zum Hauptinhalt
Christina Yip (li) und Ryan Ong vom Startup AirVTing.

© PRIVAT

Von Potsdam auf den europäischen Markt: Asiatisches Startup will Streaming-Boom nutzen

Ein Startup aus Singapur will Asiens Streaming-Boom nach Europa bringen – und startet in Babelsberg.

Potsdam - Sie erzählen Geschichten, machen Witze, essen stundenlang oder schlafen einfach – und alle können dabei zuschauen. In China, Taiwan, Südkorea und anderen asiatischen Ländern übertragen Internet-Stars Tag für Tag ihr Privatleben per Livestream im Internet. Die berühmtesten unter ihnen haben Millionen Fans und verdienen Unsummen. Weniger bekannte Sternchen können sich als buchstäbliche Alleinunterhalter immerhin eine Existenz aufbauen.

„In Asien ist Live-Commerce eine große Industrie“, sagt Christina Yip. Diesen Trend will sie auch nach Europa bringen – AirVTing von Potsdam aus. Die Unternehmerin ist in Singapur aufgewachsen und hat in England studiert. Gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Ryan Ong hat sie das Startup AirVTing gegründet. Das Ziel ist der Aufbau einer eigenen Plattform für Streaming und Shopping. „Potsdam ist ein idealer Eintrittspunkt für den europäischen Markt“, sagt Yip. In den vergangenen Monaten habe sie drei bis vier Tage pro Woche in der Landeshauptstadt gearbeitet. Die Europa-Zentrale von AirVTing befindet sich im Co-Working-Space des Media Tech Lab in Babelsberg.

Hochkarätige Unterstützung

AirVTing wird vom Media Tech Hub Accelarator-Programm gefördert, als einziges Startup aus Asien. Die gemeinsame Initiative der Universität Potsdam, der Filmuniversität Babelsberg und des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) bringt seit 2019 Startups in der Frühphase mit etablierten Unternehmen und der Wissenschaft zusammen. „Wir wollen Innovation und Unternehmertum voranbringen“, sagt der Accelerator-Chef Erdinç Koç. Auf AirVTing sei er bei der Konferenz „Startup Thailand“ in Bangkok 2019 aufmerksam geworden.

„In Deutschland kennen wir Social Media auf der einen Seite und Teleshopping auf der anderen“, sagt Koç. „AirVTing will beide Welten verbinden.“ Das Konzept ziele auf ein junges Publikum. Natürlich gibt es auch hierzulande Influencer. Also hippe, junge Leute, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, auf Plattformen wie Instagram, Youtube oder Twitch Inhalte zu erstellen. Ihre Einnahmen kommen aber in der Regel aus bezahlten Produktempfehlungen oder Werbeanzeigen – von Unternehmen, nicht vom Publikum.

Ihren Kollegen auf asiatischen Plattformen wie YY, Momo oder Huajiao stehen deutlich mehr Verdienstmöglichkeiten offen. Sie nutzen auch ihren direkten Draht zu den Fans, etwa über „Social Gifting“. Dabei überweist ein Fan während des Zuschauens per Klick einen kleinen Geldbetrag als Spende an den Moderator. Bei Streamern, die täglich viele Stunden online sind und zehntausende Anhänger haben, kann da einiges zusammenkommen.

Asiatisches Geschäftsmodell auf Europa übertragen

Erfolgreiche Streamer bieten ihren Fans auch eigene Produkte an, die direkt online bestellt werden können. Der chinesische Influencer Austin Jiaqi Li ist bekannt dafür, einmal 15.000 Lippenstifte in fünf Minuten verkauft zu haben.

Doch lässt sich das asiatische Geschäftsmodell so einfach nach Europa übertragen? Zwar experimentiert der Shopping-Gigant Amazon in den USA mit eigenen Streaming-Formaten, aber in der realen Welt des Online-Handels in Europa spielt es bislang keine Rolle. Verschiedene Versuche, das „Social Gifting“ außerhalb Asiens zu etablieren, sind bereits 2012 gescheitert. Facebook, Skype, LinkedIn und die Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet setzten damals Investitionen in den Sand.

„Man muss natürlich immer skeptisch sein“, räumt Koç vom MTH Accelerator ein. „Das Team von AirVTing muss jetzt beweisen, dass es das schaffen kann.“ Ein Beispiel für eine Erfolgsgeschichte sei die Streaming-Plattform Twitch. Die begann einst als schräges Experiment des Gründers Justin Kan, der sein eigenes Leben live übertrug. Dann wurde sie zum Hit bei Videospielern. Und jetzt in der Coronakrise explodieren die Nutzerzahlen.

Coronakrise als Chance

Christina Yip ist unterdessen zurück in Singapur, aufgrund der Covid-19-Pandemie. Dort fühlt sie sich sicherer, sagt sie. Der Stadtstaat hat bereits in der Frühphase mit konsequenten Maßnahmen auf das Virus reagiert, die Infektionsraten sind dort viel niedriger als in Deutschland. Für ihr Geschäftsmodell sieht Yip sogar neue Chancen: „Die Leute sind jetzt zu Hause und interessieren sich mehr für Live-Streaming.“ Nach der Krise will sie nach Potsdam zurückkehren. Die Nähe zur Startup-Metropole Berlin sei ein Vorteil. „Aber in Potsdam finden wir die Ruhe zum Nachdenken.“ Von der Architektur und der allgegenwärtigen Historie in Potsdam sei sie begeistert, sagt Yip. „Es ist ein sehr schöner Ort.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false