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Reparaturen statt Gold und Silber. Zu DDR-Zeiten wurde bei Herrendorf, hier das Geschäft in der Dortustraße, nur ein wenig Modeschmuck verkauft. Zu reparierende Uhren bestimmten das Geschäft.

© Herrendorf

Von Peer Straube: Ein dreiviertel Jahrhundert Edles für die Sinne

Juwelier Herrendorf ist eines der ältesten Geschäfte der Innenstadt. Jetzt feiert es 75-jähriges Bestehen

Von Peer Straube

Innenstadt - Gold, Silber und Juwelen. Wie viele träumen diesen Traum. Eva Gerber nicht. Es entbehrt also nicht einer gewissen Ironie, dass kostbare Geschmeide und edler Schmuck nun seit 30 Jahren das Geschäft der studierten Kulturwissenschaftlerin sind. „Ich wollte den Laden überhaupt nicht“, gesteht die 58-Jährige lächelnd. Die Arbeit beim Kulturbund der DDR, „das war mein Traumjob“, erzählt Gerber. Es kam anders und inzwischen ist der Laden längst ihre Leidenschaft geworden.

Das Geschäft, das Eva Gerber inzwischen mit ihrer Tochter Sylvia leitet, heißt „Juwelier Herrendorf“ und befindet sich in der Brandenburger Straße 57. In diesem Jahr feiert es sein 75-jähriges Bestehen. 1935 eröffneten Evas Mutter Norma Kath, ihr Mann Paul Behrendt und Otto Schneider im selben Haus ein Uhrmachergeschäft. Als Behrendt kurze Zeit später starb, musste Kath schnell einen neuen Uhrmacher finden, denn ohne entsprechende Ausbildung durfte sie maximal ein Jahr allein weitermachen. Der Uhrenersatzteilgroßhändler, mit dem die Firma auch heute noch zusammenarbeitet, vermittelte Erwin Herrendorf, der 1940 Kaths zweiter Ehemann wurde. Sie richteten eine Werkstatt ein, um Uhrmacher auszubilden. Ihrem dritten Ehemann gebar Kath 1952 Tochter Eva – doch die Gemeinschaft mit Herrendorf bestand weiter. Siegfried Kath führte die Bücher und managte den Einkauf, Herrendorf reparierte die Uhren, seine neue Frau arbeitete als Verkäuferin. „Das war schon eine tolerante Familie“, erzählt Eva Gerber lachend. Dem Verstaatlichungswahn der SED entging das Geschäft. Ein bisschen Modeschmuck war im Angebot, ansonsten bestimmten Reparaturen das Repertoire, verkauft werden durfte nicht. „Gold und Silber waren ja knapp“, sagt Gerber, „das wenige wurde zum Verkauf auf die HOs, die DDR-Handelsorganisationen, verteilt“.

Inzwischen hatte ein gewisser Bernd Gerber seine Ausbildung zum Uhrmachermeister bei Herrendorf abgeschlossen und sich in die Tochter des Hauses verliebt. Die beiden heirateten, 1979 kam Tochter Sylvia zur Welt. Damit war Eva Gerbers Traumberuf beendet. „Wenn man damals ein bisschen Geld verdienen wollte, musste man sehr lange arbeiten“, sagt sie. „Mein Mann schraubte bis tief in die Nacht und jemand musste sich ja um unsere Tochter kümmern.“ Also hing sie den Job beim Kulturbund an den Nagel und lernte bei ihrem Mann selbst das Uhrmacherhandwerk. Mit 33 erhielt sie den Gesellenbrief. Die Wende kam und das Geschäft, seit den 70er Jahren in der Dortustraße, kehrte ins Stammhaus zurück. „Ich ging sofort zur Stadtverwaltung und reichte einen Kaufantrag ein“, erinnert sich Eva Gerber. „Ich wollte unbedingt dorthin zurück, wo meine Eltern ihr Geschäft hatten.“

Der Job begann ihr richtig Spaß zu machen. Eva Gerber stellte fest, „dass es eine Menge Individualisten gab, die etwas Besonderes wollen“. Ein Goldschmied, Andreas Martin, wurde eingestellt, der – zum Teil von Eva Gerber selbst mitentworfenen – Schmuck herstellt. Noch immer sind Unikate begehrt. Eigentlich hätten die Gerbers gerne mehr von ihm im Schaufenster, doch „er schafft es gerade, die Kundenwünsche zu erfüllen“. Unter denen sind auch Prominente. Schauspieler Winfried Glatzeder etwa ist Stammkunde. „Der bringt immer Uhren zum Reparieren, zumeist Theaterrequisiten“, sagt Sylvia Gerber.

Auch für die Tochter war der Beruf eigentlich kein Traumjob. Ursprünglich wollte sie Psychologie studieren. Doch es siegten „Tradition und Familienbewusstsein“, sagt Sylvia Gerber. „Schließlich sind wir eine Institution hier in Potsdam.“ Das „tolle Team“ – neben dem Goldschmied sind noch eine Uhrmacherin und drei Verkäuferinnen angestellt – sorgt für zusätzlichen Spaß bei der Arbeit. Seit fünf Jahren hat „Juwelier Herrendorf“ eine kleine Confiserie im Laden, inzwischen sind Mutter und Tochter auch in den Handel mit Edelmetallen eingestiegen, der gut angelaufen ist und daher noch ausgebaut werden soll.

Eva und Sylvia Gerber engagieren sich auch für den Einzelhandel. Das Geschäft ist Mitglied der AG Innenstadt und nimmt an Events wie der Erlebnisnacht teil. Beim Organisieren von Veranstaltungen blüht Eva Gerber richtig auf, kann sie doch ihrer alten Leidenschaft frönen. Im September gibt es wieder eine Opalmesse, auf die die Kunden „schon sehnsüchtig warten“. Doch erst wird das Firmenjubiläum am 28. August ausgiebig gefeiert, ganz im Sinne des „Herrendorf“- Wahlspruchs: „Edles für die Sinne.“

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