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Von S. Schicketanz und P. Straube: Bürgerwünsche bleiben Wunschträume

Von den Top 20 des letztjährigen Bürgerhaushaltes wird nur ein Vorschlag angenommen – er kostet nichts

Mitwirken, gestalten, verändern – so wirbt die Stadtverwaltung bei den Potsdamern für den Bürgerhaushalt. Warum sie Ideen einbringen und ihre Stimme abgeben sollten, leuchtet allerdings nicht nur Bürgern zunehmend weniger ein. Selbst im Rathaus-Regierungsbündnis von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) aus SPD, CDU/ANW, Bündnisgrünen und FDP gibt es mittlerweile deutliche Kritik am Verfahren.

„So, wie es jetzt läuft, führt der Bürgerhaushalt zu Frust“, sagte CDU-Fraktionschef Michael Schröder am Mittwoch in der Haushaltsdebatte des Stadtparlaments. Es müsse garantiert sein, dass Bürger-Vorschläge auch bezahlt werden können. Dasselbe fordert die SPD-Fraktion in einem Antrag, der am Mittwoch beschlossen wurde. Danach soll Jakobs’ Verwaltung prüfen, wie der Bürgerhaushalt ein „Bürgerbudget“ bekommen kann.

Derzeit gibt es zwar einen Bürgerhaushalt – 5848 Potsdamer hatten darüber abgestimmt –, aber Geld dafür stellt die Stadt nicht bereit. Die Folge: Von den 20 Bürger-Wünschen, die im Bürgerhaushalt das Rennen gemacht und die meisten Stimmen bekommen haben, beschlossen die Stadtverordneten nicht einen einzigen. Selbst der Spitzenreiter der Bürgerwünsche, der Bau von Fußballplätzen am Babelsberger Park, wurde nur zu einem Prüfauftrag für die Verwaltung erklärt (siehe Artikel unten). Stattdessen hätte das Stadtparlament auch die Umsetzung festlegen können. Dafür 250 000 Euro auszugeben, hatte die Gruppe Die Andere gefordert, war aber gescheitert.

So bleiben für 2011 alle bis auf einen der 20 Bürgerhaushalts-Vorschläge vage: Entweder sie wurden abgelehnt, als „in Umsetzung“ bezeichnet oder zur Prüfung an die Verwaltung gegeben. Angenommen haben die Stadtverordneten nur den Vorschlag, die Bürger stärker bei der Planung des öffentlichen Nahverkehrs zu beteiligen. Das allerdings kostet die Stadt nichts. Für manche Entscheidung fehlte einigen Stadtverordneten bereits im jüngsten Finanzausschuss das Verständnis – so beispielsweise bei der Bürgerforderung nach einer „besseren Unterstützung“ der Musikschule. Vor allem für den Einzelunterricht sollte angesichts langer Wartelisten mehr Lehrpersonal eingestellt werden. Dies sei „in Umsetzung“, beschloss die Rathauskooperation – und verwies dabei auf das neue Musikschul-Konzept, nach dem Einzelunterricht teurer wird und von neuem Personal keine Rede ist. Dieses Konzept beschloss das Stadtparlament dann am Mittwochabend – mit einer Mehrheit von nur einer Stimme (PNN berichteten).

Die oppositionellen Fraktionen im Stadtparlament stehen dem Bürgerhaushalt in derzeitiger Form schon länger kritisch gegenüber. „Wir machen uns damit etwas vor“, sagte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg in der Haushaltsdebatte. Den Bürgern werde „nur das Gefühl gegeben“, dass sie beteiligt seien. Sven Brödno von der Gruppe Die Andere sagte, er sei „schwer enttäuscht“ vom Umgang der Verwaltung und der Rathauskooperation mit den Bürgervoten. „Dadurch wird der Bürgerhaushalt zur Farce.“ Einen Antrag der Wählergruppe, den Bürgerhaushalt mit einem Budget in Höhe von einem Prozent des Gesamtetats auszustatten – das wären rund 4,7 Millionen Euro – lehnte das Rathaus-Bündnis ab. Die Andere rief daraufhin zum Boykott des neuen Bürgerhaushaltsverfahrens auf.

Im September 2010 hatte die Arbeitsgruppe zum Bürgerhaushalt mit Stadtverordneten und Verwaltungsmitarbeitern das „Beteiligungskonzept“ neu aufgelegt – eine Veränderung des 2006 mit dem ersten Bürgerhaushalt gestarteten Prinzips ist darin allerdings nicht ersichtlich. Auch eine Problemanalyse gibt es nicht.

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