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Von Guido Berg: Mitteschön für Bibliotheks-Neubau

Bürgerinitiative gegen Erhalt des DDR-Bibliotheksbaus am Kanal: Er störe den historischen Stadtgrundriss

Innenstadt - Es wird „einen Aufschrei“ geben, ist sich Barbara Kuster sicher. Die Bürgerinitiative Mitteschön, deren Sprecherin sie ist, will einer heiligen Kuh der Potsdamer Stadterneuerung zu Leibe rücken: Mitteschön schlägt einen Neubau der Stadt- und Landesbibliothek an einem anderen Standort vor. Gestern Abend stellte die Bürgerinitiative im Alten Rathaus eine Grafik der Straßenfront Am Kanal vor. Diese Visualisierung soll zeigen, dass der gegenwärtige Bibliotheksbau aus DDR-Zeit bei der Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss ein „Fremdkörper“ ist. „Wir bitten das zu überdenken“, so Barbara Kuster.

Ein brisantes Anliegen: Denn die Sanierung der Bibliothek Am Kanal ist seit Januar 2007 nicht einfach nur beschlossene Sache der Stadtverordneten. Vielmehr ist der Umbau am gegenwärtigen Standort Teil des Entgegenkommens der Stadt an die Linksfraktion, um diese von ihrem Nein zum Landtagsschloss abzubringen. In den begleitenden Festlegungen zum Bebauungsplan „Landtagsneubau“ kommt der Passus mit der Bibliothekssanierung noch vor dem, der einen Sanierungsplan für Schulen und Kitas über 55 Millionen Euro festlegt. Erst diese Begleitbeschlüsse konnten die Linken dazu bewegen, dem Landtagsneubau zur Mehrheit zu verhelfen.

Vor diesem Hintergrund erhielt Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg erst im jüngsten Hauptausschuss von Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) die Zusicherung: „Der Standort der Stadt- und Landesbibliothek steht nicht infrage.“ Auch CDU-Fraktionschef Michael Schröder erklärte gestern, er wolle „das Paket nicht mehr aufschnüren“ – es sei denn, es gebe einen Vorschlag, der bei deutlicher Kostenreduzierung den Zeitplan der Bibliotheksfertigstellung bis 2012 einhalte.

Schon im September 2009 erlitt der Versuch, einen Neubau am anderen Ort auf die Agenda zu heben, eine Abfuhr. Der Antrag von Martina Engel-Fürstberger (FDP) wurde gar nicht erst in den Bauausschuss verwiesen sondern sofort im Plenum abgeschmettert. Unverständlich, so die Stadtverordnete, schließlich habe sich mit der Knobelsdorff-Fassade für den Landtag und dem Leitbauten-Beschluss erst in den letzten eineinhalb Jahren herausgestellt, welche Richtung bei der neuen Mitte eingeschlagen wird. Zudem stiegen die Sanierungskosten für die Bibliothek auf 12,5 Millionen Euro. Der Bau werde „wahnsinnig teuer“, erhalte „eine Karstadt-Fassade“ und stehe am falschen Platz. Martina Engel-Fürstberger: „Da passt nichts.“ Zudem: Erst im November hatte die Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU) erklärt, wegen der Untervermietung der vierten Etage müssten Bücherbestände in ein „Außenmagazin“ ausgelagert werden.

Um den gordischen Knoten zu zerschlagen schlägt Engel-Fürstberger vor, eine neue Bibliothek am Platz des ehemaligen Palasthotels an der Langen Brücke zu bauen. Diese Fläche sei wegen der Nähe zur Tram-Linie schlecht vermarktbar – im Gegensatz zum Grundstück Am Kanal. Die Erlöse für den Flächenverkauf könnten dem Neubauprojekt zugute kommen. Der Kunsthistoriker und Mitteschön-Vertreter Hans-Joachim Kuke argumentiert, durch die Sanierung der Bibliothek bleibe von der DDR-Architektur ohnehin nichts übrig. Stattdessen plädiert er für eine Rekonstruktion des sogenannten Probenhauses, dessen Grundriss teils durch die Bibliothek überbaut ist. Mit dem Probenhaus habe der König „Architektur erprobt“; der Bau war Vorbild für den Mittelrisalit des Neuen Palais. Das Probenhaus ist laut Kuke eine Potsdamer Besonderheit und wichtiger Leitbau der Mitte.

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