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Von Potsdam in die Parteizentrale: Nach Özdemir-Absage: Baerbock kandidiert für Grünen-Spitze

Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock kandidiert für Vorsitz von Bündnis 90/Die Grünen. Ein Problem: Sie zählt zu den Realos.

Potsdam/Berlin - Sie saß am Verhandlungstisch für die gescheiterte Jamaika-Sondierung, ist Expertin für Klimaschutz und Brandenburgs einzige Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Nun strebt Annalena Baerbock, die schon Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen war, in die Bundesspitze ihrer Partei. Am Wochenende verkündete sie als erste, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Die Grünen wählen Ende Januar eine neue Doppelspitze. Cem Özdemir will sich nach neun Jahren nicht nochmal zur Wahl stellen, Co-Chefin Simone Peter würde gern im Amt bleiben.

Für Baerbock, die in Potsdam mit ihrer Familien lebt, sprechen ihre Kernthemen, die auch Kernthemen ihrer Partei sind: Klimaschutz, Energiepolitik, Strukturwandel und Europa. Die 36-Jährige hat bei den Jamaika-Sondierungen erlebt, was es heißt, ganz oben mitzumachen. Sie habe sich die Entscheidung für die Kandidatur um dem Parteivorsitz nicht leicht gemacht. Ihre Töchter sind zwei und sechs Jahre alt, sie ist ohnehin viel unterwegs. „Dass gerade so viele aufgrund der Kinder bei diesem Job so hadern, mich eingeschlossen, zeigt, dass auch wir weiter an den Strukturen für Familienvereinbarkeit arbeiten müssen“, sagt Baerbock. „Mehr als Team agieren, und die Doppelspitze auch wirklich im Sinne des ,Doppelt hält besser‘ leben“, so will sie das machen.

Baerbock gehört zum Realo-Flügel der Grünen - das könnte bei der Kandidatur ein Nachteil sein 

Das einzige Problem für Baerbock: Sie selbst gehört zum Realo-Flügel der Partei. Die Spitze wird nicht nur nach Mann und Frau quotiert. Sie soll auch die Flügel, den linken, also die Fundis und den realpolitischen, die Realos, präsentieren. Und mit Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck, der in einer Jamaika-Koalition regiert und am Sonntag nach Baerbock ebenso seine Kandidatur verkündete, dürfte das schwer werden. Er wird schon seit längerer Zeit als Erneuerer bei den Grünen gehandelt. Özdemir und andere Grünen-Promis haben sich für den 48-Jährigen ausgesprochen, den die Basis bereits um ein Haar zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gewählt hätte.

Realo und Reala, das passt nicht zur Flügelarithmetik der Grünen. Partei-Chefin Simone Peter zeigte sich skeptisch. Davon will Baerbock ihre Kandidatur allerdings nicht abhängig machen. „Im Bundestag kann man rechts der Mitte die Frauen mittlerweile an ein paar Händen abzählen“, sagt die 36-Jährige. „Ich fände es fatal, wenn in einer solchen Situation nun auch noch von uns Grünen der Eindruck entstünde, es drehe sich alles um die Männer, und wenn die sich entschieden haben, kommt die Frau an Mr. X' Seite.“

Baerbock hat sich bei den Grünen einen Namen gemacht

Zudem hat sich Baerbock einen Namen gemacht. Bei den Grünen ist die resolut auftretende Politikerin seit 2005, war vier Jahre lang im Vorstand der Europäischen Grünen und ist seit 2013 im Bundestag. Dass es nicht einfach ist, eine streitlustige Partei wie die Grünen zu führen, weiß Baerbock auch aus vier Jahren als Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen. „Klammertexte, Änderungsanträge, modifizierte Übernahmen, das ist voll mein Ding“, sagt sie.

Vor Parteitagen handelt sie in der Antragskommission nächtelang Kompromisse aus. Die manchmal tiefen Gräben zwischen linkem Parteiflügel und Realos würde Baerbock gern produktiv nutzen: „Unseren vermeintlichen Widerspruch von radikal und staatstragend gilt es als Stärke zu begreifen, auszufechten oder auch zu leben, statt ihn mit PR zuzukleistern.“ (mit dpa)

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