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Von Günter Schenke: Gedränge vor Villa Adlon

Tag des offenen Denkmals in Potsdam: Ernsthafte Kauf-Interessenten für Adlon-Anwesen

Großes Gedränge gab es beim gestrigen Tag des offenen Denkmals vor der Villa Adlon in Neu Fahrland. Etwa 150 Interessierte drängelten sich nach Öffnung durch die Pforte des Neo-Barockbaus Am Lehnitzsee 1. „Das Anwesen ist ja sonst abgeschottet, außerdem finden nur zwei Führungen statt“, erklärt eine Besucherin den ungewöhnlichen Andrang.

Susanne Mütter, Immobilienberaterin bei Engel & Völkers, musste jedoch schon viele Male Kauf-Interessenten durch den einstigen Wochenendsitz des berühmten Hoteliers führen. „Wir haben den Vermarktungsauftrag von der Familie Adlon, die es ja noch gibt, erhalten“, sagt sie. Und fügt hinzu: „Gegenwärtig haben wir zwei konkrete Interessenten.“ Näheres will sie nicht mitteilen, aber die Kaufwilligen wollten die Villa wohl als Wohnsitz einrichten. In der Vergangenheit habe es viele Nutzungsvorschläge wie die einer medizinischen Ausbildungsstätte oder eines Hotels gegeben. Letzteres sei schwierig, denn für ein rentables Hotel müssten mindestens hundert Betten vorhanden sein. 1,5 Millionen Euro betrage der Kaufpreis laut Angaben der Fischer Immobilien GmbH Potsdam, Lizenzpartner von Engel & Völkers.

Louis Adlon glaubte sich vor den Russen nach Kriegsende in seiner Neu Fahrländer Villa sicherer als in Berlin. Das war ein Trugschluss. Wie Mütter berichtet, holten ihn die Besatzer als vermeintlichen General ab und verschleppten ihn nach Spandau. Seine Frau Hedwig habe vergebens versucht, seine Spur zu finden. Nach dem Auszug der Russen wurde das Anwesen als psychiatrische Kinderklinik genutzt. Die Tochter der damaligen Chefärztin war gestern mit unter den Besuchern. „Wir zogen 1948 ein“, berichtet sie. Die Wohnbedingungen seien alles andere als komfortabel gewesen. In den sechziger Jahren wechselte die Nutzung und eine Schule der DDR-Zivilverteidigung zog ein. Nach der Wende nutzte die Verwaltungsakademie des Landes Brandenburg die Räumlichkeiten für Seminare. Bald erfolgte die Rückübertragung des 1994 unter Denkmalschutz gestellten Anwesens an die Familie Adlon. Die Besucher erlebten gestern ein relativ nüchternes Haus in herrlicher Lage mit riesigem Park bis zum Lehnitzsee, 5100 Quadratmeter Fläche. Auffällig sind die „expressionistischen“ Stuckdecken mit einstmals indirekter Beleuchtung. „Architekt Rottmayer, der das 1925 errichtete Gebäude entworfen hatte, war eigentlich Ingenieur, er gestaltet alles sehr modern“, sagt Mütter.

Nicht ganz so stark unter Besucheransturm stand die Villa Fischbach in der Puschkinallee 5, die sechs Stunden offen war. Die neuen Nutzer, ein Ärzteteam der Augenheilkunde, hatte den Denkmaltag sichtlich liebevoll vorbereitet: Prospekte zum Mitnehmen, Jazz-Trio „Capolinea“ aus Perugia auf der Terrasse und Speis und Trank von „Running Housewife“ aus der Gutenbergstraße. Als „schwierige Geburt“ bezeichnet die Susanne Heuermann von der ärztlichen Leitung den Ausbau des 1872/73 nach einem Entwurf von Reinhold Persius d.J. entstandenen Gebäudes. Ein Jahr habe es gedauert, bis sie bei allen Ämtern mit deren zum Teil widersprüchlichen Auflagen Übereinkunft erzielt habe. „Ein riesiger persönlicher Einsatz war hierfür notwendig“, erklärt die Ärztin, aber dieser Einsatz habe sich am Ende gelohnt. „Wir fühlen uns hier sehr wohl.“ Die spätklassizistische Villa war bis 1900 im Besitz der Nachfahren des Hofklempnermeisters Fischbach. Ab 1920 diente sie Wohnzwecken mit mehreren Einzelwohnungen. Ab 1979 nutzte das Haus ein Kindergarten, bevor die jetzigen Eigentümer es kauften.

Der diesjährige „Tag des offenen Denkmals“ fand in Potsdam wieder eine große Resonanz und löste, wie im Stadtbild zu sehen war, kleine Völkerwanderungen aus. Das Motto „Kultur in Bewegung – Reisen, Handel und Verkehr“ konnten die Veranstalter nur bei einem kleinen Teil der über dreißig Denkmäler berücksichtigen. Insgesamt dürften über 3000 Interessenten die Angebote zu Besichtigungen wahr genommen haben.

Günter Schenke

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