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Alles nur gerechnet. Potsdams erste Virtual Reality Lounge befindet sich in einer Videothek in Babelsberg. Allein oder mit Freunden kann man dort mit Helm und Brille in virtuelle Realitäten abtauchen. Es gibt drei Kabinen, sie haben zur Sicherheit gepolsterte Wände.

© r.b.

Virtual Reality: Abenteuer auf zehn Quadratmetern

Erst mit Walen tauchen, danach den Mount Everest besteigen: Ein Besuch in Potsdams erster Virtual Reality Lounge.

Potsdam - Silbern glänzende Fische schwimmen rund um das versunkene Schiffswrack herum und weichen zurück, sobald man nach ihnen greift. Größere Meeresbewohner sind nicht zu sehen – bis sich plötzlich der gewaltige Körper eines Blauwals nähert, der immer dichter kommt, fast auf Armeslänge verweilt und dann mit einem mächtigen Schlag seiner Flosse davonschwimmt. All das passiert nicht wirklich, es ist nur eine virtuelle, eine sogenannte Virtual Reality-Simulation. Dennoch ist es schwer, den Reflex zu unterdrücken, sich vor der riesigen Walflosse wegzuducken, die nur zwei Meter entfernt durch das Wasser gleitet.

Es ist nur eines von vielen – und keineswegs das spektakulärste – Programm, dass man in Potsdams einziger Virtual Reality (VR) Lounge erleben kann: Zum Angebot gehören auch Ego-Shooter, Sport- und Rennspiele oder Escape-Room-Games, also Spiele, bei denen man Rätsel lösen muss, um aus einem verschlossenen Raum zu gelangen.

Seit Mitte Dezember in Babelsberg

Seit Mitte Dezember gibt es die VR-Lounge in den Räumen der Videoworld-Videothek unweit des Toom-Baumarktes in Babelsberg. Es sei die letzte Videothek Potsdams, sagt Geschäftsführer Andreas Klisch, der auch im Studiengang Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam tätig ist: „Alle anderen haben vor ein paar Jahren zugemacht.“ Seine Videothek könne sich trotz Online-Streaming-Anbietern wie Netflix noch immer halten, da sie unter anderem 3D-Filme verleiht, über ein familienfreundliches Angebot verfügt und Stammkunden hat, die auch aus Berlin-Zehlendorf angereist kommen. Er wisse, dass Videotheken heute etwas Altmodisches hätten, so Klisch: „Letztens kam ein kleines Mädchen mit ihren Eltern hier rein und meinte: ‚Das ist hier ja wie Netflix, nur, dass man reingehen kann!'.“

Videotheken müssen sich also etwas einfallen lassen, um zu überleben – zum Beispiel die Erweiterung um ein VR-Angebot. Damit greift Klisch einen Trend auf. Es gebe seit kurzem ein kleines Revival von Arcade Lounges, also Hallen, in denen öffentlich zugängliche Computerspiel-Automaten aufgestellt sind – nur dass es sich heute um VR-Spiele handelt. „In jeder Großstadt findet man mittlerweile so eine Arcade Lounge“, sagt Klisch.

Drei Kabinen für die Besucher

Und nun auch in Potsdam: Wer sich in eine der drei Kabinen mit den gepolsterten Wänden begibt, kann sich dort einen von der Decke hängenden VR-Helm inklusive Kopfhörern aufsetzen, und schon geht es los: Zum Beispiel kann man in die Rolle des Geheimagenten John Wick schlüpfen und sich in einem Parkhaus Feuergefechte mit schwer bewaffneten Gegnern liefern. Alleine fühlt es sich ein bisschen albern an, mit einer unsichtbaren Waffe auf unsichtbare Gegner zu schießen, aber als Gruppe sei das anders, so Klisch: „Die meisten kommen mit ihren Freunden her, die geben dann Ratschläge und feuern sich gegenseitig an.“ Tatsächlich sei das neue Angebot vor allem bei Kindergeburtstagen und Firmenausflügen beliebt, so Klisch.

Bei den Brillen, die in der VR-Lounge verbaut sind, handelt es sich um Vive-VR-Brillen der Firma HTC. „Das ist der Rolls Royce unter den VR-Brillen, Googles Oculus Rift ist dagegen Pillepalle“, meint Klisch. Eine Anschaffung, die sich Privatpersonen kaum leisten können: Jede der Brillen kostet rund 1300 Euro, dazu kommen die Spiele und natürlich entsprechend leistungsfähige Computer, die das auch stemmen können.

VR-Brillen sind auch kinderfreundlich

Seit Eröffnung der VR-Lounge habe die Videothek 50 bis 60 neue Kunden, die nur wegen der VR-Spiele kommen, sagt Klisch. Vor allem ist ihm wichtig, das Angebot familienfreundlich zu halten: Die Räume sind offen und hell, auf einem Bildschirm daneben kann man sehen, was gerade gespielt wird. „Die Kunden schätzen auch die Beratung und Betreuung durch unsere Mitarbeiter, die sich mit den Spielen auskennen“, sagt Klisch. Nicht nur Familien mit Kindern gehören zu den Kunden: „Wir hatten hier auch schon einen Rentner, der einfach mit der Brille auf einem Stuhl saß und virtuell mit den Walen geschwommen ist.“

Zu den beliebtesten Spielen gehören bislang die Escape-Room-Spiele, die vor allem von Frauen gespielt werden, so Klisch. Bei einem anderen Spiel besteigt man virtuell den Mount Everest und muss dabei unter anderem eine Brücke über einer Eisschlucht bauen und anschließend darüber balancieren. Viel Bewegung braucht man auch bei den Sportsimulationen. Kommunikativ sind manche der Spiele auch, etwa wenn man sich Online im Multiplayermodus mit anderen VR-Spielern trifft.

Wir VR noch größer?

Klisch ist überzeugt, dass das Thema VR künftig noch größer wird: Bereits jetzt werde VR besonders in der Immobilien- und Tourismus-Branche genutzt, um potentielle Kunden zu locken. Auch in der VR Lounge kann man sich in weit entfernte Länder begeben, indem man per Google-Streetview durch New York oder Barcelona laufen kann.

Klisch will sein Angebot stetig erweitern und neue Spiele anbieten, damit es für die Kunden spannend bleibe. Und es soll nicht bei reinen Spielen bleiben: Künftig soll man auch „Facebook Spaces“ in der VR-Lounge nutzen können, eine Art Simulation à la „Die Sims“, wo man seine Facebook-Freunde in Form virtueller Avatare online treffen kann. „Das will ich als nächstes ausprobieren“, sagt Klisch.

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