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Das Volksfest lockt mit vielen Attraktionen.

© Andreas Klaer

Volksfest im Potsdamer Lustgarten: Verrückt nach heißen Mutzen

Die Besucher des Rummels sind begeistert. Auch die Schausteller zeigen sich zufrieden. Manche warten aber immer noch auf die Überbrückungsgelder. 

Von Carsten Holm

Potsdam - Es riecht nach gebrannten Mandeln und Bratwurst vom Grill, Jugendliche kreischen, wenn sie sich im King Kong Tower am Haupteingang des 24. Potsdamer Frühlingsfestes in die Höhe schießen lassen. Aus den Lautsprechern dröhnen Rocco Granatas „Marina“, „Follow me“ von Amanda Lear und all die anderen Gassenhauer der Rummelmusik. 

Trotz gelegentlicher Schauer und Temperaturen um neun Grad hat sich am Samstag unter den vielen hundert Besuchern im Lustgarten eine fröhliche Stimmung ausgebreitet. Es ist, trotz noch immer hoher Inzidenzwerte, beinahe wie früher – wie vor Corona. „Wir haben uns alle so sehr darauf gefreut, einen Rummel ohne Käfig zu erleben, und viele Besucher sagen uns das auch“, erzählt Carlo Lehrmann. Er ist Juniorchef des Imbisszelts „Hans im Glück“. Was er meint: Der erste Rummel nach langer Zeit ohne Maskenpflicht

Carlo Lehrmann.
Carlo Lehrmann.

© Andreas Klaer

Schausteller warten immer noch auf Überbrückungsgelder

Die Freude über den Neuanfang der Volksfeste in diesem Frühjahr teilen die Schausteller mit ihren Besuchern. Trotz staatlicher Überbrückungshilfen gehören etliche von ihnen zu den Verlierern der Pandemie. Der Stahnsdorfer Christoph Meyer, 2. Vorsitzender des Schaustellerverbandes „Sanssouci“, ist voller Unverständnis darüber, „dass viele von uns mehr als vier Monate nach der Schließung der Weihnachtsmärkte Ende November die Überbrückungsgelder noch immer nicht auf dem Konto haben.“ 

Umso mehr freuen sich die Budenbesitzer darüber, dass es jetzt vorangeht, denn die Potsdamer haben in der ersten Woche des bis zum 24. April dauernden Festes ordentlich Geld bei ihnen gelassen. „Wenn wir am Tag 400 Würste verkaufen, ob Krakauer XXL oder Currywurst, sind wir zufrieden, wenn nur 200 bestellt werden, nicht“, sagt „Hans-im Glück“-Mann Lehrmann. Und er verrät, dass er in Potsdam bisher zufrieden ist. 

An ihrem Stand der „Ballonhelden“ muss Verkäuferin Carmen am Samstag 30 Ballons verkaufen, um beruhigt nach Hause zu fahren – ein paar fehlen noch. Am beliebtesten sind bei ihr die Polizeihunde aus der TV-Serie „Paw Patrol“, einer kostet zehn Euro. 

Auch Karina Sperlich, Verkäuferin im „Schlaraffenland“, einem Stand mit den üblichen Rummel-Süßigkeiten, klagt nicht. Dass sie mit ihrer Kollegin bis zum späten Samstagnachmittag erst eines der großen, immerhin 35 Euro teuren Lebkuchenherzen mit der Aufschrift „Ich liebe dich“ verkauft hat, ist zu verkraften. Ihr Kerngeschäft macht sie ohnehin mit gebrannten Mandeln und Schokofrüchten. 

Natürlich gibt es auch Lebkuchenherzen zu kaufen.
Natürlich gibt es auch Lebkuchenherzen zu kaufen.

© Andreas Klaer

Die erste Fahrt mit der Geisterbahn 

Das Schönste auf dem Rummel sind wohl die staunenden Kinderaugen. Der sechs Jahre alte Potsdamer Linus steigt strahlend aus der Geisterbahn, es war seine erste Fahrt in die gruselige Welt. Er glaube „natürlich nicht an Geister“, sagt er mit einem wissenden Lächeln. Aber irgendwo in den dunklen Tunneln habe jemand an seinen Ohren und auch an denen seines neben ihm sitzenden Vaters gezupft. Er ist sich sicher: „Das war kein Geist, das war ein Mensch“.

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Viel Spaß hat auch die siebenköpfige Potsdamer Familie Schulze auf der Kirmes. „Wir haben uns alle so sehr darauf gefreut“, sagt Familienvater Dominik Schulze. Billig war der Ausflug mit der 12-jährigen Amelie, der zehn Jahre alten Novalie, den fast zweijährigen Zwillingen Alea-Sophie und Flora sowie dem knapp vier Monate alten Julian nicht. „Die Kinder wollen natürlich fahren, und alle sind ganz verrückt nach heißen Mutzen“, sagte Schulze: „Der Rummel kostet uns gut 100 Euro, aber dafür erleben wir viel.“ 

Familie Schulze hatte viel Spaß.
Familie Schulze hatte viel Spaß.

© Andreas Klaer

Wirtschaftsministerium verteidigt sich

Das gute Geschäft der ersten Rummelwoche spült Geld in die klammen Kassen der Schausteller und Ärger aus dem vergangenen November weg, als der Weihnachtsmarkt wegen Corona nach zwei Tagen auf Landesanordnung wieder schließen musste. Schnelle Hilfen habe die Politik versprochen, sagt Schausteller-Sprecher Meyer, „aber davon kann man wirklich nicht reden“. 

Das Wirtschaftsministerium hält dagegen: Im Fall der sogenannten Überbrückungshilfe IV lägen landesweit 515 Anträge mit einem Fördervolumen von 20 Millionen Euro vor, die 383 berechtigten Antragsteller hätten „sofort bei Antragstellung einen Abschlag“ über insgesamt 5,4 Millionen Euro erhalten. 200 Anträge mit einem Volumen von sieben Millionen Euro seien bereits endgültig bewilligt. Von der Absage der Weihnachtsmärkte seien 43 Unternehmen betroffen gewesen, darunter fünf aus Potsdam und sechs aus Potsdam-Mittelmark. 

„Sanssouci“-Sprecher Meyer stört sich daran, dass Schaustellern in Brandenburg anders als ihren Kollegen in Bayern nur Zuschüsse zu Fixkosten gewährt werde, aber kein Unternehmerlohn. Immerhin, sagt Meyer, habe die Zahlung des Kurzarbeitergelds für Mitarbeiter, die von einem Tag zum andern ihren Job verloren, „gut geklappt“.

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