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Fischzüchter im Kraftwerk. Der Betriebsleiter der Peitzer Edelfisch GmbH, Andor Nuernberg, hält vor den Kühltürmen des Kohlekraftwerks Jänschwald einen Kescher mit Aalen.

© Michael Urban/ddp

Von Michael Klug: Karpfen und Aale unter Kühltürmen

Peitzer Fischer lassen ihre Speisefische im Kühlwasser des Kraftwerks Jänschwalde gedeihen

Jänschwalde - Die Kühltürme des Kraftwerks Jänschwalde sind kilometerweit zu sehen. 120 Meter ragen die neun Betonsäulen über das vom Tagebau zerfurchte Land der Niederlausitz. Rund um die Uhr spucken sie gewaltige Wasserdampfwolken in den Himmel. Noch außergewöhnlicher geht es allerdings am Fuß der Türme zu. Dort haben Fischzüchter ihren Arbeitsplatz. „Im vorderen Bereich züchten wir Aale, Welse und Streifenbarsche, weiter hinten stehen Karpfen und Forellen“, sagt Andor Nürnberg, während er mit einem Draht-Kescher durch das lauwarme Wasser eines grünen Plastikbassins kurvt.

Die Aale, die der 40-jährige Betriebsleiter der Peitzer Edelfisch GmbH aus einem dunkelgrauen Schwarm fischt, sind fast meterlang und astdick. „Fische sind Warmblüter, die nur ab einer bestimmten Wassertemperatur wachsen“, sagt Nürnberg zum Geheimnis der außergewöhnlichen Fischzuchtanlage: „Durch die Zwischenschaltung unserer Becken in den Kühlwasserkreislauf des Kraftwerks haben wir hier ganzjährig Temperaturen von 20 Grad Celsius aufwärts.“ Winterpausen wie in der freien Natur kennen Nürnbergs Fische deshalb nicht: „Wachstumsmäßig ist für unsere Fische immer Sommer“, sagt er.

Die Fischzucht unter den Kühltürmen geht bereits auf die Zeit der Inbetriebnahme des Kraftwerks zu Beginn der 1980er Jahre zurück. „Es gab damals vom Staat die Vorgabe, dass jeder Betrieb seine Produktionskapazitäten optimal ausschöpfen muss“, erinnert sich Nürnberg. Mit dem benachbarten VEB Binnenfischerei, der heutigen Peitzer Edelfisch GmbH, begann man im damals modernsten Kraftwerk der DDR schließlich mit Tüfteleien zu einer Fischzuchtanlage.

In den Anfangsjahren tummelten sich nur Skalare und Sumatra-Barsche in wenigen Versuchsaquarien. „Die Anlage war als Zierfischzucht gedacht und entsprechend übersichtlich angelegt“, sagt Nürnberg. Dennoch wurde aus der Idee schnell ein lukrativer Devisenbringer, dessen Betrieb erst weit nach der Wende eingestellt wurde.

Mitte der 90er Jahre investierte der Fischereibetrieb schließlich eine halbe Million Euro in die Anlagen und begann mit der groß angelegten Zucht von Speisefischen. Seitdem gedeihen in den Becken von etwa 15 Meter Durchmesser jährlich bis zu 200 Tonnen Fisch. Bei der Fischproduktion in künstlichen Kreisläufen sind die Peitzer damit deutschlandweit an der Spitze.

„Es gibt zwar mehrere Anlagen, die Größenordnungen in Jänschwalde sind bisher aber unerreicht“, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Binnenfischer, Ronald Menzel. Zudem gelingt nach seiner Einschätzung in Jänschwalde, was sonst nur selten funktioniert: „Fische sind in solchen Anlagen äußerst kompliziert zu halten. Vom Futter bis zum Mikroklima muss da alles stimmen. Das zeigt, dass die Peitzer absolute Könner ihres Fachs sind.“ Überdies betreiben die Peitzer ihre Fischzucht im Kraftwerk äußerst rentabel. „Mit einer Million Euro Umsatz liegen wir dick in den schwarzen Zahlen“, sagt Betriebsleiter Nürnberg. Und das, obwohl die Peitzer ihr Warmwasser längst nicht mehr umsonst bekommen. Im Unterschied zu früher werde heute ein realer Preis für die Leistungen gezahlt, sagt Nürnberg über die Konditionen von Kraftwerksbetreiber Vattenfall. Zudem muss das Wasser, das zuvor über Kaskaden im Kühlturm-Inneren rinnt, aufwendig gefiltert werden.

Wirtschaftlich ist die Anlage für den größten Fischereibetrieb in Ostdeutschland durch die verlustarme Aufzucht von Jungfischen. Da der Fischjäger Kormoran die Becken an den Kühltürmen wegen der Dampfwolken meidet, überleben fast alle Jungtiere. „Jetzt fällt höchstens mal ein gieriger Fisch beim Kampf ums Futter aus dem Becken“, sagt Nürnberg.

Michael Klug

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