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Von Werner Kurzlechner: Baustelle Schule

In den Ferien wurde manches renoviert. Aber das Geld reichte nur für das Nötigste. Der Sanierungsstau beträgt 900 Millionen Euro

Wie überall in Berlin hat auch Spandau in den Schulferien hämmern, reparieren und aufhübschen lassen. Dort, wo es nicht mehr anders ging, in den Schulen. „Wir können immer nur die Feuerwehr spielen“, sagt Carsten-Michael Röding, Spandaus CDU-Baustadtrat. Spandaus 52 öffentliche Schulen zu sanieren, würde 82 Millionen Euro kosten. Er habe aber nur knapp zehn Millionen Euro im Jahr zur Verfügung. Fortlaufend würden neue, noch gravierendere Schäden auftreten. Und das nicht nur in Spandau.

Überall in Berlin bröckelt es in den Schulen: der Putz und Dachziegel sind lose, Fenster brüchig, oft funktionieren die Klospülungen nicht. Auf 900 Millionen Euro beziffert die Bildungsverwaltung des Senats den Sanierungsstau an Berlins Schulen. Die Summe spiegelt den Stand aus dem Schuljahr 2006/07 wider. Sie ist seither kaum kleiner geworden.

Dieter Hapel (CDU), Schulstadtrat in Tempelhof-Schöneberg, sagt es drastisch: „Die Katastrophe wird immer größer.“ Zwischen 90 und 100 Millionen Euro liege der Sanierungsstau für 65 Schulen inklusive Turnhallen. Mit den neun Millionen Euro, die der Bezirk insgesamt für baulichen Unterhalt zur Verfügung habe, komme er bei weitem nicht über die Runden, so Hapel. Der derzeitige Umbau des Paul-Natorp-Gymnasiums verschlinge alleine 7,4 Millionen Euro. An der Barbarossa-Grundschule und der Tempelherren-Grundschule hat der Bezirk jüngst zwei marode Turnhallen geschlossen, weil das Geld für notwendige Arbeiten fehlt. Der Stadtrat geht davon aus, dass er bald weitere Hallen dicht machen muss. Turnhallen hat auch Carsten-Michael Röding in Spandau schon geschlossen. An der Carl-Schurz-Grundschule zum Beispiel, weil das Dach marode war. Röding sagt, er habe dabei an die eingestürzte Eissporthalle in Bad Reichenhall gedacht. Unter deren Trümmern starben vor zwei Jahren 15 Menschen.

„In den vergangenen 15 Jahren ist Raubbau an der Bausubstanz betrieben worden“, sagt Hapel. Mindestens sechs Millionen Euro zusätzlich pro Jahr benötige Tempelhof-Schöneberg, um seine Schulen auf Vordermann zu bringen. „Wir bräuchten eigentlich ein weiteres Sanierungssonderprogramm des Landes“, meint Hapel.

So ein Programm gibt es nämlich schon: 41,3 Millionen Euro jährlich für Schulen und Sportanlagen in Berlin. Manchen Bezirken kommt die Summe mickrig vor. In der vom Sparen bestimmten Landespolitik taugt sie zur kleinen Erfolgsgeschichte: „Entgegen anders lautender Meldungen sind die Mittel zur Bezuschussung der Sanierung von Schulen und Sportanlagen in voller Höhe erhalten worden“, sagt Kenneth Frisse, der Sprecher von Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD). Allerdings sind neuerdings neun Millionen Euro für die Sanierung von Sportanlagen fest vorgeschrieben, so dass für die Schulen noch 32,3 Millionen übrig bleiben.

Für einen Bezirk wie Marzahn-Hellersdorf bleiben vom Kuchen 1,5 Millionen Euro übrig. Die Summe kommt obendrauf auf die rund 3,5 Millionen Euro, die im Bezirkshaushalt für den baulichen Unterhalt vorgesehen sind. „Mit diesem Geld sind wir nicht in der Lage, unseren Sanierungsstau abzubauen“, sagt Bezirksschulstadtrat Stefan Komoß (SPD). Den beziffert er aktuell auf 89,2 Millionen allein für Schulgebäude. Es besteht noch ein Sanierungsbedarf von 26,8 Millionen Euro für Sporthallen. Ähnlich wie in Tempelhof-Schöneberg und Spandau fließt in Marzahn-Hellersdorf ein guter Teil der Mittel in akute Maßnahmen, um vor sich hinrottende Gebäude vor dem völligen Verfall zu retten. „Wer ein Haus baut, ist mit Abschreibungen gut beraten“, sagt Komoß. An diesem simplen, aber nachhaltigen Prinzip sollte sich seiner Ansicht nach die Finanzierung für den Unterhalt der Schulen orientieren. Ein Fünfzigstel des Wertes aller Gebäude müssten die Bezirke dann im Jahr bekommen – deutlich mehr als momentan.

Neben den Mitteln aus dem Bezirkshaushalt und den Zuschüssen des Senats bemühen sich die Bezirke um Gelder aus Sondertöpfen. Zum Beispiel aus dem Bundesprogramm zum Ausbau von Ganztagsschulen. Neuerdings fließen Fördermittel in die energetische Sanierung. Von einem „Cocktail an Finanzierungsmitteln“ spricht Neuköllns Schulamtsleiter Jürgen Behrendt. Der Mix erklärt manche Verzögerung im Zeitplan, über die sich Schüler, Lehrer und Eltern ärgern. Bricht zum Beispiel ein Wasserrohr, müsse der Bezirk anders verplante Summen umschichten, sagt Pankows Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD).

Ein paar Wochen länger als geplant dauert es auch, bis die neuen Klassenzimmer der Charlie-Chaplin-Grundschule im Märkischen Viertel fertig sind. „Wir mussten die ganze Kanalisation erneuern“, sagt Bauleiter Harald Stoß. Reinickendorfs Bezirksschulstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) nimmt das gelassen. Zum einen können Schüler und Lehrer am Wilhelmsruher Damm in absehbarer Zeit Räume beziehen, in denen es tipptopp aussieht. Zum anderen ist die Situation in Reinickendorf weniger dramatisch als anderswo. „Wir hatten im Bezirk zum Glück über Jahrzehnte eine vorausschauende Politik“, sagt Schultze-Berndt. Sechs Millionen Euro an Bezirksmitteln fließen jährlich in die Bausubstanz der Schulen, hinzu kommen 2,7 Millionen an Landeszuschüssen für 19 Projekte. Die CDU-Politikerin sieht immerhin eine Perspektive, den Sanierungsstau von 60 Millionen Euro abzubauen.

Ebenso wie Spandau und Treptow-Köpenick hätte Reinickendorf das allerdings gerne durch privat-öffentliche Partnerschaften beschleunigt. Private Investoren hätten die Schulen sanieren sollen, die Bezirke die Gebäude nach einigen Jahren wieder übernommen. Vergangenen Herbst stimmte das Abgeordnetenhaus aber gegen solche Projekte. 17 Millionen Euro für sechs Grundschulen hätte Spandau auf diesem Wege freischaufeln können, rechnet Röding vor und zumindest diese Baustellen für Jahre schließen können. Trotz des rot-roten Votums im Land glaubt er, dass auf Dauer an diesem Modell kein Weg vorbei führt.

Es gibt aber auch einen, der nicht klagt, im Gegenteil. Charlottenburg-Wilmersdorfs Schulstadtrat Reinhard Naumann (SPD) sagt, sein Bezirk habe sich dafür entschieden, drei Viertel der jährlich für baulichen Unterhalt bereit stehenden 15,7 Millionen Euro für Schulen zu verwenden. Und während seine Kollegen in anderen Bezirken die 41,3 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt für die Schulsanierung für zu wenig halten, ist das für Naumann durchaus eine „erkleckliche Summe“. Es fehle nicht an Geld, sagt er, sondern an qualifiziertem Personal. 75 Millionen Euro betrage der Sanierungsstau in seinem Bezirk. „Wenn uns der Finanzsenator das Geld auf einen Schlag geben würde, könnten wir es gar nicht verbauen“, so Naumann. Dem stimmt Carsten-Michael Röding aus Spandau zu. „Ich habe nur noch einen einzigen Architekten und ein paar Bauleiter.“

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