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Erfolgloser Protest. Mitglieder des Mädchentreffs Zimtzicken hatten im Stadthaus gegen die Streichung der Mittel für das Migrationsprojekt Mädchenzukunft protestiert. Vergeblich  Kämmerer Burkhard Exner (SPD, 2.v.l.) brachte den Etat dennoch durch.

© M. Thomas

Von Sabine Schicketanz: Rathaus-Bündnis winkt Haushalt durch

Kein Geld für Bolzplatz, Archiv und Mädchen-Projekt / Investitionen in Höhe von 90 Millionen Euro

Alle Proteste, Appelle und Unterschriftensammlungen hatten keinen Erfolg: Potsdams Stadtverordnete haben am Mittwochabend den städtischen Haushalt für das Jahr 2011 beschlossen – doch die Forderungen nach Geld für das Projekt „Mädchenzukunft“, das Kulturzentrum Archiv und einen Fußballplatz am Babelsberger Park blieben dabei unerfüllt. Die Stadtverordneten der Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW, Bündnisgrünen und FDP hielten trotz namentlicher Abstimmungen zu allen drei Fragen an der gemeinsamen Linie fest und lehnten die Forderungen ab.

Die Fraktionschefs von CDU, Grünen und FDP äußerten zwar Unzufriedenheit mit dem Verfahren zur Aufstellung des Haushaltes, auch kritisierten sie Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) wegen der zufällig öffentlich gewordenen Zahlung in Höhe von 250 000 Euro für die Reparatur der Flutlichtmasten im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion, dessen Pächter der Sportverein SV Babelsberg 03 ist – doch letztlich war die Mehrheit sicher.

Danach gibt die Stadt in diesem Jahr 470 Millionen Euro aus, nimmt rund 450 Millionen Euro ein und will knapp 90 Millionen Euro investieren. Das Haushaltsminus von 21,3 Millionen Euro soll durch Gewinne aus den Vorjahren ausgeglichen werden – 2008 hatte Potsdam überraschend ein Plus von 30 Millionen Euro erwirtschaftet. Damit kann die Stadt erstmals seit Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen, der nicht von der Kommunalaufsicht des Landes genehmigt werden muss und gleich in Kraft treten kann. Im Jahr 2012 allerdings wird nach Ankündigungen von Kämmerer Burkhard Exner (SPD) wieder ein größeres Minus gemacht werden müssen, das nicht mehr ausgeglichen werden kann.

Traditionell nutzte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg die Haushaltsdebatte zur Generalabrechnung mit Oberbürgermeister Jakobs und der ihn unterstützenden Rathauskooperation. Dabei stellte Scharfenberg erneut klar, dass eine rot-rote Koalition wie im Landesparlament für ihn keine Option ist: „Wechselnde Mehrheiten wären das Beste für Potsdam.“ Derzeit befinde sich die Stadtpolitik in einem „Trägheitsmoment“, begründet aus der „Sorge des Oberbürgermeisters und der SPD vor einer starken Linken“. Scharfenberg warf Jakobs vor, oftmals „am Willen der Bürger vorbei“ zu regieren. Als Beispiele nannte er den Schwimmbad-Neubau im Bornstedter Feld, die Tierheim-Querelen und die Schulentwicklungsplanung. Stadtverordnetenbeschlüsse behandele Jakobs willkürlich, die Stadtverordneten würden nur kalkuliert informiert, statt über Sachlagen aufgeklärt: „Verbindliche Auskünfte muss man sich regelrecht ertrotzen“, so Scharfenberg. Kämmerer Exner warf er vor, erneut zu versuchen, die Politik der Linken mit dem Verweis auf angeblich fehlendes Geld auszuhebeln.

CDU und FDP beklagten in der Haushaltsdebatte vor allem mangelnden Sparwillen – indirekt auch ihrer Kooperationspartner – und das nicht befriedigende Haushalts-Verfahren. Die Abschlüsse der Stadt für 2008, 2009 und 2010 seien bisher nicht fertig, so CDU-Fraktionschef Michael Schröder. Damit gebe es keine verlässliche Grundlage für den Haushalt 2011. Angesichts der Verschuldung – Potsdam hat rund 100 Millionen Euro Altschulden angehäuft, die städtischen Unternehmen zusätzlich rund 700 Millionen Euro – müsse es ein „drastisches Umdenken“ bei freiwilligen Ausgaben geben, forderte Schröder. Das befürwortete auch Peter Schultheiß, Ex-CDU-Stadtverordneter und jetzt Chef der Gruppe Potsdamer Demokraten. Schröder geht damit in deutlichen Widerspruch zum Kurs von Oberbürgermeister Jakobs: Er hatte sich darauf festgelegt, dass die freiwillige Förderung der Stadt – also alles, was Potsdam nicht per Gesetz bezahlen muss – nicht gekürzt wird. Das bekräftigte gestern SPD-Fraktionschef Mike Schubert. Stefan Becker (FDP) sagte, Potsdam müsse endlich strategische Ziele festlegen, um Ausgaben besser zu steuern. Nils Naber (Bündnisgrüne) nannte die Haushaltsverhandlungen in der Rathauskooperation ein „zähes Ringen“. Er verlangte von der Verwaltung ein System, mit dem die Stadtverordneten den Haushaltsplan „selber nachrechnen“ könnten: „Wir wollen einen ehrlichen Haushalt.“ Im jetzigen Zahlenwerk war der Flutlicht-Zuschuss an den SV Babelsberg 03 bekanntlich als „Transferleistung“ aufgeführt – ohne Erläuterungen.

Sven Brödno von der Gruppe Die Andere sagte, der Haushalt sei nicht nur intransparent, sondern auch ungerecht. Die Andere lehne die politisch gesetzten Schwerpunkte ab. Ute Bankwitz vom Bürgerbündnis stellte schon vor der Abstimmung fest, dass die Mehrheit ja feststehe – denn in der Rathauskooperation habe man „jedem seine Projekte gewährt“, politisch sei das aber nicht sinnvoll für Potsdam. „Eine gute Dreiviertelmilliarde Schulden, das ist gefährlich.“

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