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Dialog über Architektur: Reiner Becker (großes Bild rechts) stellte seinen Fassadenentwurf für die Bibliothek den Potsdamern vor.

© (2): Andreas Klaer/ Reiner Becker

Von Guido Berg: „Cinemaxx-Architektur in Stadtrandlage“

Um die Sanierung der Bibliothek wird in Potsdam heftigst gestritten – dabei ist die Entscheidung schon längst gefallen

Innenstadt - Schon im Kulturausschuss löste die Präsentation der neuen Fassade für die Stadt- und Landesbibliothek völlig unterschiedliche Reaktionen aus. Hier Begeisterung, etwa von Birgit Morgenroth (SPD), dort Ablehnung, ein Satz lautete: Der Architekt Reiner Becker „hat schon was rausgeholt aus dem was da ist“. Vorsichtig tastete sich Saskia Hüneke (Bündnisgrüne) vor: Das mit den Büchern sei ja schon oft gemacht worden, in den 1960er und 1970er Jahren. Sie denke da an das aufgeschlagene Buch in Leipzig, das City- Hochhaus. Richter sagte, in Paris gebe es auch ein Haus in Form eines aufgeschlagenen Buches. Es sei richtig, den Bürgern gleich zu zeigen, wie das Gebäude genutzt wird. Elisabeth Schöneich (Bündnisgrüne) verwies dagegen auf die moderne neue Cottbuser Bibliothek, „die nichts mit einem aufgeschlagenen Buch zu tun hat“. Bettina Klusemann (SPD) sagte dem Architekten: „Sie haben den Charakter der DDR-Architektur erhalten.“ Sie fühle sich an „Erichs Lampenladen“ erinnert, den ehemaligen Palast der Republik in Berlin und hätte sich die Architektur „schlichter und transparenter gewünscht“.

Die Bürgerinitiative Mitteschön erklärte gestern, Entwurf und Konzept für die Bibliothek wiesen Mängel auf. Es habe eine schlechte Vorbildwirkung auf künftige Investoren, wenn sich ausgerechnet die Stadt nicht an den historischen Stadtgrundriss hält. Dass über den Entwurf nicht mehr diskutiert werden könne, füge der Planungskultur und der Bürgerbeteiligung schweren Schaden zu, so Mitteschön in einer Erklärung. Zudem betont die Bürgerinitiative die hohen energetischen Kosten des Baus. Mitteschön wörtlich: „Lassen wir uns nicht durch die Drohung des Wegfalls der Fördermittel übereilt ein Gebäude errichten, das wirtschaftlich eine Bürde für uns Bürger sein wird.“

In der Veranstaltung „Potsdamer Mitte im Dialog“ am gestrigen Abend griff der Architekturprofessor Ludger Brands von der Potsdamer Fachhochschule die Bibliothekspläne scharf an: Die Ignoranz gegenüber dem Stadtgrundriss sei „relativ verantwortungslos“. Nicht die Straße müsse sich nach dem Haus richten sondern umgekehrt. Der Entwurf ziele „auf oberflächliche Effekte“. Brands: „Das ist Cinemaxx- Architektur in Stadtrandlage.“ Potsdam könne es sich nicht leisten, „unverträgliche Lösungen zuzulassen. Der Hochschullehrer fordert daher „ein Qualifizierungsverfahren zur Herstellung der Verträglichkeit“.

Der Architekturkritiker Falk Jäger verteidigte die Entwürfe: Es sei legitim, dass ein öffentliches Gebäude „aus der Phalanx hervortritt“. Die Wilhelmgalerie am Platz der Einheit brauche „ein kraftvolles Gegenüber, ein Gegengewicht“. Die Bibliothek sei an dem Standort im mentalen Stadtplan der Potsdamer verankert. Der Standort gehöre zur „Heimatbildung“, wer sich ein Buch ausleihen wolle gehe dahin „ohne viel nachzudenken“. Der Fassadenentwurf selber sei zwar „keine Arbeit von Daniel Liebeskind“, aber „abstrakt genug, um nicht banal zu wirken“.

Becker, Architekt des umstrittenen Entwurfs, rechtfertigte die städtebauliche Situation – sie selbst „eine glückliche Lösung“ nennend – mit den Ergebnissen des Masterplans von 2006. Dem widersprach der Potsdamer Architekt Christian Wendland: Der Erhalt der Bibliothek sei nicht Ergebnis des Workshops gewesen. Vielmehr sei es 2006 eine Vorgabe an die internationalen Experten gewesen, an der Bibliothek „nicht zu rütteln“.

Das Publikum war geteilter Meinung, es sei, wie ein „interessierter Laie“ sagte, eine „deutliche Lagerbildung“ zu erkennen. Ein Bürger sieht in der Bibliothek „den Leitbau der sozialistischen Moderne mit den Zweck, die historische Stadtlandschaft dauerhaft zu zerstören“. Dagegen meinte ein junger Mann, nicht die DDR, sondern „der Landstreicher aus Österreich“ sei an allem Schuld gewesen. Am Ende fragte jemand, was nütze den das Reden, „die Entscheidung ist längst gefallen“. Was Stadtvertreter bestätigten.

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