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Abgewandert: Die 1820 gegründete Firma Schuke Orgelbau zog 2004 von Potsdam nach Werder.

© PNN

Von Matthias Matern: Frerichs: Unternehmer nur zweite Wahl

Chef der Wirtschaftsförderung kritisiert: Wirtschaft hat gegenüber Wohnungsbau oft das Nachsehen

Von Matthias Matern

Potsdam - Rund 1300 Gespräche mit potenziellen Investoren haben Potsdams Wirtschaftsförderer im vergangenen Jahr geführt. Vorhaben in Höhe von etwa 50 Millionen Euro konnten angeschoben werden, an die 200 neue Arbeitsplätze könnten entstehen. „Das Interesse an Potsdam ist groß. Wir haben ständig Anfragen“, berichtet Stefan Frerichs, Wirtschaftsförderer der Stadt. Doch mit ihren Standortvorstellungen würden Unternehmer oftmals auf wenig Gegenliebe stoßen, kritisiert er.

„Es gibt eine gewisse Unsensibilität im Umgang mit interessierten Investoren“, findet Frerichs, seit zwei Jahren im Amt. Nicht in der Verwaltung, aber bei privaten Grundstückseigentümern und bei einigen Politikern, konkretisiert er. Seiner Meinung nach sei die Ansicht weit verbreitet, Gewerbe könne doch überall stattfinden. „Dabei wollen Unternehmer nicht nur irgendwo am Stadtrand bauen, sondern sie legen auch Wert auf eine zentrale Lage.“ Sogenannte weiche Standortfaktoren, wie Nähe zu Bildungseinrichtungen und kulturellen Angeboten, würden eine wichtige Rolle spielen. „Die Stadt muss aufpassen, dass sie Geschäftsleuten auch genügend attraktive Flächen zu bieten hat.“

Dabei scheint nicht die Menge an potenziellen Gewerbegrundstücken das Problem zu sein. „In der Summe gibt es genug Flächen. Aber die Verwertbarkeit ist sehr unterschiedlich. Nicht jedes Grundstück ist für jede Branche geeignet“, erläutert Stefan Frerichs. Benötigt würden beispielsweise „marktfähige“ Flächen für handwerkliche Betriebe. Gut geeignet wären dafür etwa Gebiete nördlich der Nuthe-Schnellstraße. „Aber in Potsdam herrscht ein hoher Verwertungsdruck.“

Vor allem günstiger Wohnraum ist knapp in der Stadt. Es gibt nur etwa zwei Prozent Leerstand. Selbst weniger attraktive Gebiete wie der Stern oder der Schlaatz sind nahezu ausvermietet. Seit Jahren fordert deshalb die Stadt Landesförderung für den Bau neuer Wohnungen. Das weiß auch Frerichs. Dennoch: „Wir müssen dahin kommen, dass Wirtschaft und Wohnraum im Bewusstsein den gleichen Stellenwert bekommen“, fordert er. Es komme vor, dass vormals als Gewerbegebiete ausgewiesene Flächen umgewidmet werden und später dort neue Wohnhäuser entstehen. Er wolle keine „rauchenden Schlote“ in der Stadt, versichert Wirtschaftsförderer Frerichs. Der Anteil produzierenden Gewerbes läge ohnehin nur bei rund acht Prozent.

Doch auch für vergleichsweise unauffällige Betriebe scheint nicht immer Platz zu sein. Prominentestes Beispiel ist wohl der Umzug des Orgelbauers Schuke vor fünf Jahren. Obwohl die Firma gerne in Potsdam geblieben wäre, zehn verschiedene Grundstücke im Visier hatte, musste Geschäftsführer Matthias Schuke mit seinen Orgelpfeifen wohl oder übel nach Werder abwandern. Bereits 2002 war Maschinenbauer Jürgen Kaminski aus dem gleichen Grund in die Havelstadt gezogen.

Jüngstes Beispiel ist die Potsdamer Firma Promontan. Der Hersteller von Elektroanlagen und Schaltschränken sitzt jetzt ebenfalls in Werder, beschäftigt dort knapp 40 Mitarbeiter. Auch Promontan wollte bleiben. Doch das Gelände am Werderschen Damm zwischen Potsdam und Geltow, dem alte Firmensitz, wurde 2007 von der Stadt gekauft. Ersatzmaßnahmen für den Bau der Bahnhofspassagen sollten umgesetzt, die Flächen „entsiegelt“ werden. „Das Amt für Wirtschaftsförderung hat sich gemüht. Aber für die Wissenschaft wird in Potsdam wohl mehr getan als fürs Gewerbe“, klagte Geschäftsführer Thomas Schellhorn damals. Für seine Firma habe er in Potsdam jedenfalls nichts anderes finden können.

Doch Besserung scheint in Sicht. Durch das Stadtentwicklungskonzept Gewerbe will Potsdam jetzt die Bedingungen für Unternehmensansiedlungen analysieren. „Wir wollen mögliche Flächen erfassen und auf ihre Qualität für bestimmte Branchen bewerten“, sagt Wirtschaftsförderer Frerichs.

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