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Von Günter Schenke: Zehntausende bejubeln Billy Idol, Joe Cocker und Nena

Welt-Stars singen auf der Bühne, die Besucher sind begeistert. Weil es so schön war, bleibt eine Leinwand die Woche für Public Viewing stehen

Was für eine Party. Regelrecht Ausnahmezustand herrschte Samstag- und Sonntagabend in der Innenstadt. Zehntausende strömten zum 10. Stadtwerkefest in den Lustgarten: Zuerst zur Fußball-Party vor der Großbildwand, auf der der grandiose Sieg der Fußball-Nationalmannschaft gegen Argentinien zu sehen war, und zu den anschließenden Konzerten von Billy Idol und Joe Cocker – laut Veranstalter waren es allein am Samstag 60 000 Besucher. Im Laufe des Wochenendes mögen es knapp 100 000 gewesen sein. Und weil alles so gut lief, soll die große Videoleinwand für die letzten vier Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft stehen bleiben. Es gibt in dieser Woche, Deutschland spielt am Mittwochabend wieder, also ein großes Public Viewing im Potsdamer Lustgarten.

Zurück zum Wochenende. Wo gibt es das schon: Billy Idol im Vorprogramm von Joe Cocker – und das bei freiem Eintritt. „Tickets ab 58 Euro“ lauten die Angebote für andere Konzerte von Idol bei seiner derzeitigen Deutschland-Tournee. Fast schon vergessen geglaubt, jubelte eine unübersehbare Menschenmenge dem britischen Punk-Rocker und seiner Band zu. Ein Vordringen zur Bühne war schon eine halbe Stunde vor Beginn nicht mehr möglich. Drei große Bildwände übertrugen die Optik und an Kränen hängende Riesen-Lautsprecherboxen den Ton.

Billy Idol präsentierte sich stimmgewaltig, höchst musikalisch und dynamisch wie eh und je: von hart bis zart („Eyes without a face“). Nicht nur wegen der 35 Grad Celsius Lufttemperatur legte der blonde Star zeitweise sein Leibchen ab und zeigte seinen makellosen Oberkörper. Dazu sprang und turnte der immerhin 55-Jährige herum – keine Spur von den Folgen seines schweren Motorradunfalls von 1990, der ihm fast ein Bein gekostet hatte.

Tausende Fahrräder im Lustgarten und volle Hütte vor der Bühne, die in ihrem Aussehen an eine Niemeyer-Kuppel erinnerte, gab es auch am Sonntag. Beim Familienfest vergnügten sich die Kleinsten auf Hüpfeburgen, im Planschbecken und im Nintendo-Zelt und die Größeren bei Culcha Candela und später Nena. Stars wie Idol, Cocker, Montserrat Caballé, Justus Frantz und Nena kommen allerdings nicht aus Jux und Dallerei nach Potsdam, sondern auf „Honorarbasis“. Die Kosten dürften plus Equipment und Eigenleistung der Stadtwerke- Mitarbeiter in die Millionen Euro gehen. Die Stadtwerke sehen diese Aufwendungen als Teil ihres Engagements für die Stadt Potsdam. „Wir verstehen uns als kommunales Unternehmen beziehungsweise als Unternehmen in mehrheitlich kommunaler Hand als wesentlicher und integraler Bestandteil unserer Kommune Potsdam“, so Stadtwerke- Chef Peter Paffhausen auf einer Regionalkonferenz zum Energiemarkt Nordostdeutschlands.

Die Party-Besucher scheinen die Kosten des Veranstalters laut Stichprobenbefragungen herzlich wenig zu interessieren. Sie glauben darüber hinaus nicht, dass ohne das Stadtwerkefest die Strom-, Wasser- und Entsorgungskosten merklich sinken würden. „Wenn sie es sich nicht leisten könnten, würden sie es nicht machen“, äußert ein mit einer Deutschlandfahne umwickelter Fußballfan. Die nüchternen Zahlen: Der seit 2002 in dieser Form bestehende Konzern ist mit 1150 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber Potsdams und hat einen Jahresumsatz von knapp 200 Millionen Euro.

Im politischen Umfeld stehen die Stadtwerkefest-Kosten seit Jahren im kritischen Fokus. Die FDP lud gar zu einer „Stromwechselparty“ an der Hafenmole ein und verteilte Fragebögen, die am Image der Gesellschaft und seines Festes kratzen. Marcel Yon, liberaler Oberbürgermeisterkandidat für die Wahl am 19. September, steigt auf die Bühne und moniert: „Es ist völlig schleierhaft, was dieses Fest kostet.“ Im nicht öffentlichen Hauptausschuss habe es nur einen „rudimentären Überblick“ dazu gegeben. „Wir fordern, dass für die Verwendung der Einnahmen der Stadtwerke andere Prioritäten gesetzt werden“. Der Wahrheit halber sei erwähnt, dass die Forderungen Yons am brütend heißen Samstagmittag weitgehend ins Leere liefen, weil die Zahl der Zuhörer an einer Hand abzuzählen war. Yon, der im Vorfeld der liberalen „Stromwechselparty“ von der Geschäftsführung und vom Oberbürgermeister Kritik einstecken musste, erläuterte gegenüber den PNN, dass der Ausdruck „Stromwechselparty“ als bewusst gewählter Slogan einer politischen Veranstaltung zu verstehen sei. Die FDP wolle keineswegs explizit zum Wechsel des Stromanbieters auffordern. Allerdings hatte sie zwei Anbieter-Konkurrenten eingeladen. Mit diesen unterhalte er selbst oder die FDP keine Geschäftsbeziehungen, versicherte Yon auf Nachfrage.

Der Liberale fordert jedoch mehr Transparenz beim Offenlegen der Kosten. „Ich bin dagegen, politisch hinter verschlossenen Türen zu agieren, davon hatten wir bis 1989 genug.“ Seine Kritik beziehe sich auch auf die Geheimhaltung der Sponsoring-Aktivitäten der Stadtwerke sowie der „Lieferanten städtischer Beteiligungen“.

Günter Schenke

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