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Streitort. Die Baustelle für den Garnisonkirchturm an der Breiten Straße.

© Andreas Klaer

Update

Vor der Stadtverordnetenversammlung: Heute Mehrheit für Schuberts Garnisonkirchen-Kompromiss?

Im Stadtparlament entscheidet sich heute, wie es mit dem Rechenzentrum weitergehen soll. Dabei kann Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) vermutlich auf die Rathauskooperation zählen - er selbst kann an der Sitzung wegen einer Corona-Infektion aber nicht teilnehmen

Potsdam - Vor dem heutigen Votum der Potsdamer Stadtverordneten über einen weitgehenden Erhalt des Rechenzentrums und ein „Haus der Demokratie“ statt eines Kirchenschiffs für die Garnisonkirche zeichnet sich nach PNN-Recherchen eine Mehrheit ab. Dabei stützt sich Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) auf die rot-grün-rote Rathauskoalition. Allerdings könnte die Mehrheit, je nach der Zahl der Enthaltungen oder Nein-Stimmen, nicht eben üppig ausfallen.

Es geht um den seit Wochen umstrittenen Kompromiss zur Garnisonkirche, den Schubert mit der Stiftung für den Wiederaufbau und Vertretern des Künstlerhauses Rechenzentrum ausgehandelt hatte. Im Vorfeld sprach sich Schubert in einem Interview mit der „Märkischen Allgemeinen“ noch einmal gegen eine Vertagung des Votums aus. Es gehe dabei auch um den Beschluss für eine 500 000 Euro teure Machbarkeitsstudie, mit der offene Fragen geklärt werden könnten. Käme kein Beschluss zustande, werde „das Rechenzentrum Ende 2023 als gemeinwohlorientierter Ort nicht mehr zur Verfügung stehen“, beschrieb Schubert die Alternative. Der Zeitplan bis dahin sei sehr eng.

Laut Rathaus wäre das "Haus der Demokratie" groß genug

Als ein Argument, um auch Zweifler aus den Reihen der Rathauskooperation zu überzeugen, hatte Schubert in der Stadtverwaltung zuletzt ein erstes überschlägiges Raumprogramm erstellen lassen – mit dem Ziel zu zeigen, dass in das „Haus der Demokratie“ alle geplanten Nutzungen passen könnten. Demnach könnte laut der PNN vorliegenden Kurzanalyse das Potsdam Museum mit 2200 Quadratmetern rechnen, dazu kämen unter anderem 450 Quadratmeter für einen Plenarsaal für die Stadtverordneten und 400 Quadratmeter für acht Fraktionsräume. Zusammen wären das laut der Analyse der Stadtverwaltung mehr als 3700 Quadratmeter. Selbst eine Studie der Initiative Mitteschön für ein multifunktional nutzbares Kirchenschiff mit Emporen nach historischem Vorbild sei auf eine Nutzfläche von 3800 Quadratmetern gekommen, bei Verzicht auf solche optischen Platzhalter käme man sogar auf 600 Quadratmeter Nutzfläche extra.

Allerdings hatten einzelne Kritiker wie das Linke-Urgestein Hans-Jürgen Scharfenberg die prinzipielle Frage gestellt, ob es klug sei, dass das Stadtparlament und die Fraktionen aus dem Rathaus ausziehen sollten. Wiederum hatte sich aus der Fraktion Die Andere Kritik daran entzündet, dass die Übertragung des Kirchenschiff-Areals an die Stadt mittels Erbbaupacht geplant sei. Das widerspreche früheren Stadtverordnetenbeschlüssen, den begonnenen Turmbau für die Kirche nicht mit städtischen Mitteln zu unterstützen. Hier hatte Schubert erklärt, das wolle er in Verhandlungen mit der Stiftung ausschließen. Die Fraktion Die Andere hatte das nicht überzeugt: Diese hatte erklärt, man wolle dem Kompromiss nicht zustimmen – was aber auch eine Enthaltung nicht ausschließt.

Mit einem Änderungsantrag soll Zustimmung gesichert werden

Vor der Sitzung ist nun noch ein gemeinsamer Änderungsantrag der rot-grün-roten Rathauskooperation bekannt geworden. Dessen Kernpunkte sind, dass bei der Betrachtung des gesamten Areals auch die Breite und die Dortustraße mit einbezogen werden sollen - zum Beispiel mit Blick auf den möglichen Stadtkanal. Weiterhin soll das Ergebnis der besagten Machbarkeitsstudie  erst den Stadtverordneten vorgelegt werden, bevor es als Grundlage für den Architekturwettbewerb für etwa das "Haus der Demokratie" genutzt werden darf. Auch den Kritikern aus der Linken und der Fraktion Die Andere versucht man entgegenzukommen. So soll Schubert "in Gespräche mit der Stiftung Garnisonkirche eintreten, "mit denen eine rechts- und vertragskonforme eigentumsrechtlichen Übertragung" oder auch die Verfügbarkeit des ehemaligen Kirchenschiffgrundstücks  für  die  Landeshauptstadt  Potsdam möglich gemacht wird - und zwar in einem mehrstufigem Verfahren. Nur wenn so eine Rückübertragung nicht möglich sein sollte, kann demnach über ein Erbpachtmodell zwischen Stadt und Stiftung verhandelt werden - hierfür bedarf es aber noch einer separaten Zustimmung der Kommunalpolitiker. Ferner werden zusätzliche Gespräche mit der Stiftung  Garnisonkirche zu Möglichkeiten einer "weiteren  Duldungsregelung  für  die  Zwischennutzung  des  Rechenzentrums" bis zum Baubeginn vor Ort in Aussicht gestellt.  Mit all solchen Punkten will Schubert dem Vernehmen nach auch eine mögliche Vertagung des Beschlusses verhindern - und seinem Vorschlag die notwendige Mehrheit sichern.

Kitschke: "Ein unterfinanzierter Plan"

Derweil machen Gegner des Kompromisses weiter mobil. Der bekannte Denkmalpfleger Andreas Kitschke warnte am Dienstag in einem offenen Brief vor einem aus seiner Sicht völlig übereilten Beschluss. Mit dem Kompromiss würde „die Schönheit der Barockarchitektur der Garnisonkirche durch einen unmittelbar anschließenden Bürotrakt (denn darauf läuft der bereits jetzt völlig unterfinanzierte Plan hinaus) zu einer Karikatur verkommen“, so Kitschke. So würde auch folgenden Generationen „ein städtebaulicher Skandal hinterlassen“. „Beteiligen Sie alle in dieser Sache engagierten Bürger vor der Entscheidung“, so Kitschkes Forderung. Derzeit ist eine Bürgerbefragung nach einem Architekturwettbewerb für den Ort geplant. Im Stadtparlament haben auch die Fraktionen von CDU, AfD und FDP angekündigt, den Kompromiss ablehnen zu wollen. Mehrere Mitglieder der Initiative "Mitteschön" haben auch Rederecht beantragt, in sozialen Netzwerken wie Facebook kursierten weitere Erklärungen. So sprach der Unternehmer Sven Peters davon, dass ein "zweites 1968 nicht geschehen" dürfe - damals war die schon 1945 stark beschädigte Kirche auf Geheiß der SED-Führung abgerissen worden. Auch Mitteschön-Sprecherin Barbara Kuster monierte, ein solches architektonisches Juwel dürfe kein zweites Mal zerstört werden.

Die Sitzung beginnt ab 15 Uhr

Der Grundsatzbeschluss soll am heutigen Mittwoch ab 15 Uhr in der Stadtverordnetenversammlung fallen, die in der weitläufigen MBS-Arena stattfindet – und zwar wegen des Infektionsgeschehens in einer möglichst kurzen Version unter 2G-Plus-Bedingungen. Dagegen hat die AfD-Fraktion nach PNN-Informationen bereits protestiert – so ein Ausschluss von ungeimpften Mandatsträgern sei nicht vereinbar mit Pflichten und Rechten der Mandatsausübung. Die 2G-Regel werde daher freiwillig ausgelegt, hieß es aus Kreisen der Stadtverordneten. Demnach reicht auch ein Negativtest für die Teilnahme. Ab 18.30 Uhr ist die Debatte zur Garnisonkirche angesetzt.

Oberbürgermeister Schubert erkrankt

Kurz vor der Sitzung meldete sich Rathauschef Schubert zu Wort - er habe sich mit dem Corona-Virus infiziert, werde die Sitzung daher nur im Livestream verfolgen können. Gleichwohl dränge er weiter auf einen Beschluss: „Wir haben in den letzten drei Hauptausschusssitzungen jeweils sehr lange über das Forum an der Plantage diskutiert. Die Fraktionen haben schriftlich ihre Vorschläge gemacht und in den Sitzungen ihre Positionen deutlich gemacht. Die Vorlage sieht viele Möglichkeiten zur Beteiligung und Diskussion in den kommenden wahrscheinlich zwei Jahren des Arbeitsprozesses zur Plantage vor." Es werde also noch viel Zeit und Raum für Diskussion in den Ausschüssen und in der Stadtgesellschaft bleiben, so Schubert.

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