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Das Kirchenschiff einmal anders interpretiert. Eine Licht-Bild-Ton-Illustration sollte bei der Nacht der offenen Kirchen den Besuchern die Kirche St. Nikolai näher bringen.

© A. Klaer

Von Astrid Priebs-Tröger: Wiederkommen erwünscht

Die Nacht der offenen Kirchen zwischen Potsdam und Werder per Schiff

Zu Lande, zu Wasser und in der Luft konnte man bei der am Samstag stattfindenden 5. Nacht der offenen Kirchen die insgesamt elf teilnehmenden Gotteshäuser zwischen Potsdam und Werder erreichen. Was lag näher, zumal das diesjährige Motto „Zwischen Himmel und Havel“ lautete, ein Schiff zu besteigen, das einen über den Schwielowsee zu drei ganz unterschiedlichen Kirchen brachte. Während die MS Paretz in der Abendsonne am Potsdamer Hafen mit mehr als einhundert Menschen an Bord ablegte, begann in der noch lange sichtbaren Nikolaikirche eine fünf Stunden gezeigte Licht-Bild-Ton-Installation, die den Besuchern durch Bilder, Musik und Stille das Gotteshaus mit allen Sinnen nahe bringen sollte.

An Bord des Schiffes gab es zuerst einen Sanddorn-Willkommenstrunk. Die Sonnenhungrigen hatten auf dem Oberdeck Platz genommen und die Kulturinteressierten der überwiegend reiferen Besucher saßen dicht an dicht im mittleren Schiffsteil. Als kulturgeschichtlich versierter Reisebegleiter stimmte Klaus Büstrin dort auf das Kommende ein. Mit Texten von Theodor Fontane, die seinen Zuhörern die Örtlichkeiten und ihre Bewohner rund um die größte Havelbucht, den Schwielow, zumeist vergnüglich nahe brachten. Denn ganz gleich, ob es sich um versunkene Schiffe, das beste Bier und ebensolche Betten oder das „Chicago des Schwielowsees“ handelte, Büstrin wusste die liebe- und humorvollen Schilderungen Fontanes an den Mann zu bringen.

Und dass, obwohl er es, genauso wie die Musiker Brigitte Breitkreutz (Gitarre) und Hannes Immelmann (Flöte) mit einem zwar unsichtbaren, aber dafür nicht zu überhörendem „Gegner“ zu tun hatte: Der Schiffsmotor war als mächtiges viertes Instrument mit im Bunde. Und so hoffte man, wenigstens in einem der anzusteuernden Gotteshäuser Ruhe und Besinnung zu finden. Fast wie eine Prozession mutete der lange Zug der Besucher an, der sich nach einer halben Stunde Schiffsfahrt in Richtung Caputher Dorfkirche in Bewegung setzte. Doch anstelle mit Heiligenbildern und -gegenständen waren sie mit Regenschirmen und Windjacken ausgerüstet. Freundlich wurden sie unter dem mit fast 700 Sternen bemalten Deckenhimmel der eleganten Stüler-Kirche von Hans-Georg Baske empfangen. Der jugendlich wirkende Gemeindepädagoge breitete im Schnelldurchgang nicht nur die Historie des Hauses sondern auch das überaus lebendige Leben seiner heute 900 Mitglieder starken Gemeinde aus. Das vor kurzem fertiggestellte neue Gemeindehaus begeisterte die Besucher dabei genauso wie der warme Klang des Orgelspiels des begabten jungen Organisten Johannes Sandner.

Auf bleiernem Wasser und unter stürmischem Wind ging es weiter in Richtung des einsamsten Dorfes an Fontanes Weg. Ferch lockte mit seiner Fischerkirche. Die im Dreißigjährigen Krieg im Fachwerkstil erbaute Kirche war gegen 20 Uhr mit etwa 180 Besuchern bis unter das niedrige Dach gefüllt, denn Bus- und Schiffstouristen waren nahezu gleichzeitig eingetroffen. Doch selbst da hatte die Galionsfigur das Gotteshauses, ein riesiger Taufengel mit strengem Gesicht, noch genug Platz zum Fliegen. Wie sehr Leben und Vergänglichkeit zusammenhängen, wurde einem an den altertümlich beschrifteten Totenbrettern und -kronen und nicht zuletzt an einem gezeigten, von Holzwürmern fast gänzlich zerfressenen Balkenstück bewusst. Wäre mehr Zeit zum Verweilen gewesen, hätte die naiv bemalte und im sogenannten Bauernbarock ausgestattete Kirche, nicht nur mit ihrem Wolkenhimmel am Tonnengewölbe zum Träumen und Phantasieren eingeladen.

Durch die Dunkelheit, die eindrucksvoll vom Vollmond beschienen wurde, ging es nach Werder, das schon von Weitem mit seiner illuminierten Heilig- Geist-Kirche grüßte. Saxophonmusik und Havelbilder-Projektionen empfingen hier die späten Gäste und Pfarrer Immo Riebicke machte selbst nur wenige Worte. Stattdessen ließ er die Besucher das Gemälde „Christus als Apotheker“ und die Ausstellung „Mutter Theresa und die Armut des Westens“ entdecken. Einige schienen dermaßen versunken, sodass sie die Abfahrt des Schiffes verpassten. Nachdem auch sie noch an Bord geholt wurden, ging es auf direktem Weg zurück nach Potsdam. Übervoll mit musikalischen, literarischen und architektonischen Eindrücken versammelten sich nicht wenige „Seefahrer“ um 23 Uhr gemeinsam mit Gläubigen aller Generationen vor der Nikolaikirche. Direkt unterm Sternenzelt sangen und beteten dort 200 Menschen gemeinsam mit Pfarrer Markus Schütte und Jugendlichen der Potsdamer Friedensgemeinde. Und während die abendlichen Kirchenexpeditionen vor allem Berührungsängste abbauen sollten, wurde jetzt ein stimmungsvoller Gottesdienst gefeiert.

Astrid Priebs-Tröger

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