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Über 830 polnische Staatsangehörige leben in Potsdam. Dieses Foto ist beim Spiel Deutschland gegen die Ukraine entstanden.

© dpa (Archiv)

Vor dem EM-Spiel Deutschland gegen Polen: Die Trikot-Frage

Viele Menschen aus Polen leben und arbeiten in Potsdam. Ihre Vorfreude auf das heutige Spiel bei der Europameisterschaft ist entsprechend groß.

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Potsdam - Wenn am Donnerstagabend um 21 Uhr bei der Fußball-EM in Frankreich die deutsche auf die polnische Mannschaft trifft, werden wieder zig Millionen Menschen zuschauen. Die passenden Fanutensilien können bei Fußballfans schon ein nicht unwichtiges Detail sein. Wenn die Vorlieben dann nicht so eindeutig verteilt sind, muss man Kompromisse finden. „Unser Sohn trägt das Trikot von der deutschen Mannschaft, Hose und Kappe in den polnischen Farben“, sagt Joanna Banaszewska-Höllger, die sechs Jahre lang in Babelsberg zu Hause war, bevor die Familie nach Werder (Havel) zog. Der Anderthalbjährige könne sich ja noch nicht selbst entscheiden.

Für Polen wäre ein Sieg kostbar

Im Hause der deutsch-polnischen Familie sind die Sympathien nämlich geteilt: Joanna, geboren im polnischen Ilawa (Deutsch Eylau), favorisiert das polnische Team, ihr Mann Mathias unterstützt die deutsche Mannschaft. Sie wünscht sich ein Unentschieden oder einen Sieg für die polnische Mannschaft. „Mein Mann sieht das aber definitiv anders.“ Verbissen ist man dabei aber nicht. Da beide Mannschaften ihre ersten Spiele bereits gewonnen haben, könnten ja auch beide weiterkommen.

Für Polen wäre ein Sieg kostbar – nicht nur weil es erst einen einzigen überhaupt gegen die deutsche Nationalelf gegeben hat, sondern auch weil die letzte Qualifikation für ein Achtelfinale bei einem großen Turnier schon 30 Jahre her ist. Bei einer Europameisterschaft hat Polen bisher noch nie die erste Runde überstanden. Doch diesmal rechnet sich Joanna etwas aus: „Die Mannschaft ist gut gestartet“, sagt die 32-Jährige. Und es seien viele gute Spieler dabei. „Lewandowski, Lukasz Piszczek und Jakub Blaszczykowski kennt man aus der Bundesliga“, zählt sie auf. Mittelfeldspieler Grzegorz Krychowiak hat kürzlich mit dem FC Sevilla die Europa League gewonnen.

Viele Verbindungen Potsdams nach Polen

In Potsdam gibt es viele Verbindungen nach Polen. Am bekanntesten ist wohl die Städtepartnerschaft mit dem schlesischen Opole. Am morgigen Freitag kommt von dort wieder eine Delegation zu Besuch. Außerdem ist Potsdam auch der Sitz der deutsch-polnischen Gesellschaft und des deutsch-polnischen Jugendwerks. Es gibt einen deutsch-polnischen Stammtisch und jedes Jahr einen weihnachtlichen Sternenmarkt nach polnischer Tradition auf dem Kutschstallhof am Neuen Markt. Doch die engste Verbindung sind die Menschen, die in Potsdam leben: 836 polnische Staatsangehörige lebten laut der offiziellen Einwohnerstatistik Ende vergangenen Jahres in Potsdam.

Beim deutsch-polnischen Jugendwerk, das vielfältige Jugendbegegnungen vom Theaterworkshop über gemeinsame Sportwettkämpfe bis hin zum Öko-Projekt unterstützt, arbeitet auch Szymon Kopiecki. Der 36-Jährige kommt aus der Nähe von Kattowitz in Oberschlesien. Vor vier Jahren machte er ein Praktikum beim Jugendwerk in der Friedhofsgasse und blieb dabei. Seine ersten elf Jahre ist er in Polen aufgewachsen, bevor die Familie 1989 nach Berlin zog. „Meine Heimat? Das kann ich gar nicht sagen. Deshalb mag ich die Grenzregion so“, sagt er. Kopiecki hat in Frankfurt (Oder) an der Viadrina studiert. Er versuche das Beste aus beiden Ländern zu ziehen. An Polen mag er die Flexibilität, die es in fast allen Lebensbereichen gibt. An Deutschland faszinieren ihn das gute Durchorganisieren und das Durchdachte.

Potenzial bei der polnischen Mannschaft

Geht es um die Europameisterschaft, setzt sich dann doch das Geburtsland durch: „Ich bin doch eher bei Polen, weil die bisher nicht so viel Erfolg hatten.“ Er wünsche sich wenigstens ein 1:1. Und der 2:0-Sieg in der Qualifikation gegen Deutschland zeige, dass Potenzial da ist. Für den Rest des Turniers drücke er der deutschen Mannschaft die Daumen – bis zu seinem Traumfinale gegen Spanien.

Damit er das Spiel sehen kann, ist schon alles vorbereitet: Am Abend wird er bei einer Tagung des Internationalen Forums Burg Lienezell in Baden-Württemberg sein – gemeinsam mit 50 Teilnehmern aus Deutschland, Russland, Tschechien und Polen. Die Veranstaltung trägt den Titel „Maultaschen und Piroggen“. Vorher will er sich noch einen polnischen Fanschal besorgen.

"Hauptsache, es gibt Tore"

Familie Banaszewska-Höllger verfolgt das Spiel zu Hause. „Es kommen Freunde zu Besuch. Wir schauen zusammen.“ Mathias Höllger hat sich extra einen Tag freigenommen, um das Spiel sehen zu können. „Ich habe ihm polnisches Bier besorgt“, sagt Joanna und lacht. Hauptsache, es gibt Tore. Tor heißt auf Polnisch übrigens „Gol“.

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