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Landeshauptstadt: Von Tristesse und Schnelllebigkeit

Das Potsdam Museum plant eine Ausstellung mit Bildern aus der umfangreichen DDR-Kunstsammlung, die derzeit im Depot lagert

Von Sarah Kugler

Dichter Verkehr auf der Nutheschnellstraße: Die Autos schießen wie verschwommene Blitze am Betrachter vorbei, fahren in eine scharfe Kurve, um dann im Nichts zu verschwinden. Das Gemälde „Berufsverkehr“ aus dem Jahr 1988 von der in Potsdam lebenden Malerin Barbara Raetsch ist eines von etwa 6600 Exponaten, die im Depot des Potsdam Museums in Groß Glienicke untergebracht sind. Einige der Bilder sollen nun ab September in einer Ausstellung zum 25. Jubiläum des Mauerfalls gezeigt werden.

Auf 450 Quadratmetern in dem ehemaligen Kasernengebäude in Groß Glienicke verwahrt das Museum seine Schätze der Sammlung der „Kunst nach 1945“. Ein Großteil der Objekte stammt dabei aus der ehemaligen Galerie Sozialistische Kunst. Von den mehr als 6000 Kunstwerken sind etwa 1300 Gemälde und Skulpturen sowie 5000 Grafiken. Der besondere Schwerpunkt liegt dabei auf der Kunst aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Die Sammlung entwickelte sich unter anderem mit der Unterstützung des Potsdamer Kunstvereins und durch Schenkungen vieler Potsdamer und Künstler.

Die geplante Ausstellung zum Jubiläum des Mauerfalls befasst sich vor allem mit dem Thema „Stadt und Stadtbild“. Neben vielen Darstellungen von Potsdam wird es aber auch Bilder von überregionalen Städtelandschaften geben. Dabei werden ausschließlich Malereien und Grafiken gezeigt. Auf Plastiken und Fotografien müsse aus Platzmangel verzichtet werden. „Im Moment haben wir 130 Objekte ausgewählt“, sagt Jutta Götzmann, die Leiterin des Potsdam Museums: „Und selbst das sind noch zu viele, wir sind gerade dabei, noch weiter einzuengen.“ Seit etwa zwei Jahren wird die Ausstellung geplant, die voraussichtlich vom 6. September bis 29. November 2014 in zwei Etagen des Museums im Alten Rathaus am Alten Markt stattfinden wird. Johanna Wanka (CDU), Potsdamerin und Bundesminsterin für Bildung und Forschung, wird die Schirmherrschaft übernehmen.

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der das Depot am Freitag im Rahmen seiner Stadtwanderung zum Thema „Bildene Kunst in Potsdam“ besuchte, war sichtlich begeistert von den Plänen: „Ich finde die Idee ganz fantastisch“, sagte er. „Allein die Möglichkeit, eine solche Ausstellung aus den eigenen Beständen auf die Beine stellen zu können, ist großartig. Und auch die überregionale Thematik finde ich wichtig.“

Barbara Raetschs Gemälde „Berufsverkehr“ ist eines der Depot-Stücke, die ab September im Potsdam Museum zu sehen sein werden. Mehr als hundert ihrer Arbeiten befinden sich in der Sammlung des Museums. „Das hier ist ein eher untypisches Bild für Raetsch“, sagte Anna Havemann, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Potsdam Museum. „Aber es drückt unglaublich gut die Schnelllebigkeit und Perspektivlosigkeit der damaligen DDR-Stadt aus.“ Außerdem werden in der Ausstellung viele Arbeiten zum Holländischen Viertel von Raetsch gezeigt. Die Bilder sollen neben Arbeiten zum Stadtbild von Berlin-Prenzlauer Berg von dem Maler Konrad Knebel hängen.

Auch wenn sich die Ausstellung zeitlich in den 70er- und 80er-Jahren bewegen wird, werde sie trotzdem eine Vielfalt an Malstilen präsentieren, wie die Museumsmitarbeiter erklärten. Zu sehen sein werden etwa Farblithografien wie der „Mauerhund“ von Veronika Wagner aus dem Jahr 1986, die eine Szene vor dem Mauerstreifen darstellt, genauso wie Werke aus der Leipziger Schule.

Wie das Bild „Kinderfasching im Neubauviertel“ von Uwe Pfeiffer aus dem Jahr 1976. Im Zentrum des Bildes sieht man einen verkleideten Jungen, der den Betrachter tieftraurig anblickt. „Diese Bild wird als Beispiel für das Wohnen im Kollektiv zu sehen sein“, erklärte Götzmann. „Es ist eine wunderbare Darstellung der Tristesse des 08/15-Wohnens und der Abschaffung der Individualität.“

Das Bild von Frank Gottsmann „Über der Stadt“ aus den Jahren 1988/1989, welches einen über die Stadtdächer schreitenden Menschen zeigt, trägt sogar expressive Züge. „Das ist eher ungewöhnlich für die Kunst der DDR“, sagt Götzmann. „Es wird bei uns in der Sektion ,Freiräume’ gezeigt werden und drückt auch unglaublich viel Sehnsucht nach Freiheit aus.“

Wolfram Baumgarts Ölgemälde „Potsdam am Abend“ von 1982/1983 erinnert dagegen ein wenig an den Impressionismus. Es zeigt den abendlichen Blick vom Brauhausberg auf die Stadt mit der Nikolaikirche als Zentrum und thematisiert – wie viele andere Bilder der kommenden Ausstellung – die Verdrängung der historischen Bausubstanz durch die sozialistischen Neubauten. „Dieses Bild arbeitet unglaublich viel mit Chiffren“, erklärte Havemann: „So sind die Kugellampen ein eindeutiges Zeichen für die DDR, die man sonst vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennen würde.“

Weitere Einblicke in die Sammlung verspricht die Ausstellung im September, bei der es sicher noch den einen oder anderen Depotschatz zu entdecken gibt.

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