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Von Astrid Priebs-Tröger: Für eine heile Familie

In der Arche wurde sehr emotional über Kinderkrippenerziehung diskutiert

Erst sah es gar nicht so aus, als würden sich besonders viele Menschen für das Thema interessieren, das am Dienstagabend in der Potsdamer Arche, der Bildungsinitiative in der katholischen St. Peter und Paul Gemeinde, besprochen wurde. Doch kurz nach Beginn der Filmvorführung von „Kinder ohne Liebe“ füllte sich der Veranstaltungssaal am Bassinplatz zusehends. „Kinder ohne Liebe“ wurde 1963 von Kurt Goldberger in der CSSR gedreht und ist jetzt in einer bearbeiteten Kurzform von 22 Minuten (ursprünglich 90) erstmals auf DVD erhältlich. Der Regisseur Fritz Poppenberg, der diesen Film wiederentdeckt hat und vertreibt, stellte in seinen einführenden Worten die spannende Entstehungsgeschichte vor und moderierte die sich anschließende Diskussion.

Bei der gleich zu Anfang die Emotionen hoch schlugen. Mehrere Mütter im Publikum bestätigten aus eigener Erfahrung die Schädlichkeit von Kinderkrippenerziehung und berichteten, wie sie zu DDR-Zeiten darum kämpfen mussten, wenigstens verkürzt arbeiten zu können, um ihre Kleinkinder nicht länger als sechs Stunden der effizienten Kollektiverziehung aussetzen zu müssen. Dafür plädierte auch der engagierte 45-jährige Film, der in „eindrucksvollen“ schwarz- weiß Bildern die Welt der frühen sozialistischen Kleinkindheime und die der heilen Familie gegenüberstellt. Was im Wortsinn und in der Kürze der jetzt vorliegenden – bis in die 80er Jahre zu Lehrzwecken gezeigten – westdeutschen Fassung schon eine gehörige schwarz- weiß-Malerei ergibt. Auf der einen Seite in uniformen Gitterbetten liegende meistens brüllende Kleinkinder, auf der anderen zufrieden spielende, wohlbehütete kleine Persönlichkeiten.

Da taten dann die wenigen Bilder von den sich gegenseitig fütternden Krippenkindern richtig gut. Der Film zeigt zwar an vielen Punkten eindringlich die unbestreitbaren Nachteile von Krippenerziehung, hat aber doch schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel. In der Arche löste er eine, ziemlich schnell aus dem Ruder laufende Diskussion über heutige öffentliche Erziehung und die zunehmende gefühlte staatliche Einmischung in einen eigentlich autonom familiären Bereich aus. So sahen es jedenfalls viele der anwesenden Zuschauer und es wirkte zudem einigermaßen befremdlich, dass hier Männer Frauen - immer noch oder schon wieder? - vorwarfen, sie seien egoistisch und lebten nur ihrer Selbstverwirklichung, wenn sie ihre Kinder in Krippen geben.

Das alles ohne Widerspruch der zahlreichen anwesenden Frauen. Diese beklagten eher ihr schlechtes Gewissen oder meinten, es sei durchaus hinnehmenswert, wegen der Kinder die eigene berufliche Entwicklung hinten an zu stellen und sich nach langen Erziehungszeiten etwa in die Freiberuflichkeit zu begeben. Eine andere, völlig absurde Behauptung – die Autorin erkundigte sich bei der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt – war die Aussage eines Zuschauers, arbeitslose Frauen dürften ihre Kinder nicht zu Hause behalten und müssten sie zwangsweise in Kitas abgeben.

Alles in allem zeigte die Diskussion, dass das Thema sehr brisant ist und sich viele Menschen zu Recht Gedanken darüber machen, auf welche Art und Weise der Einzelne und die Gesellschaft dazu beitragen können und müssen, damit allen unseren Kindern die bestmögliche Erziehung und Ausbildung zuteil wird. Vorschläge, wie angemessenes Erziehungsgeld für betreuende Eltern und die Verkleinerung des Betreuungsschlüssels in Krippen auf zwei Kinder zielten dabei eher, als die Rückbesinnung auf die heil(ig)e Familie, in eine heutzutage gangbare Richtung.

Astrid Priebs-Tröger

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