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Matthes Trettin, Hannes Trettin und Toni Gurski (v.l.) aus Rügen tüfteln in Babelsberg an ihrer App. Durch das Media Tech Hub bekommen sie unter anderem ein Mentoringprogramm und günstige Büroräume.

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Vom MediaTech Hub gefördert: Fashion-App "Snazz" will Mode nachhaltiger machen

Im MediaTech Hub in Potsdam arbeitet das Team von „Snazz“ daran, Mode nachhaltiger zu machen und Überproduktion zu verhindern.

Hannes Trettin wischt nach links. Ein junger Mann im Anzug erscheint, den man entweder mit einer kleinen Flamme oder einer Schneeflocke bewerten kann. Darunter stehen persönliche Fragen, Hashtags und Kommentare: „Sieht gut aus!“ „Snazz“ aber ist kein Dating-Portal und Trettin sucht keinen neuen Partner: Er sucht nach einer guten Jacke für den Sommer. Verschiedene Modelle hat er online gestellt und lässt sie von anderen bewerten.

„Man kann mit dem eigenen Outfit etwas Gutes tun", meint der 29-Jährige aus Mecklenburg-Vorpommern. Gemeinsam mit dem befreundeten Programmierer Toni Gurski und seinem Bruder Matthes Trettin, einem Fotografen, hat er im Juni das soziale Netzwerk „Snazz“ gegründet, das aktuell im Potsdamer MediaTech Hub gefördert wird. „Snazz“ gibt Nutzern die Möglichkeit, den eigenen Kleidungsstil von anderen überprüfen zu lassen. Außerdem sollen Unternehmen mit den Daten aus ihrem digitalen Kleiderschrank besser einschätzen können, welche Kollektionen gerade angesagt sind und somit auch gekauft werden würden.

Mode-Beratung via App.
Mode-Beratung via App.

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Damit wollen die Gründer nach eigenen Worten Überproduktion verhindern. „Unternehmen kaufen Rohstoffe in Massen und produzieren deshalb mehr Kleidung, als eigentlich verkauft werden kann“, sagt Trettin. Seit einer Asienreise interessiert sich der Wirtschaftsingenieur für die Produktionsketten der Modeindustrie. 2018 stieß er auf die Nachricht, dass die Luxusmarke Burberry nicht verkaufte Kollektionen im Wert von 28 Millionen Pfund verbrennt, um sie nicht an ärmere Länder geben zu müssen. „Die höchste Perversionsstufe überhaupt“ nennt er das. Weltweit werde jährlich produzierte Kleidung im Wert von 35 Milliarden Euro vernichtet, rund ein Drittel der weltweit hergestellten Mode.Hannes Trettin will daran etwas ändern.

Seine Partnerin und Freunde würden ihn oft nach seiner Meinung zu bestimmten Kleidungsstücken fragen, so Trettin. Daraus entstand gemeinsam mit Toni Gurski vor rund zwei Jahren die Idee, die Modeindustrie mit einem sozialen Netzwerk nachhaltiger zu machen. „Wir geben den Leuten eine Rückmeldung. Wie gut ist mein Outfit? Was trägt man in meiner Umgebung?“, so Trettin.

Unter jedem Foto stehen nicht nur die Bewertungen der Nutzer, sondern auch solche zu Umweltfreundlichkeit und Arbeitsbedingungen in der Herstellung. Bisher gebe es auf „Snazz“ nur grüne Mode. Wer mit einem Beitrag jemand anderen dazu bringt, ein solches Kleidungsstück zu kaufen, bekommt daran einen Anteil. Später soll es darum gehen, anhand der Nutzerdaten Trends absehen zu können: Was trägt man im nächsten Frühjahr in Berlin? Die Analysen der befreundeten Datenexpertin Min Ye wollen die Gründer an Unternehmen verkaufen – dann auch an solche wie H&M und Primark.

„Wenn ich etwas nicht kaufen würde, müssen die Modeunternehmen es auch nicht produzieren“, ist Trettin sicher. Bekommen auf „Snazz“ schwarze T-Shirts mit V-Ausschnitt nur negative Bewertungen, könne H&M eben nur fünf statt zehn solcher T-Shirts herstellen. Das hieße auch: weniger Baumwolle, Wasser, Stromverbrauch, chemisches Färben und Transport auf Containerschiffen. An den Einsparungen wollen die Gründer beteiligt werden. Der sogenannte Forecast soll ab etwa 2021 beginnen, wenn die App bereits genügend Nutzer hat und somit repräsentative Daten liefern kann.

Ein langer Weg ist es noch bis dahin. Investoren seien nicht unbedingt scharf auf grüne Unternehmen, so Trettin und Gurski. Ihre App ist in der Testphase. Umso mehr freuen sie sich über die Förderung im MediaTech Hub, eine Kooperation zwischen der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, dem Hasso-Plattner-Institut (HPI), der Universität Potsdam und Axel Springer Porsche (APX). Sie bekommen eine umfangreiche Förderung mit Netzwerktreffen, Mentoringprogramm und günstigen Büroräumen in Babelsberg.

Wichtig seien ihnen dabei besonders die Unternehmenskontakte, so Trettin. Mit den Potsdamer Business Angels könne er mehr über die Region erfahren, bei den „Leaders for Climate“-Treffen durfte er schon die Gründer der nachhaltigen Suchmaschine „Ecosia“ und des Busunternehmens Flixbus kennenlernen. Auch eine Kooperation mit den Universitäten streben die Gründer, die von der Insel Rügen nach Berlin-Brandenburg gekommen sind, an. So könne die Filmuni bei Werbevideos helfen, im HPI bekomme man eine Rückmeldung aus der Studentenschaft.

Bei der monatlichen Präsentation vor einem Potsdamer Publikum gab es auch Kritik. Daraus wollen die Gründer lernen. „Wir könnten uns besser präsentieren.“ Bis Ende des Jahres soll die App auf den Markt kommen. Bisher können sie ihren Freunden damit nur sagen, was man etwa tragen muss, um in den Berliner Club Berghain zu kommen. Irgendwann soll sie auch dazu dienen, Verschwendung in der Mode einfach „wegzuwischen“.

Sophie Laass

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