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Landeshauptstadt: „Vision und Illusion vom mündigen Bürger“

15 Jahre BürgerBündnis in Potsdam: Erinnerung an bewegte Zeiten bürgerlichen Engagements

Auf diesem Plakat liegt schon Staub. Und dennoch haben es nicht alle vergessen. Im Mai 1993 plädierten 33 Mitglieder des Bündnis 90 in Brandenburg öffentlich gegen einen Zusammenschluss mit den Grünen, darunter Matthias Platzeck, Günter Nooke, Ute Platzeck, Peter Schüler, Manfred Kruczek und Gerd Gebhardt. Doch ihre Stimmen brachten nichts, die Mehrheit entschied heute vor genau 15 Jahren im Blauhaus Potsdam, dass sich das Bündnis 90 – das aus der früheren DDR-Opposition von Neuem Forum, Demokratie Jetzt sowie der Initiative Frieden und Menschenrechte zusammengesetzt war – mit den Grünen zusammenschließt. Was an diesem Tag das Ende für das Bündnis 90 darstellte, war der Anfang für das BürgerBündnis – mit Günter Nooke, Matthias Platzeck und Wolfgang Pohl an der Spitze.

„Ich halte die Idee des BürgerBündnis noch immer für eine der sinnvollsten“, erklärte Nooke in seinem Gruß zum 15. Geburtstag der Wählergemeinschaft an Ute Bankwitz. Die Diplom-Ingenieurin ist Gründungsmitglied und eine der wenigen verbliebenen aus den Gründungstagen. Von den prominenten Fusionsgegnern ist Platzeck inzwischen SPD-Ministerpräsident, Nooke ist in der CDU und Bundesbeauftragter für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, Schüler hat sich dann doch Bündnis90/Grüne angeschlossen und Kruczek ist im Jahr 2004 aus dem BürgerBündnis ausgetreten. Er war nach der Wahl 1993 mit Bankwitz und der inzwischen verstorbenen Gisela Opitz in die Stadtverordnetenversammlung eingezogen und saß gemeinsam mit Bankwitz ein Jahrzehnt lang im Rathaus. Als einen der prägendsten Momente des Bündnisses bezeichnet Bankwitz heute die Ereignisse um Weihnachten 1997. Am 23. Dezember kündigte das BürgerBündnis im Verbund mit der Kampagne gegen Wehrpflicht und Zwangsdienste, heute Die Andere, ein Abwahlbegehren gegen Oberbürgermeister Horst Gramlich (SPD) an. Eine anfangs unterschätzte Initiative – die letztendlich zur ersten Abwahl eines Oberbürgermeisters in einer deutschen Landeshauptstadt führte. Sein Nachfolger war das BürgerBündnis-Gründungsmitglied Matthias Platzeck.

Bei der Kommunalwahl 1998 profitierte das BürgerBündnis Potsdam vermutlich von seinen öffentlichen Aktivitäten, dazu zählten das Abwahlbegehren oder die Veröffentlichung von Statistiken über die Stasi-Vergangenheit von Verwaltungsmitarbeitern – immerhin war noch im September 1998 jeder sechste Mitarbeiter im öffentlichen Dienst der Landeshauptstadt ein Informeller Mitarbeiter der Staatssicherheit. Das Potsdamer BürgerBündnis erreichte bei der Wahl 4,3 Prozent, während andernorts im Land der große Bruch kam. Danach blieben von den landesweit 200 gewählten Vertretern in Fraktionen nur „noch Restbestände übrig“, heißt es in der Chronik vom BürgerBündnis.

Der Bruch im BürgerBündnis Potsdam kam 2003/04. Am 27. Oktober 2004 hat Kruczek dem Verein seinen Austritt aus dem BürgerBündnis mitgeteilt und ihn auf zwei A4-Seiten begründet. Ende 2004 sind dann mehrere Mitglieder des Vereins ausgetreten, begründet hatten sie es mit dem Unterlaufen klarer Wahlaussagen. Seitdem herrschte Funkstille zwischen Bankwitz und Kruczek, vor kurzem nahm die Fraktionsvorsitzende wieder Kontakt zu ihrem früheren Mitstreiter auf – per Rechtsanwalt. Denn Kruczek hatte in einem Artikel für die PNN geschrieben, dass der Zerfall des BürgerBündnisses nach der Wahl 2003 eingesetzt habe und auch Gründe dafür genannt.

Bankwitz hält dagegen, dass der Verein wieder wachse. Drei Stadtverordnete anderer Parteien sind vor kurzem dem Bündnis Freier Wähler beigetreten, darunter auch Wolfhard Kirsch. Der fühlte sich am Dienstagabend bei der 15-Jahr-Feier sichtlich wohl. Er finde die Atmosphäre toll, anders als auf üblichen Parteiveranstaltungen. Und auch Nooke erklärte, er fühle sich den Wurzeln des BürgerBündnis nach wie vor verbunden. „Quer und nicht stromlinienförmig, engagiert und nicht ideologisch, persönliche Freiheit und persönliche Verantwortung statt kollektiver Unfreiheit und Verantwortungslosigkeit – dafür müssen wir in der Tat als Bürgerliche neue Wege suchen, Brücken bauen und Brückenköpfe bilden.“ Eine Vision des ersten Wahlkampfes mit dem Bündnis hat Nooke noch Erinnerung: „Wir haben die Vision und die Illusion vom mündigen Bürger.“ Auch Ute Bankwitz lacht, wenn sie an alte Plakate, Thesen und Slogan zurück denkt. Drei Ordner voll Material aus 15 Jahren BürgerBündnis hat sie in ihrer Wohnung, dazu alte Plakate im Keller. Vergangene Woche hat sie sich einige angeschaut und gleich mal entstaubt.

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