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Von Jana Haase: Sind Jungs die schlechteren Schüler?

Jungen haben weniger Schulerfolg als Mädchen – seit der Studie des Bildungsministeriums im Jahr 2007 ist jedoch einiges geschehen

Irgendwas stimmt da nicht. 65 Schüler lernen an der Fröbel-Förderschule für Erziehungshilfe am Teufelssee: 64 Jungen und ein Mädchen. Dieses Ungleichgewicht verwundert Schulleiter Dirk Heidepriem aber schon lange nicht mehr. Seit 1983 arbeitet er an der Schule für Verhaltensauffällige. Die Mädchenquote sei noch nie sehr hoch gewesen, sagt er.

So seltsam es angesichts der glänzenden Berufskarrieren von Männern in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Kunst auch klingt: Wenn es um Schulleistungen geht, ziehen Jungen den Kürzeren. Was sich in der ersten PISA-Studie vor acht Jahren bereits abzeichnete, bestätigte der „Bericht zur Jungenförderung“, den das brandenburgische Bildungsministerium 2007 vorlegte (siehe Kasten). Die Jungsquoten an Förderschulen sind dabei nur ein Indiz von vielen: Jungen wiederholen öfter eine Klasse, verlassen die Schule häufiger ohne Abschluss und erreichen niedrigere Bildungsabschlüsse als Mädchen. Handlungsbedarf sahen die Verfasser der Studie etwa in der Lehrerbildung, bei Unterrichtsentwicklung und außerschulischen Angeboten.

Ein Jahr später gibt es jetzt erste Ideen, um das Jungsproblem der Schulen und das Schulproblem der Jungen anzugehen: Zum Beispiel beim Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg, das die Weiterbildung von Lehrern organisiert. Seit dem Sommer werden dort Fachberater systematisch mit dem Thema Jungenförderung vertraut gemacht, wie Direktor Jan Hofmann erklärt. Auch ein Lesecurriculum, das unterschiedliche Interessen von Jungen und Mädchen berücksichtigt, werde momentan erarbeitet. Bereits in Druck gegangen sei ein Arbeitsbuch für den historisch-politischen Unterricht zum Thema „Gender“. Damit können sich Schüler mit Frauen- und Männerrollen im Mittelalter, in der Weimarer Republik, in der DDR und heute beschäftigen – ein bisher unterbelichtetes Thema im Unterricht.

Dass Rollenerwartungen an Männer und Frauen in der Schule kaum eine Rolle spielen, ist für die Verfasser des Jungenförderungsberichtes eine mögliche Ursache für das schlechte Abschneiden der Jungen. Denn die eigene Geschlechtsidentität sei für Kinder und Heranwachsende „elementares Bildungsprojekt“. Ein anderer Grund sei die „Feminisierung der Schule“. Denn männliche Bezugspersonen fehlen fast ganz: So ist nur jeder hundertste Kita-Erzieher ein Mann, 7,3 Prozent der Grundschullehrer sind Männer, an Oberschulen ist jede fünfte Lehrkraft männlich. Am höchsten ist der Männeranteil noch an den Gymnasien mit 29,5 Prozent.

An diesen Fakten kann auch das Landesinstitut für Lehrerbildung nichts ändern. Zumindest aber sollen sich die angehenden Lehrer jetzt verstärkt mit der Gender-Frage befassen, wie Institutsdirektor Lothar Wolf erklärt. Sie soll etwa im Mittelpunkt der „medienpädagogischen Woche“ stehen, die alle Referendare und Lehramtsanwärter durchlaufen. „Später können sie mit den Schülern eigene Filmprojekte zum Thema machen“, hofft Wolf. Auch in die Rahmenpläne für die Lehrerausbildung, die aktuell überarbeitet werden, soll die Jungenförderung aufgenommen werden.

Dass Jungen anders als Mädchen ticken, ist den Mitgliedern von Manne e.V. schon lange klar. Der 1997 gegründete Verein mit Sitz in Potsdam kümmert sich landesweit um „geschlechterbewusste Jungenarbeit“ und bietet etwa Lehrerweiterbildungen an. Dabei geht es den Mitarbeitern um einen ganzheitlichen Ansatz: Denn Gewalt und Schulversagen deuteten auf „strukturelle Probleme im Schulsystem“, erklärt Sozialpädagoge und Manne-Mitgründer Peter Moser. So fehlen an den Schulen etwa Räume zum Toben. Das wäre aber gerade für Jungen wichtig: „Bei ihnen ist der Bewegungsdrang ganz anders ausgeprägt als bei Mädchen“, so Moser. An sechs Schulen ist Manne e.V. momentan im Einsatz. Eine davon ist die Fröbel-Schule. Seit einem Jahr begleitet Manne e.V. die Förderschüler nun schon – mit Nachmittagsangeboten. Höhepunkt der bisherigen Arbeit war eine Radtour von Potsdam an die Ostsee. So sollen die Jungen, die nach Schulmaßstab ständig versagen, wieder Erfolgserlebnisse bekommen, erklärt Moser. „Eine tolle Sache“, sagt Schulleiter Heidepriem: „Da zehren die Schüler viele Jahre dran.“ Eine solche Aktion bewirke zwar „keine Wunder“, sagt der Schulleiter: „Aber die Schüler bekommen eine andere Schulbindung.“

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