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Von Jan Brunzlow: Jakobs: Freiland ein Fehler

Jugendprojekt beschlossen, Jakobs gibt „Fehleinschätzung“ zu – aus Kalkül?

Die Überraschung gab es am Ende. Es war der Abschluss des Abends, als Jann Jakobs (SPD) seine Argumentationslinie der vergangenen zwölf Monate über den Haufen warf und bedauerte. Ein wenig sich, aber noch mehr eine Entscheidung der Stadtverordneten aus der Vorwoche. Das angeschnittene Thema am Donnerstagabend auf einer SPD-Parteiveranstaltung hieß „Freiland“, das neueste Jugendkulturprojekt von Potsdam, millionenschwer und nicht von jedem in der Stadt geliebt. Nun, nach einem Jahr Diskussion und einer endgültigen Entscheidung, hat sich auch der Oberbürgermeister selbst in die Reihe der Zweifler gestellt. „Ich war da selbst einem Fehler aufgesessen“, sagte Jakobs. Er bezeichnete den Beschluss für das Projekt als Ergebnis einer „vollkommenen Fehleinschätzung der Situation“.

Aussagen, die Kritiker des Projektes aus den eigenen Reihen aber auch politische Gegner wie Hans-Jürgen Scharfenberg von den Linken gestern mehr als irritierten. Scharfenberg warf Jakobs nun vor, er sei „prinzipienlos“ und handle aus „politischem Kalkül“. Aus der SPD hieß es gestern, er versuche den Schulterschluss mit den Kooperationspartnern in der Stadt. Denn CDU/ANW und FDP – immerhin zwölf Stadtverordnete – hatten sich gegen die Realisierung des Projektes ausgesprochen. Zu teuer, nicht zwingend nötig, so die Argumente.

Jakobs gestand Versäumnisse ein. Unter anderem, dass keine Analyse der Jugendkultur stattgefunden hat. Dies soll bekanntlich erst jetzt nachgeholt werden. In der Diskussion hätten einzelne Jugendliche und andere Vertreter „für sich beansprucht, für alle zu reden“, sagte er auf einer Parteiveranstaltung des SPD-Ortsverbandes Innenstadt/Nord. Als früherer Jugendamtsleiter „hätte ich das besser wissen müssen“. Es habe auch eine Gegenbewegung zum Projekt gegeben: „Diese Stimmung in der Stadt ist an mir und anderen vorbeigegangen.“ Die Antennen hätten gefehlt, um steuernd eingreifen zu können.

Jakobs ist Aufsichtsratschef der Stadtwerke, die das Grundstück für das Jugendprojekt an der Friedrich-Engels-Straße sowie Geld für Investitionen zur Verfügung stellen. Insgesamt kostet das Projekt allein 840 000 Euro an Investitionskosten, zuzüglich Grundstückspreis und Betriebskosten. Seit Wochen hätten CDU und FDP auf ihn eingeredet, sagte Martina Engel- Fürstberger gestern. In verschiedenen internen Runden seien die Warnungen ignoriert worden, „Jakobs hat mir das Wort verboten“. Er habe versucht „die Linken links zu überholen und das Geld zum Fenster rausgeschmissen“, weil die Oberbürgermeisterwahl ansteht. Das Tuch zwischen SPD und Liberalen scheint zerschnitten.

Zwei Stunden hatte Jakobs am Donnerstagabend vor den eigenen Genossen über die Stadt gesprochen, wie gut die Bilanz der letzten sieben Jahre sei – seine Amtszeit – und wie toll sich die Landeshauptstadt entwickelt hat. Jakobs tingelt derzeit durch die Potsdamer SPD-Ortsverbände, um für seine Wiederwahl zu werben. Am 26. Juni wollen die Sozialdemokraten entscheiden, ob Jakobs ihr Oberbürgermeister-Kandidat wird.

Sein Herausforderer könnte wie schon im Jahr 2002 Hans-Jürgen Scharfenberg sein, der sich in den letzten Monaten viel mit seiner eigenen Vergangenheit als ehemaliger Mitarbeiter der Staatssicherheit beschäftigen musste. Er steht dennoch als Kandidat bereit. Ob er antreten darf, darüber entscheiden die Linken im Juni. Gestern reagierte Scharfenberg verärgert auf Jakobs’ Äußerungen. Es sei „offensichtlich eine politischen Erwägung gewesen, um ein Signal ins bürgerliche Lager zu geben“. Nach dem Motto, „ihr habt ja ein bisschen Recht“. Vor einer Woche habe Jakobs die Wichtigkeit der Entscheidung betont, jetzt die Drehung. „Er muss sich entscheiden, was er will“, so Scharfenberg.

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