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Von Henri Kramer: Neonazi-Feier zur Pogromnacht

Rechtsextreme mieteten Schulsporthalle / „Stützpunkt“ der Jungen Nationaldemokraten gegründet

Drewitz – Eine Gruppe Rechtsextremer hat seit September unerkannt die Sporthalle des Potsdamer Schiller-Gymnasiums genutzt und offenbar zu einer Neonazi-Feier am 9. November missbraucht, dem 70. Jahrestag der Pogromnacht 1938. Zudem sollen die anwesenden Neonazis an dem Tag einen Potsdamer „Stützpunkt“ der Jungen Nationaldemokraten (JN) gegründet haben, die Jugendorganisation der rechtsextremen NPD. Zwei Wochen danach erhielt die Gruppe am Sonntag nun das Verbot, die Halle weiter zu nutzen. Schulleiter Andreas Mohry gab ihnen die schriftliche Kündigung. Er war mit mehreren Polizisten erschienen. „So eine Sache wird uns nicht noch einmal passieren“, sagte Mohry gestern. Anrufe aus der Verwaltung hätten ihn alarmiert.

Die Feier wurde publik, weil die Gäste sich damit im Internet brüsteten. Bereits am 11. November erschien auf der Neonazi-Szene-Seite des „Freien Netzes Leipzig“ ein Text unter der Überschrift „Wir alle sind ein Glied in der ewigen Kette unseres Volkes“. Darin berichten die Rechtsextremen von bis zu 50 Feiergästen in Potsdam. Diese hätten zunächst das Lied „Ein junges Volk steht auf“ gesungen, eines der Pflichtlieder der Hitlerjugend, das in einzelnen Bundesländern als verfassungswidriges Kennzeichen gilt, welches unter Strafe steht. Dem Lied folgten laut dem Internetbeitrag mehrere Reden, etwa zum Thema der „uns Deutschen innewohnenden Sehnsucht nach Gemeinschaft, Ordnung und Kameradschaft“. Ein „Geleitwort“ des JN-Landesvorsitzenden Sachsen habe zudem die Schaffung eines neuen Menschentypus gefordert, „gesund an Geist und Körper, psychisch und physisch belastbar und weltanschaulich gefestigt“. Vor dem „gemütlichen Teil“ des Abends habe schließlich noch ein „alter Kamerad“ der Waffen-SS gesprochen.

Schulleiter Mohry zeigte sich gestern „erschrocken“ über die Feier an dem Privatgymnasium. Der Potsdamer Thomas P. habe die Halle seit September an vier Sonntagen gemietet und dafür je Stunde 24 Euro bezahlt, um dort von 18 bis 20 Uhr Fußball zu spielen. Was Mohry nicht ahnte: Thomas P. ist seit Jahren in Potsdams Neonazi-Szene aktiv. Unter anderem gehörte er im Sommer 2005 zu der Gruppe von Schlägern, die zwei Studenten in der Friedrich-Ebert-Straße überfielen und schwer verletzten. P. erhielt dafür vom Potsdamer Landgericht eine Jugendstrafe von zwei Jahren, die auf Bewährung ausgesetzt wurde. Auch danach wurde P. weiter bei Neonazi-Aufmärschen gesehen, etwa in Königs Wusterhausen, Stendal und Berlin.

Davon weiß Mohry erst jetzt. „Er war ganz unauffällig.“ Und auch jetzt am Sonntag, als der Schulleiter unangekündigt mit der Polizei erschien, habe die an dem Tag zehnköpfige Gruppe nur Fußball gespielt. Die Kündigung wegen „missbräuchlicher Nutzung“ sei „widerspruchslos“ hingenommen worden, so Mohry weiter.Wie die Schule künftig bei Vermietungen vorgehen will, sei noch nicht entschieden – einerseits werde die Halle für den Breitensport genutzt und wolle niemand „totale Überwachung“, andererseits dürfe niemand rechtsextreme Aktivitäten fördern und unterstützen.

Auch beim Brandenburger Innenministerium und dem Verfassungsschutz ist der Fall bekannt. „Wegen der offen propagierten Nähe zum Nationalsozialismus werden die künftigen Aktivitäten des JN–Stützpunktes Potsdam von unseren Sicherheitsbehörden aufmerksam beobachtet“, sagte gestern Ministeriumssprecherin Dorothée Stacke. Gleichzeitig machte sie auf den Begriff „Stützpunkt“ aufmerksam: Damit versuche die JN eine nicht vorhandene Stärke zu suggerieren.

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