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Der leuchtend-bunte Eisvogel frisst kleine Fische.

© picture alliance / dpa

Vogelexperte über Frühlingsgefühle: „Es gibt höchstens mal eine kleine Ruppigkeit“

Der Potsdamer Vogelexperte Manfred Pohl über tierische Frühlingsgefühle. Und er verrrät, wo man im Stadtgebiet sogar den Eisvogel beobachten kann.

Herr Pohl, in der morgendlichen Dämmerung zwitschern und singen schon die Vögel. Gestern Mittag sang sogar eine Amsel. Sind die schon in Frühlingsstimmung?
 

Ja, man kann zur Zeit Rotkehlchen und auch mal eine Amsel hören, Gartenbaumläufer und Zaunkönig. Das sind Überwinterer und die kriegen schon ein bisschen Frühlingsgefühle bei den milden Temperaturen.

Könnten sie schon anfangen zu brüten?

Nein, die wollen nur zeigen, wer der Herr im Ring ist. Die Männchen – es singen ja nur die Männchen – markieren schon mal ihr Revier: Hier will ich mich einrichten, du kannst 20 oder 25 Meter weiter gehen. Es gibt unter den Männchen auch Revierkämpfe, bei Störchen beispielsweise ist das ausgeprägt. Singvögel singen um ihr Revier und es gibt höchstens mal eine kleine Ruppigkeit.

Ein Rotkehlchen.
Ein Rotkehlchen.

© Andreas Klaer

Wie sieht das aus?

Na, so ein kleines Hickhack im Gebüsch.

Müssen wir uns Sorgen machen, dass die jetzt schon so zu Gange sind? Es ist schließlich mitten im Winter.

Nein. Die spüren mit ihrem inneren Thermometer, dass es noch nicht Zeit zum Brüten ist. Wenn es kälter wird und das natürliche Futter immer knapper, dann machen sich auch die bisher unentschlossenen Zugvögel, die noch hier sind, auf den Weg. Die letzten fliegen erst weg, wenn Schnee kommt.

Wo kann man in Potsdam Wintervögel beobachten? Jetzt da die Bäume wenig oder kein Laub tragen, geht das doch besonders gut.

Das geht zum Bespiel in allen Parks, Babelsberg, Neuer Garten, Sanssouci. Und entlang der Nuthe. Da sieht man sogar den Eisvogel. Ich war mit anderen Ornithologen vor wenigen Tagen in der Region Nuthe-Nieplitz. Dort haben wir noch mehrere Wasservogelarten, Haubentaucher und Löffelenten, gesehen, sogar noch Kraniche auf dem Acker. Das wäre das in den kalten Wintern 2009/10 und 2010/11 unvorstellbar gewesen. Damals war es dann auch in den Gärten ganz still. Wenn es kalt ist, sitzen die Vögel in ihrer kleinen Lebensgemeinschaft irgendwo zusammen. Tagsüber halten sie sich aber auch an den Futterhäusern auf, am besten in der Gruppe, die ihnen Schutz gibt, falls mal der Sperber kommt und einen von ihnen holen will.

Eine Amsel
Eine Amsel

© picture alliance/dpa

Und wo sind die Vögel nachts?

Bei sogenanntem offenem Wetter, wie wir es jetzt haben, nicht zu kalt und kein Schnee, können sie sich überall gut verstecken. Am liebsten im dichten Geäst von Fichten oder Douglasien. Da weht der Wind nicht rein, da sitzen sie dicht beieinander und wärmen sich. Manche gehen auch nachts in Nistkästen, zu zweit oder zu dritt. Buntspechte schlüpfen zum Schlafen gerne in ihre Höhle, wenn sie eine haben, das kriegt man nur nicht mit.

Nutzen die Vögel auch Nischen oder Ecken an Gebäuden?

Ja. Aber leider bauen wir alles zu und glätten und stopfen bei Modernisierungen die letzten Löcher. Das ist schade. Man könnte hier wenigstens Ersatz schaffen und Kästen aufhängen. Bei manchen Baumaßnahmen wie kürzlich beim Ärztehaus Villa Ritz wird das sogar zur Auflage gemacht. Nistkästen aufzuhängen ist generell eine gute Idee.

Manfred Pohl.
Manfred Pohl.

© Andreas Klaer

Wie sehr müssen oder dürfen die Vögel von uns gefüttert werden?

Früher wurde Füttern nur im Winter empfohlen. Heute kann man auch ganzjährig füttern, aber bitte nach Bedarf. Es gibt Wohngebiete, da gibt es mehr Futterhäuschen als Vögel. Es gibt ja heute grundsätzlich viel weniger Vögel, das ist das eigentliche Drama. Meisen brüten manchmal nur noch einmal im Jahr. Wenn es in Mai und Juni zu heiß ist, wenn der Sommer zu schnell kommt, werden Insekten knapp. Aber Jungvögel müssen mit Insekten gefüttert werden. Das Eiweißfutter ist für sie das, was für Babys die Muttermilch ist. Körnerfutter ist gut für Altvögel, aber nicht für die Jungen. Vor allem sind die Monokulturen und die Verwendung von Pflanzengiften wie Glyphosat für den drastischen Rückgang der Insekten und damit dem natürlichen Vogelfutter verantwortlich. Vor 25 Jahren wuchsen auf den Feldern etwa 30 verschiedene Ackerkräuter, von denen sind heute noch eine Handvoll übrig. Jedes einzelne Kraut funktionierte aber als Wirtspflanze für eine bestimmte Insektenart, wo die ihre Eier ablegen. Weniger Wildkräuter führen also zu weniger Insekten und damit zu weniger Vögeln. Wir haben heute 80 Prozent weniger Insekten als vor 25 Jahren – die Zahl hat sogar Frau Merkel bestätigt.

Was können die Potsdamer tun?

Ein Glyphosatverbot müsste von der Politik ganz oben kommen. Auch Laubbläser und Laubsauger, die ja die ganzen Mikroorganismen und Insekten am Wegesrand vernichten, können wohl nicht verboten werden. Das kann nur jeder für sich selbst entscheiden.

Eine Blaumeise.
Eine Blaumeise.

© picture alliance / dpa

Könnte die Stadt nicht Vorbild sein und darauf verzichten?

Um das mit Harken und Laubbesen zu machen, braucht es mehr Leute, aber es wird ja überall gespart. Es wäre schon hilfreich, die bestehenden Regeln und Naturschutzgesetze einzuhalten, also wann die Dinger benutzt werden dürfen und wann nicht. Was sich die Potsdamer Ornithologen wünschen, ist weniger Wassertourismus. Ein Beispiel: Der Fahrländer See liegt im Landschaftsschutzgebiet, aber Stehpaddler und Windsurfer stören nun mal die im Uferbereich brütenden Vögel. Dieses Paddeln und Surfen müsste ganzjährig verboten werden. Wir haben uns damit an die Untere Naturschutzbehörde gewandt, bekamen aber erstmal keine Antwort. Dann hieß es, im oder am Fahrländer See befindet sich der Mittelpunkt Brandenburgs, das sei touristisch wichtig. Aber der Bürgerverein Fahrland wird an der Sache dran bleiben.

Wann kann man demnächst mit den Potsdamer Ornithologen die Vogelwelt der Stadt erkunden?

Vom 10. bis 12. Januar findet die bundesweite „Stunde der Wintervögel“ statt, da bieten wir Vogel-Beobachtungsspaziergänge an und freuen uns über viele Teilnehmer.

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Manfred Pohl, 66, hat schon als kleiner Junge stundenlang Vögel am Küchenfenster beobachtet und leitet heute die Fachgruppe Ornithologie des Nabu-Kreisverbands Potsdam. Mehr zu dem Verband erfahren Sie hier.

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