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Verwiesen. Lutz Boede (M.) von der Gruppe Die Andere verlässt den Plenarsaal des Stadtparlaments. Dazu musste die Polizei ihn auffordern; dem Saalverweis des Stadtverordneten-Chefs Peter Schüler wollte Boede nicht Folge leisten.

© Manfred Thomas

Von Sabine Schicketanz: Polizeieinsatz im Stadtparlament

Oberbürgermeister verweigerte Antwort – „Die Andere“-Chef Boede weigerte sich, den Saal zu verlassen

Innenstadt - Polizeieinsatz im Potsdamer Stadtparlament: Alarmiert von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und dem Stadtverordneten-Vorsitzenden Peter Schüler (Bündnisgrüne) rückten gestern zwei Beamte in Blau im Plenarsaal an. Ihre Aufgabe: Sie mussten den Saalverweis gegen den Geschäftsführer der Stadtverordneten-Gruppe „Die Andere“, Lutz Boede, durchsetzen. Boede hatte sich geweigert, den Plenarsaal zu verlassen.

Den Saalverweis hatte der Stadtverordneten-Vorsitzende Schüler erteilt, nachdem Boede mehrfach von der hintersten Bankreihe in den Saal gerufen hatte. In seinen Zwischenrufen hatte Boede Schüler beschuldigt, „befangen“ zu sein. Nach einem Ordnungsruf, der keine Wirkung hatte, sprach Schüler den Saalverweis aus. Dem werde er nicht Folge leisten, sagte Boede – und als der Stadtverordneten-Vorsitzende ankündigte, er müsse die Polizei rufen, wenn Boede den Saal nicht verlasse, sagte dieser: „Dann holen Sie doch die Polizei.“ Daraufhin unterbrach Schüler unter tumultartigen Zuständen eine knappe Stunde nach Beginn die Sitzung der Stadtverordneten im Rathaus.

In Beratungen von Fraktionschefs und Stadtverordneten-Präsidium ließ die Lage sich nicht entschärfen; kurz darauf entschieden offenbar Jakobs, Schüler und Bürgermeister Burkhard Exner (SPD), tatsächlich die Polizei zu alarmieren. Den zwei Beamten fügte Boede sich ohne Widerstand und ließ sich aus dem Saal führen. Im Zuge dessen gab es eine Auseinandersetzung zwischen der Stadtverordneten Julia Laabs (Die Andere) und dem Vertreter der rechtsextremen NPD.

Anlass für den Parlaments-Eklat mit Polizeieinsatz gab für die Gruppe „Die Andere“ der Umgang von Oberbürgermeister Jakobs und Stadtverordneten-Chef Schüler mit einer offiziell für die „Fragestunde“ eingereichten Fragestellung. Darin forderte „Die Andere“ Auskunft darüber, ob die Stadtverwaltung vor dem Stadtparlamentsbeschluss zum Ankauf der Griebnitzsee-Grundstücke des Bundes die Presse zum Hintergrundgespräch eingeladen hat. Eine Antwort auf diese Frage hatte Oberbürgermeister Jakobs bereits in der Stadtverordnetenversammlung vor einem Monat verweigert. Jakobs hatte gesagt, dies sei „eine absurde Frage, die ich nicht beantworten werde“. Hintergrundgespräche mit der Presse fänden eben nicht-öffentlich statt.

Der Hintergrund der Fragestellung ist offensichtlich: Gegen den als unbequem geltenden Bündnisgrüne-Stadtverordnete Andreas Menzel war jüngst vom Stadtparlament ein Ordnungsgeld in Höhe von 50 Euro verhängt worden. Menzel erhielt die Strafe, weil er gegen seine Verschwiegenheitspflicht als Stadtverordneter verstoßen haben soll: Aus einer nicht-öffentlichen Sitzung soll er Informationen – unter anderem die Quadratmeterpreise – zum Ankauf von Grundstücken des Bundes am Ufer des Groß Glienicker Sees weitergegeben haben. Mit der Frage nach einem Presse-Hintergrundgespräch der Stadtverwaltung zum geplanten Kauf von Bundes-Grundstücken am Griebnitzsee wollte die Gruppe „Die Andere“ offensichtlich den Beweis zur These führen, dass die Stadtspitze dasselbe getan habe wie der Stadtverordnete Menzel und damit ebenso der Verschwiegenheitspflicht nicht genügt habe.

Im Fall der Griebnitzsee-Grundstücke ist dies außerordentlich brisant: Dass die Stadt die 32 000 Quadratmeter Uferflächen bisher trotz Stadtverordnetenbeschluss nicht vom Bund kaufen konnte, liegt daran, dass Griebnitzsee-Anrainer dem Bund ein Gegengebot gemacht haben. Statt 2,6 Millionen Euro wollen sie drei Millionen Euro zahlen. Wie berichtet will der Bund seine Flächen, die als letzter Schlüssel zum freien Uferweg gelten, daher jetzt ausschreiben. Über den Zuschlag wird der Haushaltsausschuss des Bundestags entscheiden. Einige Stadtverordnete stellten nun die Vermutung auf, dass dieses Szenario vermeidbar gewesen wäre – wenn die Anrainer nicht gewusst hätten, wie viel die Stadt zahlen will.

Gestern nun lag der Eindruck nahe, die Stadtspitze unternehme einiges, um die erneut gestellte Frage nach dem Presse-Hintergrundgespräch erneut unbeantwortet zu lassen: Just als die Frage von „Die Andere“ an der Reihe war, wollte Stadtverordneten-Vorsitzender Schüler die offizielle Fragestunde beenden. Da intervenierte die direkt neben ihm sitzende stellvertretenden Stadtverordneten-Vorsitzende Birgit Müller (Die Linke) per Antrag zur Geschäftsordnung: Die 45 Minuten Fragestunde seien noch nicht abgelaufen, die Sitzung habe fünf Minuten später begonnen. Stadtverordneten-Chef Schüler wirkte daraufhin leicht gereizt – und führte die Fragestunde weiter. Ob es ein Presse-Hintergrundgespräch gegeben hat, erfuhren die Stadtverordneten dennoch nicht: Jakobs sagte, er habe dazu Stellung genommen und „nicht vor, mich zu wiederholen“. Schüler bezeichnete diese Antwort auf Nachfrage als ausreichende „Stellungnahme“; Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg kritisierte sie scharf: „Die Erscheinung nimmt zu, dass die Verwaltung sich aussucht, welche Fragen sie beantwortet und welche nicht.“ Danach begannen Boedes Zwischenrufe, die mit dem Polizeieinsatz endeten.

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