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Schätze aus dem 19. Jahrhundert: Ursula und Wolfgang Weber gaben Schloss-Fliesen in die Obhut der Schlösserstiftung.

© A. Klaer

Von Erhart Hohenstein: Aus Schlosstrümmern geborgen

Ursula und Wolfgang Weber übergaben wertvolle Bodenfliesen an die Schlösserstiftung

Jahrzehntelang stand der Terrassentisch des Kleingärtners Paul Otto am Pfingstberg auf historischem Untergrund. Die schwarz-weiß gewürfelten Bodenfliesen stammten von dem weltberühmten Unternehmen Villeroy und Boch und wurden für das Potsdamer Stadtschloss verwendet. Gestern wurden sie von Tochter Ursula und Schwiegersohn Wolfgang Weber an Saskia Hüneke übergeben, die zuständige Kustodin der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Die freute sich über diese Geste ganz ungemein. „Erstaunlich, wie tief alte Potsdamer in der Geschichte ihre Stadt verwurzelt sind“, erklärte sie und überreichte den Webers ein Dankschreiben der Stiftung.

Wie aber sind die zu den Fliesen gekommen? Als die Umfassungsmauern des Stadtschlosses, dessen Wiederherstellung durchaus möglich gewesen wäre, ab Januar 1960 auf Geheiß der SED-Führung niedergelegt und gesprengt wurden, türmten sich auf dem Gelände die Schuttberge. Ehe sie abgefahren wurden, suchten Hunderte Potsdamer in den Trümmern nach etwas Brauchbarem. Auf diese Weise kam auch Paul Otto zu den 60 Mosaikplatten unterschiedlichen Musters. Dass es sich dabei um wertvolle Stücke handelte, wusste er nicht, ebenso wenig Tochter und Schwiegersohn. Als der Vater seinen Kleingarten aus Altersgründen abgeben musste, nahmen Webers die Fliesen dennoch mit in ihr Häuschen nach Michendorf. In Kisten aufbewahrt, erwachten die Mosaikplatten zu neuem Leben, als um die Jahrtausendwende die Wiederaufbaupläne für das Potsdamer Stadtschloss Gestalt annahmen. Wolfgang Weber entfernte von der Rückseite einer Fliese den Mörtel und legte in stundenlanger Feinarbeit eine Inschrift frei: „Villeroy und Boch“. Dieser 1748 von François Boch in Lothringen begründete Keramikhersteller besteht als in 125 Ländern vertretenes Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 800 Millionen Euro noch heute.

Weber wandte sich wegen der Fliesen an das Unternehmensarchiv in Mettlach. Dort fand man heraus, dass die Stücke als schwarz-weiße „Mosaikplatten, Muster Nr. 332 - Fondsmuster, Imitation Römisch Mosaiken“ im Katalog von 1877 angeboten wurden. Blieb die Frage, wie und wo sie im Potsdamer Stadtschloss verwendet wurden. Weber ging zunächst von der Annahme aus, dass sie im Umfeld des Schlosses als Pflaster dienten. Dafür hätte gesprochen, dass die Fliesen nach Herstellung der Mosaike unter hohem Druck zusammengepresst und erst dann gebrannt wurden. Auf den so hergestellten Platten blieb das Mosaik auch dann sichtbar, wenn Hunderttausende Füße die Oberfläche abgerieben hatten. Kunsthistoriker der Stiftung konnten die Fliesen dann aber dem Treppenhaus des westlichen Seitenflügels zuordnen, wo sie auf dem Fußboden des Erdgeschosses verlegt worden waren, offensichtlich eine Erneuerung in den 1880er Jahren.

Ursula und Wolfgang Weber hatten einige der Fliesen als Leihgeber der 2001 im Alten Rathaus gezeigten Ausstellung „Minervas Mythos - Fragmente und Dokumente des Potsdamer Stadtschlosses“ zur Verfügung gestellt. Nun sind die beiden studierten Fernmeldeingenieure Mitte 70 und möchten mit der Übergabe an die Stiftung den Erhalt der Mosaikplatten sichern. Ob sie beim Bau des Landtagsschlosses wiederverwendet werden, darüber wird die aktuelle Bauplanung entscheiden.

Erhart Hohenstein

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