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Ein Kammerherr erzählt: Heiko Eikenroth als Jean-Baptiste de Boyer, Marquis d`Argens, Mitglied der Tafelrunde Friedrich des Großen.

© Sebastian Gabsch

Von Erhart Hohenstein: Marquis führt durch Sanssouci

Szenische Führungen mit dem Königsfreund d`Argens – einer schillernden Persönlichkeit

Mit „szenischen Führungen“ möchte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten neue Besucher anlocken. Fürst Pückler erfreute sich in der abgelaufenen Saison im Park Babelsberg größter Publikumsgunst, der Kammertürke Ali führt durchs Schloss Charlottenburg und der Schlossdrache Fauch schwebt den Kindern durchs Neue Palais voran. Nun meldet sich auch Jean-Baptiste de Boyer, Marquis d`Argens (1703-1771), zurück. Der Franzose, der 27 Jahre am Hofe Friedrichs des Großen verbrachte, wird die Besucher in Spezialführungen „Aus der Zeit gefallen - Ein Kammerherr Friedrichs II. erzählt“ durch das Schloss Sanssouci begleiten und dabei einen Schlenker auf die Weinbergterrassen anfügen.

Gestern stellte sich der Marquis, der als Mitglied der Tafelrunde Friedrichs des Großen auch auf dem berühmten Gemälde von Adolph Menzel verewigt ist, erstmals der Öffentlichkeit vor. Monatelang hat sich der Schlossführer Heiko Eikenroth intensiv auf die Rolle vorbereitet. Deshalb kann er fast wie das Original viel über Kunst und Kultur der friderizianischen Zeit und die Gepflogenheiten am preußischen Hof erzählen, Anekdoten eingeschlossen.

Dabei kann sich der Marquis auch selbst auf die Schippe nehmen. Im Alter wurde der Sohn einer angesehenen französischen Juristenfamilie, der 1741 nach Potsdam kam und wenig später zum Kammerherr des Königs aufstieg, zum Hypochonder und „eingebildeten Kranken“. Damit zog er sich den Spott Friedrichs zu. Als sich d`Argens vor dem Souper wieder einmal krank gemeldet hatte, suchte ihn der König mit seinen Kammerherren schwarz verkleidet auf und ließ ihm die letzte Ölung geben.

Der Schriftsteller, Journalist und Philosoph wurde durch seine feuilletonistisch geschriebenen Briefromane zu religiösen, literarischen und politischen Fragen europaweit bekannt. Als sein philosophisches Hauptwerk gilt „Die Philosophie der gesunden Vernunft“ (1737), die im 18. Jahrhundert 13 Auflagen erlebte. Der Franzose war eine vielseitige, schillernde Persönlichkeit. So stammt von ihm ein erotischer Roman, „Thèrése philosophe“.

Der Marquis erwarb sich als Vizedirektor der wiederbegründeten Berliner Akademie der Wissenschaften Verdienste um Preußen. D`Argens war ein unbedingter Verfechter der religiösen Toleranz, schrieb dazu eine Folge „Jüdische Briefe“ (Lettres juives) und engagierte sich für den Berliner Gelehrten Moses Mendelssohn. Während des Siebenjährigen Krieges stand er in ständigem Kontakt mit dem König und wurde dessen enger Vertrauter. Friedrich II. ließ ihm im Neuen Palais eine Wohnung einrichten, die zu DDR- Zeiten als Schlosscafé genutzt wurde. Außerdem übereignete er ihm ein Anwesen an der Potsdamer Havel, das später Marquisat genannt wurde. In dem an der Zeppelinstraße 167 gelegenen, nicht erhaltenen Gebäude wohnten zeitweilig auch Voltaire und Lessing. Im Jahr 1768 nahm d''Argens Abschied von Potsdam und verbrachte seine letzten Lebensjahre auf dem Schloss seiner Schwester bei Toulon.

Die nächste Führung mit dem Marquis am 6. Dezember ist ausverkauft. Das Besucherzentrum verweist Interessenten auf den 24. Januar 2009, 17 Uhr. Eine Anmeldung sei erforderlich. Für die Wartezeit werden die Teilnehmer mit einem Glas Glühwein entschädigt. Für das neue Jahr sind weitere Termine in Planung.

Schloss Sanssouci, Führung „Aus der Zeit gefallen – ein Kammerherr Friedrichs II. erzählt“, 15 Euro, ermäßigt 12 Euro, Anmeldung unter Tel. (0331) 96 94 202

Erhart Hohenstein

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