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Von Matthias Matern: Termin bei Doktor Internet

Der Potsdamer Chirurg Kai von Harbou will Kollegen für seine „Online-Sprechstunde“ begeistern

Von Matthias Matern

Von seiner kleinen Praxis im Dachgeschoss einer Potsdamer Altbauvilla aus will Doktor Kai von Harbou das deutsche Gesundheitswesen revolutionieren. Setzt sich seine Geschäftsidee durch, gehören zeitraubende Arztbesuche bald weitgehend der Vergangenheit an. Anstatt in überfüllten Wartezimmern in abgegriffenen Magazinen zu blättern, bräuchten Patienten dann nur noch zu Hause den Computer einzuschalten.

Über die Internetseite ihres behandelnden Arztes könnten sie sich dann mit einem persönlichen Zugangscode einloggen und via Webcam und Mikrofon mit dem Mediziner sprechen. Das ganze Gesundheitssystem würde davon profitieren, ist von Harbou überzeugt. „Ärzte und Patienten sparen viel Zeit und die Krankenkassen Geld.“

Rund ein halbes Jahr hat der 33-Jährige zusammen mit den Programmierern seiner Potsdamer Start up-Firma „doctr.com“ an dem Portal „Online-Sprechstunde“ getüftelt. „Die Anwendung ist sehr einfach und vor allem sehr sicher.“ Da die persönlichen Daten der Patienten nicht auf einem externen Server gespeichert würden, seien sie für Dritte nicht einsehbar, versichert der geschäftstüchtige Mediziner. Für den Bereich Datenschutz hat sich von Harbou mit Fabienne Serriere extra eine Expertin aus Übersee ins Boot geholt. Die US-Amerikanerin mit französischen Wurzeln studierte in Kalifornien sowie in New York Mathematik und Datenverschlüsselung, arbeitete zuletzt für bekannte Unternehmen der IT-Branche wie etwa AOL. Kennen gelernt haben sich die beiden auf einem Existenzgründertreffen in Berlin.

Knapp 300 000 Euro hat von Harbou bislang in die Entwicklung der „Online-Sprechstunde“ investiert. „Ausschließlich aus meinem privaten Kapital“, sagt der Chirurg. Zur Anwendung kommt die Sprechstunde über das Internet derzeit jedoch vor allem noch in seiner eigenen Praxis. Jetzt hofft Kai von Harbou auf möglichst viele Kollegen, die er von den Vorzügen der Technik überzeugen kann. Denn Geld verdienen will er künftig durch den Verkauf von Abonnements zu rund 80 Euro pro Monat. „Interessierte Ärzte können zuvor drei Monate lang die ’Online-Sprechstunde’ testen, bevor sie sich entscheiden.“ In zwei Berliner Kliniken immerhin werde die Innovation derzeit bereits ausprobiert.

Seine eigenen Erfahrungen würden zeigen, dass auch ältere Menschen mit der Bedienung des Computers kaum Schwierigkeiten hätten, berichtet Kai von Harbou. „Viele werden zudem bei ihrer ersten ''Online-Sprechstunde'' von jüngeren Familienangehörigen unterstützt.“ Knapp 70 seiner insgesamt 100 Patienten betreut der Arzt teilweise über das Internet.

Ganz aber lasse sich der Gang zum Doktor nicht ersetzen, schränkt von Harbou ein. Für die erste Konsultation etwa, oder aber bei einer akuten Erkrankung, sei ein persönliches Gespräch und eine Untersuchung absolut notwendig. Sinnvoll aber wäre die „Online-Sprechstunde“ besonders bei der weiterführenden Betreuung von chronisch Kranken und von Menschen, die wenig Zeit haben, oder wenig flexibel sind. „Zum Beispiel alleinerziehende Eltern und Personen, die beruflich stark eingebunden sind.“

Vor allem in ländlichen Regionen wie in Teilen Brandenburgs, wo der Weg zum nächsten Arzt oft besonders weit ist, könnte seine Entwicklung künftig die medizinische Grundversorgung deutlich verbessern, glaubt von Harbou. Doch gerade dort fehlt es oft noch an der wichtigsten Voraussetzung für den Sprung ins neue Zeitalter: einem ausreichend schnellen Internetzugang. Das weiß auch der junge Arzt, verweist dabei aber auf die jüngsten Ankündigungen der Bundesregierung, die bis Ende 2010 bundesweit eine flächendeckende Breitbandversorgung gewährleisten will.

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