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Von Raumzeichen und Kriegern: Potsdamer Kunst-Stadtspaziergang am Wasser

Neun Skulpturen, vier Museen: Premiere des neuen Stadtspaziergangs „Kunst am Wasser“. Es geht vom Potsdam Museum bis zur Glienicker Brücke.

Potsdam - Für die Premiere hat sich Ingrid Bathe freiwillig gemeldet. Nun, am Samstagnachmittag, steht die pensionierte Architektin mit dem klaren Blick und dem flotten Kurzhaarschnitt vor dem Potsdam Museum Am Alten Markt, umringt von 20 Neugierigen zwischen 15 und 75 Jahren, und eröffnet, selbst vibrierend vor Vorfreude, den Stadtspaziergang mit dem Titel „Kunst am Wasser“. Hors d’oeuvres der Kunst, drinnen und draußen, soll es heute geben: Neun Skulpturen im öffentlichen Raum wird sie ansteuern und vier Museen auf ihrer Route über die Schiffbauergasse bis zur Glienicker Brücke.

Der Krieger. Auf dem Stadtspaziergang „Kunst am Wasser“ der Potsdam Marketing GmbH ging es zum „Walk of Modern Art“ und der Skulptur von Armondo.
Der Krieger. Auf dem Stadtspaziergang „Kunst am Wasser“ der Potsdam Marketing GmbH ging es zum „Walk of Modern Art“ und der Skulptur von Armondo.

© manfred Thomas

Seit 1989 führt Ingrid Bathe ihre Gäste durch die sich wandelnde, wachsende, erneuernde Stadt und erzählt, was sie darüber in Erfahrung gebracht hat. Dieses Mal im Auftrag der Potsdam Marketing und Service GmbH (PMSG). Nannette Neitzel, die Prokuristin der PMSG, ist ebenfalls mit dabei – und zwar von Anfang an. Sie hat die Idee zum Rundgang mit entwickelt, die Stationen zusammengestellt, die Weiterbildung für die Stadtführer organisiert, den Workshop mit den angeschlossenen Museen im August begleitet. „Die Führung ist ausverkauft“, strahlt sie, und verteilt noch schnell die Tages-Fahrkarten (Potsdam AB) unter den Teilnehmern. Denn ohne Fahrten mit der Tramlinie 93 werden sie die knapp zehn Kilometer kaum schaffen.

Modernes. Ebenfalls einen Besuch gab es am Dynamischen Raumzeichen II.
Modernes. Ebenfalls einen Besuch gab es am Dynamischen Raumzeichen II.

© Manfred Thomas

Zuerst geht es ins Sockelgeschoss des historischen Rathauses, das heutige Potsdam Museum. Museumspädagogin Anke Stemmann nimmt die Gäste dort in Empfang. Die persönliche Begrüßung durch die Museums-Hausherren gehört zum Konzept der Führung. Viel Zeit bleibt nicht, um Werbung zu machen für die Highlights. Höchstens ein „elevator pitch“ ist drin: Etwa so viel Zeit, wie man in einem Fahrstuhl hätte, um dort dem Chef zu beweisen, was man draufhat. Anke Stemmann gibt einen Einblick in die Ausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne – Wilhelm Schmid und die Novembergruppe.“ Der Architekt kam einst aus der Schweiz nach Potsdam, um die Villa der Familie Metz in der Böcklinstraße 15/16 umzubauen (heute Sitz der Hasso-Plattner-Stiftung), heiratete die musikalische Tochter des Hauses und blieb als Künstler in Potsdam, im „Etappenhaus“, an dem immer weiter gebaut wurde. „Je nach Auftrags- und Einkommenslage“, lächelt Anke Stemmann. Bald gebe es auch einen Vortragsabend mit Liedern, wie sie Maria Metz, verheiratete Schmid, gesungen habe. Eine Liste hatte Museumsdirektorin Jutta Götzmann im Schweizer Archiv ausgegraben.

Dann sprintet die Gruppe weiter zum „Jahrhundertschritt“ von Wolfgang Mattheuer im Innenhof des Museum Barberini. Dort, an der Alten Fahrt, gerät die Stadtführerin ins Schwärmen. Auf dem Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik habe sie ihre Fahrerlaubnis erworben, erzählt sie. Die „leicht zu erfassende Kunst“ auf der Freundschaftsinsel habe es ja schon seit den 70er Jahren gegeben, doch den Walk of Modern Art, den Weg der Modernen Kunst, gibt es am Wasser erst seit wenigen Jahren.

Erste Station ist die wohl vier Meter hohe Skulptur Ambos Mundos des Hamburgers Jörg Plickat, rund 200 Meter vor der Brücke zur Freundschaftsinsel. Es könnten zwei verschlungene „L“ sein, aber nein: „Es sind zwei Temperamente, die sich da aneinanderschmiegen“, sagt Ingrid Bathe. Übrigens in Cortenstahl. „Rost- aber nicht algenfrei! Müsste man mal putzen.“ Murmeln im Publikum. „Ja,“ sagt die Führerin freundlich. „Man muss sich das anlesen.“ Schräg gegenüber steht eine bilderreiche Steinskulptur, seit langer Zeit. Sie zeigt keine klassischen Szenen, wie man zunächst vermuten möchte. „Alltag, wie in den Wohnblöcken gegenüber“, lächelt die Führerin. „Vielleicht sogar eine duschende Frau.“ Doch die kann man so schnell nicht entdecken, denn weiter geht’s, zum massiv-mächtigen „Dynamischen Raumzeichen II“ von Otto Herbert Hayek. „Hätte ich so nie gesehen“, sagt Mitspazierer Matthias Klein. Sogar die Wipp-Inseln dahinter scheinen einen Moment lang wie Kunst. „Seerosen vielleicht“, scherzt er. Auch im später betrachteten „Kunstraum Potsdam“, der zum Waschhaus gehört, verschwimmen die Grenzen: Was sagt uns die Bohnermaschine in der Raummitte? Was bedeutet der Feuerlöscher neben der Leopardenmusterjacke? „Nichts“, sagt Kuratorin Sophia Pietryga. Die Ausstellung „Eine Frage der Zeit“ mit 27 Künstlern und Künstlerinnen aus dem Rechenzentrum ist noch in Vorbereitung, eröffnet wird erst am 10. Januar.

Volker Nitschke hat seine ganze Familie zur Führung eingeladen. Mit dabei sind unter anderem seine Ehefrau Ines und die Söhne Alexander und Felix. „Ich lasse mich immer gerne von Kunst inspirieren“, sagt der Ingenieur. „Das erweitert den Blick!“ Ihn begeistert Rudolf Valentas Skulptur „Großer Fibonacci“ aus rostfreiem Edelstahl, die zwischen Museum Fluxus und Havel aufgebaut ist. Valenta hat mit Schenkeln und Winkeln das mathematische Modell Fibonaccis umgesetzt. Mit Sohn Felix gerät Nitschke darüber in lebhafte Diskussion. Dem gefällt am besten, was man am Tage gar nicht sieht: die Licht-Installation unter der Humboldt-Brücke. „Ein Hinweisschild fehlt leider“, sagt Ingrid Bathe. Noch schnell durchs Museum Fluxus, über das Theater-Gelände, vorbei am „Flugschiff“ (von Peter Rohn und Christian Roehl) an der Parkhaus-Wand und an Armandos herzrührendem „Krieger“, der auf die militärische Nutzung des Geländes verweist. Was man für Graffiti auf der in den Sockel schmelzenden Skulptur halten könnte, hat der Künstler selbst aufgetragen. Letzte Station ist die Glienicker Brücke, mit Wieland Försters geschundener „Nike 89“ rechts und der Villa Schöningen links. Dort zeigt man, noch bis zum 13. Januar „Rosa Loy & Neo Rauch – Lohengrin“: Kostüme und Bühnenbilder für die Wagner-Opern-Aufführung in Bayreuth, wohin diese am 14. Januar zurückkehren. Voller Eindrücke nach Hause zurückkehren wollen am Ende auch die Führungsteilnehmer. Mission erfüllt.

Stefanie Schuster

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