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Zum Agieren der Kontrolleure des städtischen Unternehmens gibt es neue Vorwürfe.

© S. Gabsch

ViP-Kontrolleure in Potsdam in der Kritik: „Das spottet jeder Beschreibung“

Nach einem Bericht über harsches Agieren eines Ticket-Kontrolleurs in der Tram gegenüber Kindern schildern weitere Fahrgäste ähnliche Fälle. Der Verkehrsbetrieb will die Vorwürfe nun prüfen.

Potsdam - Die Vorwürfe gegen Ticket-Kontrolleure in Bussen und Straßenbahnen des Verkehrsbetriebs (ViP) wegen unangemessenen Verhaltens mehren sich. Nach einem PNN-Bericht über die Kritik eines 14-Jährigen am Gebaren eines Kontrolleurs gegenüber einem neun Jahre alten Jungen haben sich noch zahlreiche andere Potsdamer mit ähnlich negativen Erfahrungen gemeldet. In Reaktion kündigte ein ViP-Sprecher am Dienstagabend auf PNN-Anfrage an, man werde „die Vorfälle ausführlich mit unserem Dienstleister auswerten“. Seit 2015 hat der ViP die in Potsdam ansässige Firma GSE Protect mit der Ticketkontrolle beauftragt.

Viele negative Erfahrungen

Die Auswertung könnte umfangreich werden. Denn auf der Facebook-Seite der PNN veröffentlichten Leser mehrere negative Erfahrungen mit Kontrolleuren in Bussen und Bahnen. So schrieb beispielsweise der Potsdamer Jannes Christopher Albu, er habe sich schon zweimal schriftlich über das Verhalten eines Kontrolleurs bei der ViP beschwert: „Es gab in beiden Fälle keinerlei Antwort, Gesprächsangebote oder ähnliches.“ So wirft er Kontrolleuren in einem Fall „rassistisches Verhalten“ vor. Gezielt seien die Sicherheitsleute auf zwei Männer mit Migrationshintergrund zugegangen, hätten sie auch beleidigt, aber andere Fahrgäste nicht kontrolliert. Er habe gefragt, was das soll: „Da wurde mir gesagt, ich soll die Klappe halten, sonst werfen sie mich auch raus.“ Das werde man noch auswerten, so der ViP.

Harsches Vorgehen gegen Afrikaner

Ein anderer Potsdamer schilderte den PNN per E-Mail einen Vorfall vom vergangenen Samstag, als er gegen Mittag in der Linie 91 in Richtung Pirschheide unterwegs war. Dabei seien zwei dunkelhäutige Männer an der Langen Brücke eingestiegen, eine habe am Automat ein Ticket ziehen wollen - hatte aber offenbar Verständnisprobleme beim Umgang mit dem Automaten. Am Alten Markt seien dann Kontrolleure zugestiegen - und einer habe den Afrikaner am Automaten angeherrscht, dieser müsse nun "mindestens 'ne Tageskarte" kaufen. Dann kontrollierte er andere Fahrgäste, während der Afrikaner aber Kurzstrecken-Tickets holte. Dies aber habe der Kontrolleur zunächst nicht akzeptieren wollen. "Tageskarte hab' ick gesagt." 

Der Leser schrieb, daraufhin habe er dann eingegriffen. So hätten die beiden Afrikaner im Laufe des Streits erklärt, sie würden an der Dortustraße aussteigen - was genau den vier Stationen für das Kurzticket entspricht. Doch erst als ein zweiter Kontrolleur, ein älterer Mann, den anderen Kontrolleur zur Seite genommen und ihm gesagt habe, er solle es gut sein lassen, habe sich die Lage entspannt. "Solche Rücksichtslosigkeit habe ich bei Kontrollen schon oft erlebt", so der Leser. Die Namen sind den PNN allesamt bekannt. Auch diesen Vorwurf prüft die ViP nun. Auch hier werde man noch einmal sensibilisieren, so der Sprecher - der auch den Umstand betonte, dass zumindest ein anderer GSE-Mitarbeiter deeskalierend eingewirkt habe. 

Das Handy muss man nicht abgeben

Viele andere der dutzenden Kommentare zu den Vorwürfen fielen allgemeiner, aber in der Sache ähnlich aus: „Es sind leider keine Einzelfälle mehr.“ Oder: „Auch mit Erwachsenen wird teilweise unmöglich umgegangen.“ Ein Leser schilderte den PNN in einer E-Mail, ihm sei vor einigen Tagen „mit einem Zwangsausstieg aus der Bahn gedroht worden, wenn ich mein elektronisches Ticket nicht in die Hände der Kontrolleure gebe“ – was er wegen der Grippezeit nicht machen wollte. Das Verhalten habe ihn, „auch vom Ton her“, ziemlich schockiert. „Der Umgang dieser Menschen mit Fahrgästen spottet jeder Beschreibung“, so sein Fazit. Der ViP teilte mit, ein Fahrgast dürfe sein Handy behalten. Auch hierzu werde man gegenüber der GSE Protect sensibilisieren.

Ein Behinderter bekam Ärger

Eine Berlinerin, Ute Broschej, hatte bereits am vergangenen Samstag, als der PNN-Bericht noch nicht erschienen war, einen Kommentar zu einem Erlebnis mit ViP-Kontrolleuren öffentlich gemacht. Demnach habe ihr geistig behinderter Sohn seinen Fahrschein aus Unwissen mehrfach während einer Fahrt abgestempelt – und sei daher in der Innenstadt wegen der doppelten Entwertung als Schwarzfahrer registriert worden. Auch die Weiterfahrt sei untersagt worden. 

Der 20-Jährige hätte sich laut seiner Mutter ein neues Ticket holen sollen, obwohl er kein weiteres Geld dabei und auch seinen Ausweis vergessen hatte. So musste ihn erst sein Vater abholen. Hierzu teilte der ViP mit, in Trams hätten Kontrolleure keine Kulanzmöglichkeit, das lasse sich vor Ort nicht regeln. Allerdings könne man als Kunde Widerspruch einlegen. Auch in diesem Fall sagte der ViP-Sprecher, man werde „die Kollegen von GSE Protect noch einmal sensibilisieren“.

Es gilt auch eine Dienstanweisung

Generell würde man bei Beschwerden gegenüber den betreffenden Mitarbeiter auf die Einhaltung der Dienstanweisung für Ticketkontrollen sowie das freundliche und höfliche Verhalten gegenüber Fahrgästen hinweisen. Zu den Pflichten gehöre laut ViP etwa, den Dienstausweis zu zeigen und die Kontrolleursnummer zu nennen – das hatte der Kontrolleur, der die Debatte mit seinem Verhalten ausgelöst hatte, dem besagten 14-Jährigen nach dessen Angaben verweigert. Der ViP teilte aber auch mit: "Dienstausweise werden grundsätzlich nicht für Fotos zur Verfügung gestellt." Zum besagten Vorfall mit dem Jungen hatte das Unternehmen noch erklärt, es lägen keine Hinweise auf ein Fehlverhalten vor.

Kontrolleur droht mit Strafanzeige

Auch bemerkenswert: Der im ersten Bericht kritisierte Kontrolleur rief am Dienstag bei den PNN an – und drohte mit Strafanzeige gegen den Reporter und den 14 Jahre alten Zeugen. Zur Frage, ob der ViP dieses Vorgehen unterstütze, machte das kommunale Unternehmen mit Verweis auf ein mögliches laufendes Verfahren keine Angaben. „Wir sind zudem von den diesbezüglichen Aktivitäten und den genauen möglichen Vorwürfen des Kontrolleurs in Ihre Richtung und in Richtung des Jungen bisher nicht in Kenntnis gesetzt worden.“

Mehr Beschwerden über Kontrolleure

Zuletzt hat sich die Zahl der offiziellen Kundenbeschwerden beim ViP über Kontrolleure deutlich erhöht. 2018 gab es laut ViP sieben solcher Rügen, im vergangenen Jahr waren es 17. Zugleich ist auch die Zahl der ertappten Schwarzfahrer im vergangenen Jahr erneut gestiegen: Demnach zählte der ViP 10 416 Fälle, in denen man von den Schwarzfahrern ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 60 Euro verlangte. 2016 waren es noch 7964 Fällen. Seit Jahren steigen diese Zahlen. Schon mehrfach hatte der ViP angegeben, man gehe von deutlich mehr als einer Million Euro Einnahmeverlusten pro Jahr durch Schwarzfahrer aus. Demnach liegen die Einkünfte aus den Kontrollen immer noch etwas unter den Ausgaben für die Sicherheitsfirma. Es werde auch keine Erfolgsprämie gezahlt, betonte der ViP. Gleichwohl würden die steigenden Schwarzfahrer-Zahlen zeigen, dass Kontrollen notwendig seien. Bei Konflikten komme es „neben Höflichkeit auch auf Durchsetzungsstärke an“. 

Der ViP erklärte aber auch, es würden Deeskalationstrainings durchgeführt. Ein Thema sei zudem die „Aggressivität“ von Fahrgästen gegenüber Kontrolleuren, so ViP. Die überwiegende Zahl der Fahrgäste sei aber kooperativ. Auch bei den vorher vom ViP beauftragtem Firmen hatte es gelegentlich Schlagzeilen zu Beschwerden über Kontrolleure gegeben. Der Auftrag der GSE Protect war erst im vergangenen Jahr verlängert worden, nach einer Ausschreibung.

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