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Von Astrid Priebs-Tröger: Scheitern ist erlaubt

Kunstausstellung der Freien Schule am Zernsee im Landesjugendring

Achim Dewéth strahlt, wenn er durch „seine“ Ausstellung führt. Und es macht Spaß, ihm dabei zuzuhören, wie er über den Kunstunterricht an der Freien Schule am Zernsee redet. Beinahe paradiesische Zustände herrschen dort, seit der Verein orphée werk kunst atelier e.V. vor zwei Jahren Atelierräume für Malen, Zeichnen, Drucken, Weben und Filzen, Theaterspiel und Keramik einrichtete. Dewéth, der als freier Künstler arbeitet, ist davon überzeugt, dass in jede Schule Künstler gehören.

Nicht nur, um den Schülern Kunstgeschichte, verschiedene Techniken und Sehweisen nahe zu bringen, sondern, um die Schulsituation ins Leben zu lockern. So arbeitet er selbst mit 7- bis 12-Klässlern im schuleigenen Atelier. Nicht, indem er sich dahinter stellt und „Ratschläge“ erteilt, sondern als „Gleicher unter Gleichen“. Und wenn Schüler sehen, dass „ich davon etwas verstehe“, entwickeln sie Vertrauen, öffnen sich und können ohne Wertung und Zensuren ihren eigenen Weg gehen. Dem 62-jährigen Pädagogen ist es wichtig herauszufinden, was dabei in jedem Einzelnen zum Ausdruck kommen will.

Die zwei dutzend Exponate, die jetzt in den Räumen des Landesjugendringes gezeigt werden, sprechen da eine deutliche Sprache. Natürlich geht es auch hier erst einmal um Vermittlung von künstlerischen Techniken. Doch wenn man die Porträtzeichnungen, Holzschnitte, Farbkompositionen und Textildrucke sieht, fallen einem schnell die Besonderheiten ins Auge. Die Pharao-Zeichnung eines Neuntklässlers hat sich durchaus an das vorgegebene Grundmotiv gehalten, aber dann kraftvoll eine eigene Sprache entwickelt. Der Falke im Nacken des Herrschers ist da nur das augenscheinlichste Detail.

Schräg gegenüber hängt eine Porträtzeichnung eines Jungen mit asymmetrischer Ponyfrisur. Und der Betrachter ist überrascht, wie mit wenigen expressiven Strichen die innere Befindlichkeit – zwischen Trotz und Verletzlichkeit, Sensibilität und Aggressivität – auf das Papier gebannt wurde. Die Tiefe der Empfindungen und die handwerkliche Güte überzeugen auch in anderen Arbeiten, wie in den farblich expressiven Jahreszeitstudien oder den gekonnten Textildrucken auf Papier, die die Vorarbeit für dann auch wirklich zu realisierende Stoffmuster darstellen. Denn Ganzheitlichkeit ist nicht nur im Atelier Programm. Die Theateraufführungen der Freien Schule, an der zahlreiche Schüler in ebenso vielen Gewerken beteiligt sind, sprechen für sich.

Gerade Jugendliche mit „schwierigen“ Schulkarrieren sprechen gut auf künstlerisches Gestalten und praxisbezogenes Lernen an. Achim Dewéth hat mit ihnen nicht nur exquisite Holzschnitte gefertigt, sondern sie waren auch an der farblichen Ausgestaltung des Theatersaals beteiligt. Dass es dabei nicht um einfaches Anstreichen ging, wird einem schnell klar, wenn er erzählt, wie sie über verschiedene Arbeitsstufen zu eigenen ästhetischen Urteilen gelangen und selbstständig Entscheidungen treffen. Dass „Scheitern“ dabei erlaubt ist, versteht sich beinahe von selbst, denn wie so oft im Leben, entstehen dann die besten Sachen, wenn man Umwege gegangen ist oder Fehler gemacht hat.

Die Ausstellung ist bis Ende Dezember in den Räumen des Landesjugendringes, in der Breiten Straße 7a, Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr geöffnet.

Astrid Priebs-Tröger

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