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Das Gerät, das die angereicherte Virus-RNA analysiert, ist nur so groß wie ein Drucker. 

© Ottmar Winter

Virusvariante auf dem Vormarsch: Potsdams Wettlauf gegen Omikron

Das Klinikum will mehr Virusproben auf Mutationen checken. Das kann helfen, die Inzidenz niedrig zu halten.

Potsdam - Wie gut Potsdam die Pandemielage im Griff hat, hängt nicht nur davon ab, wie viele Menschen in der Stadt sich gegen das Coronavirus impfen lassen. Um die Zahl der Infektionen möglichst niedrig zu halten, sind ein auch unter Belastungen gut funktionierendes Gesundheitsamt sowie eine schnelle Auswertung von Corona-Tests wichtig. Denn je früher Infizierte isoliert werden können, desto weniger Menschen stecken sie an. Das ist besonders angesichts der weitaus infektiöseren Omikron-Variante essentiell, die sich auch in Potsdam ausbreitet.

Ob eine Person infiziert ist und wenn ja, mit welcher Virusvariante, lässt das Potsdamer Gesundheitsamt per PCR-Test ermitteln. Abstrich und Testauswertung erfolgen im kommunalen Klinikum „Ernst von Bergmann“. Im dortigen Labor werden derzeit laut Klinikum zwischen 1000 und 1300 PCR-Tests täglich ausgewertet – im Auftrag des Gesundheitsamts, aber auch für Patienten und Personal des Klinikums selbst. Rund 30 Prozent der positiven PCR-Tests werden derzeit sequenziert – das bedeutet, das Genom des Virus wird untersucht, um herauszufinden, um welche Mutation des Coronavirus es sich handelt.

Im Januar will das Klinikum 60 bis 70 Prozent aller positiven PCR-Tests sequenzieren, wie Evangelos Tsekos, Medizinischer Geschäftsführer der Bergmann-Diagnostik GmbH, auf PNN-Anfrage sagte. Dafür habe das Klinikum jetzt eine neue sogenannte Mutations-PCR eingeführt. Zudem seien zwei neue Fachkräfte eingestellt worden, so Tsekos. Schon jetzt sei das Zusammenspiel von Gesundheitsamt, Abstrichstelle und Labor hervorragend, meint Tsekos. Auch lägen PCR-Ergebnisse nach 6,5 bis acht Stunden sehr schnell vor. Das habe sicher einen Teil dazu beigetragen, dass die Corona-Inzidenz in Potsdam im Landesvergleich deutlich niedriger ist.

Bergmann-Diagnostik-Chef Evangelos Tsekos. 
Bergmann-Diagnostik-Chef Evangelos Tsekos. 

© Ottmar Winter PNN

Das Genom des jeweils per positivem PCR-Test festgestellten Coronavirus zu untersuchen, sei aus virologischen, infektiologischen, medizinischen und therapeutischen Gründen wichtig, so Tsekos. Zudem haben die Erkenntnisse aus dem Labor, die quasi das Pandemiegeschehen in Echtzeit widerspiegeln, unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidungen der Krisenstäbe im Rathaus und im Klinikum. „Wir bekommen durchaus zwei Mal am Tag Anrufe, ob wir neue Ergebnisse haben“, sagt der Mediziner.

„Wir müssen wissen, wie sich das Virus verhält“

Jede Veränderung des Virus habe Einfluss auf die Erkrankung von Infizierten, erklärt Tsekos, aber auch auf die Therapie. „Wir müssen wissen, wie sich das Virus verhält: Wird es aggressiver? Steigt die Infektiosität? Umgeht es die Immunabwehr oder die Impfstoffe? Befällt es eher Ältere oder doch Kinder?“ Viele Fragen, die bei Omikron noch nicht zuverlässig zu beantworten sind. Derzeit gebe es erste Hinweise, sagt Tsekos, dass bei Omikron die Antikörpertherapie, die zu Beginn einer Erkrankung eingesetzt den Verlauf mildern kann, nicht helfe. 

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Zum Beispiel deshalb sei es für die Ärztinnen und Ärzte wichtig zu wissen, mit welcher Variante ein Patient infiziert ist. Aber auch das Gesundheitsamt entscheidet bei Infektionen mit neuen Virusvarianten unter Umständen anders – und verhängt zum Beispiel eine 14-tägige Quarantäne ohne die Möglichkeit, sich freizutesten. Betrifft Omikron Mitarbeitende der kritischen Infrastruktur wie Feuerwehr, Polizei, Krankenhaus oder Energieversorgung, sei es besonders wichtig, schnell von einer Infektion zu wissen und zu reagieren.

Weil bislang deutschlandweit schätzungsweise nur zehn bis 15 Prozent aller positiven PCR-Proben sequenziert werden, geht Diagnostik-Chef Tsekos von einem großen Omikron-Dunkelfeld aus. Schon die Delta-Variante habe sich in nur rund zehn Wochen durchgesetzt, bei Omikron werde es wohl noch schneller gehen: „Ich gehe davon aus, dass wir Ende Januar überwiegend Omikron haben.“

Mit der neuen Mutations-PCR, die seit kurz vor Weihnachten genutzt werde, könne das Bergmann-Labor wesentlich schneller feststellen, ob es sich bei einem positiven Befund um Omikron handele, so Tsekos. Statt bisher 48 Stunden dauere das jetzt nur noch vier Stunden. Zudem müsse die Probe nicht wie bisher eine große Viruslast aufweisen. Bereits nach der Mutations-PCR könne man „zu 99 Prozent sicher sagen, ob es Omikron ist“. Danach könne in Ruhe die komplette Sequenzierung stattfinden – während die entsprechenden Eindämmungsmaßnahmen laufen. 

Abgleich in weltweiter Datenbank

Das Bergmann-Klinikum nutze für die Sequenzierungen die neueste und schnellste Technologie, so Tsekos. Bei der Genom-Untersuchung werden die Ergebnisse in einer weltweiten Datenbank abgeglichen, auf dem Bildschirm erscheinen bei Omikron die 32 Mutationen in der Krone und zwölf im Kern des Virus als kleine bunte Striche, die von der „Norm“ – derzeit die Delta-Variante – abweichen.

Und was geschieht, wenn es durch Omikron eine Vielzahl von Infektionen gibt, also viel mehr PCR-Tests ausgewertet werden müssen und womöglich auch Labor-Mitarbeitende krank werden? „Zuletzt hatten wir einen Spitzenwert von 2200 PCR-Tests pro Tag“, sagt Tsekos. „Natürlich machen wir uns Gedanken, wie es gehen kann, wenn wir 3000 bis 4000 täglich machen müssen.“ Dafür seien Klinikum-Mitarbeitende in Reserve, zudem liefen Gespräche mit anderen Labors in Potsdam, „damit wir auch Proben dorthin schicken können“. So sei das Labor für den Notfall gerüstet.

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