sportvereinen – in den Aufsichtsräten sitzen aber Politiker, etwa von der Linken, die zugleich als Vereinsfunktionäre von dem Sponsoring profitieren. Schon bei der ersten Stadtwerke-Affäre war diese Interessenkollision mehrfach kritisiert worden.

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