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Das frühere Militärwaisenhaus in der Breiten Straße 14.

© Manfred Thomas

Von Hannelore Lehmann: „Alles übernommen und angeordnet“

Der Frühaufklärer Daniel Ernst Jablonski war auch Inspektor des Predigerwitwenhauses

Kurz nach Ostern 1694 fuhr Daniel Ernst Jablonski mit der kurfürstlichen Predigerkutsche nach Potsdam, um sein Amt als Inspektor des Predigerwitwenhauses – heute Breite Straße 14 – zu übernehmen. Da wurde „alles besichtigt, übernommen und angeordnet“, heißt es rückblickend in seinem Tagebuch. Die Erbauer des Hauses hatten einen geräumigen, heizbaren Raum zur „Herrenstube“ bestimmt. Hier verschaffte sich Jablonski den Überblick über Finanzen und Belegung des Gebäudes, derzeit „acht betagte Personen“, davon zwei mit je drei Kindern, drei Jungen und drei Mädchen. Aus den Registern ersah er die Art der Verpflegung und der Belieferung mit Holz.

Das Witwenhaus befand er in gutem Stande, dazu gehörige Nebenanlagen aber als reparaturbedürftig. Ihm wurde klar, dass jetzt eine umfassende, der Praxis gerecht werdende Fundations(Stiftungs)urkunde entworfen werden musste. Als für die weltlichen Belange zuständigen Inspektor suchte er sich den Hoffiskal (Finanzbeamter) Wilhelm Duhram aus, als Vertreter beider Inspektoren vor Ort den jeweiligen Potsdamer Hofprediger. In kurzer Zeit hatten er und Duhram eine grundlegende „Punktation“ (Hauptpunkte des Vertrages), dann eine 25 Punkte umfassende Fundationsurkunde sowie eine Hausordnung erarbeitet. Letztere sollte ausgehängt und zweimal im Jahr verlesen werden. Am 1. Februar 1697 wurde die Urkunde zur Ausfertigung an den Kurfürsten übergeben.

Am heutigen Sonnabend jährt sich der Geburtstag des Predigers Jablonski (1660 - 1741) zum 350. Mal. Als Inspektor des Predigerwitwenhauses erlangte er für Potsdam auch stadtgeschichtliche Bedeutung. Als Jablonski 1693 von Kurfürst Friedrich III. zunächst zum Dom- und Hofprediger nach Cölln an der Spree berufen wurde, hatte der bei Danzig geborene Enkel des berühmten Gelehrten Comenius schon ein bewegtes Leben hinter sich. Die Familie war vor der Gegenreformation nach Lissa (Leszno) in Polen geflohen. Hier besuchte Jablonski das Gymnasium und studierte anschließend in Frankfurt (Oder), dann in Oxford Theologie. Nach der Übersiedlung mit seiner Familie nach Berlin konnte der 33-Jährige seine wissenschafts- und religionspolitischen Ziele im Klima eines aufstrebenden, aufklärungstoleranten Hofes verfolgen.

In Holland hatte er das „Buch von der Nachfolge Christi“ des Mystikers Thomas von Kempen kennengelernt. „Wie ein Donnerschlag in seinem Herzen“ habe er dessen Mahnung gespürt, über den Wissenschaften nicht das tätige Christentum zu vergessen. Dafür bot ihm die Inspektorenposition am Predigerwitwenhaus in Potsdam Gelegenheit.

Am 17. Oktober 1693 war Anton Brunsenius, seit 1680 Potsdamer Hofprediger und seit 1682 Inspektor des in jenem Jahr auf der Kurfürstlichen Freiheit fertig gestellten Witwenhauses, gestorben. Brunsenius hatte alles, wie man heute sagen würde, gut auf die Reihe gebracht: Das Haus mit seinen 16 Unterkünften füllte sich; es wurde vom Amt Potsdam mit Holz, Getreide und Speisebier versorgt und die notwendigen Ausgaben waren abgesichert. Kurfürst Friedrich III. wünschte sich schließlich den Hofprediger aus Cölln an der Spree als Nachfolger des verstorbenen Inspektors. Jablonski stellte sich sofort auf die Aufgabe ein. Sein „Tagebuch des Potsdamer Witwenhauses dessen Fürsorge mir anvertraut wurde“ beginnt mit dem 10. Dezember 1693 und endet im September 1698.

Daniel Ernst Jablonski fasste 1698 ein neues Ziel ins Auge: Mit Gottfried Wilhelm Leibniz setzte er die Stiftung der dann am 11. Juli 1700 gegründeten brandenburgischen Societät der Wissenschaften ins Werk. Von 1733 bis zu seinem Tode 1741 war er deren Präsident. Dennoch blieb er Inspektor des Predigerwitwenhauses und ab 1724 auch des Potsdamer Militärwaisenhauses. Ab 26. November ist im Berliner Dom die Ausstellung „Brückenschläge. Daniel Ernst Jablonski im Europa der Frühaufklärung“ zu sehen.

Hannelore Lehmann

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