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Unter Verdacht: Dieter Gohlke (links oben) und Brian Utting (rechts oben) sitzen seit 2003 im Stadtparlament. Utting ist aktuell der stellvertretende Kulturausschuss-Vorsitzende und Vize-Fraktionschef von FDP/Familienpartei. Die Familienpartei will sich für Kinder und Familien einsetzen und wirbt dafür (Bild unten).

© M. Thomas (2)/ Familienpartei

Von Henri Kramer und Matthias Matern: Stadtverordnete unter Betrugsverdacht

Zwei Politiker der Familienpartei sollen mit Komplizen Parteifinanzierung erschlichen haben

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Zwei Potsdamer Stadtverordnete der Familienpartei stehen unter Verdacht, mit mehreren Komplizen in Deutschland öffentliche Gelder für die Parteienfinanzierung erschlichen zu haben. Wie das Landeskriminalamt Brandenburg (LKA) am Donnerstag mitteilte, sollen die Beschuldigten von Konten der Elternpartei, der Familienpartei und des Fördervereins „Gewaltfreie Familie“ Geld abgehoben, und es danach als fiktive Spenden auf die Konten der Familien- und der Elternpartei wieder eingezahlt haben. Gemäß dem deutschen Parteiengesetz bemessen sich die staatlichen Zuschüsse auch an der Summe der eingeworbenen Spenden. Insgesamt sei ein Schaden im „unteren fünfstelligen Eurobereich“ entstanden, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam gegenüber den PNN. Nach den Durchsuchungen hätten sich die Hinweise auf Straftaten „verdichtet“.

Ermittelt wird wegen des Verdachts des Betrugs, der Urkundenfälschung, der Untreue sowie des Verstoßes gegen das Parteiengesetz. Beschuldigt würden mehr als zehn Personen zwischen 34 und 46 Jahren, sagte LKA-Sprecher Toralf Reinhardt. „Mehrere davon kommen aus Brandenburg.“ Zu den Beschuldigten gehören der brandenburgische Landesvorsitzende der Familienpartei und Potsdamer Stadtverordnete, Brian Utting, sowie der ebenso für die Familienpartei im Stadtparlament sitzende Dieter Gohlke.

Den vermeintlichen Tätern auf die Spur gekommen sind die Ermittler durch Anzeigen zweier Banken Ende 2007 und Anfang 2008. Bereits am Mittwoch durchsuchten rund 50 Ermittler 17 Objekte in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Bayern, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen. Alle vier im Land Brandenburg durchsuchten Objekte befinden sich in Potsdam, teilte Reinhardt mit. Ziele waren unter anderem die Wohnung von Utting und das Büro der Fraktion FDP/Familienpartei im Stadthaus. Beschlagnahmt wurden laut Reinhardt Aktenordner, Laptops, externe Festplatten und Kontounterlagen.

Gegenüber den PNN wollte Utting gestern nicht Stellung nehmen, er verwies auf ein anstehendes Gespräch mit seinem Anwalt. „Danach werde ich mich äußern.“ Die Durchsuchung wird für ihn wohl auch berufliche Konsequenzen haben. Die Staatsanwaltschaft fand bei dem Berufssoldaten „eine scharfe Patrone, zahlreiche Übungspatronen und zwei Signallichter der Bundeswehr“. Die Entlassung droht. Er selbst erwarte zumindest „disziplinarischen Konsequenzen“, so Utting. Gohlke war gestern nicht zu erreichen. Er ist Stadtverordneter für die Familienpartei, seine Frau war Bundesparteivorsitzende der Elternpartei. Beide Beschuldigte sind auch mit dem Verein Gewaltfreie Familie verbunden. Gohlke wird auf dessen gelöschter Internetseite als erster Vorsitzender geführt. Utting listet sich als Geschäftsführer des Vereins.

Die Stadtverordneten im Hauptausschuss waren am späten Mittwochabend informiert worden. Die Familienpartei bildet mit der FDP eine fünfköpfige Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung und ist zusammen mit SPD, CDU/ANW und Grünen ein Mitglied der Potsdam regierenden Rathauskooperation. Potsdams SPD-Chef Mike Schubert forderte, dass Utting und Gohlke ihre Mandate vorläufig ruhen lassen sollten. Bestätige sich, dass beide gegen das Parteiengesetz verstoßen haben, sollten sie ihr Mandat niederlegen. Zudem empfehle er dem Rechnungsprüfungsamt, die Geldflüsse aus der Fraktion in Richtung der genannten Parteien und Vereine zu überprüfen. FDP-Fraktionschefin Martina Engel-Fürstberger sagte, die Beschuldigten sollten zunächst die Möglichkeit bekommen, Stellung zu nehmen. Die Ermittlungen bezögen sich auf den Zeitraum von Mai 2007 bis September 2008 – die gemeinsame Arbeit habe aber erst im Oktober 2008 begonnen.

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