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Villa Quandt: Ulrich Schacht stellte sein Buch „Notre Dame“ vor

Potsdam - Mit der Liebe ist das so eine Sache. Manchmal kommt sie ganz leise, manchmal laut wie ein Donnerschlag.

Potsdam - Mit der Liebe ist das so eine Sache. Manchmal kommt sie ganz leise, manchmal laut wie ein Donnerschlag. Und manchmal – nicht immer ganz gelegen – schlägt sie sich als Naturgewalt nieder. Als alles erschütterndes Erdbeben inklusive Vulkanausbruch, dessen Lava alles Dagewesene niederwalzt. So auch bei den Protagonisten in Ulrich Schachts Roman „Notre Dame“, den er am Donnerstagabend in der Villa Quandt vorstellte.

Darin erzählt er von dem Journalisten Torben Berg, der kurz nach dem Mauerfall nach Leipzig fährt, um über ein Konzert von Wolf Biermann zu berichten. Dort begegnet er der deutlich jüngeren Studentin Rike, die er als glücklich verheirateter Mann zunächst nur interessant findet. Doch auch nach seiner Rückreise bricht der Kontakt zu ihr nicht ab und schließlich entwickelt sich eine Liebe, die sowohl das Leben von Berg als auch von Rike aus den Fugen reißt.

Zunächst klingt das nach einer ausgelutschten Geschichte von einem Mann in der Midlife-Crisis, der sich mit einer jungen Frau wieder selbst finden möchte. Doch so einfach ist das bei Schacht nicht. Dafür sind seine Figuren zu sehr in sich gefestigt, sein Plot zu nah an ihren Leben, ihren Gedanken, Emotionen. Denn genau um die ginge es ihm, wie er am Donnerstag sagte. Um das strikte Gefühl der unbedingten Liebe als elementare Kraft, die in der Lage sei, alle Konventionen zu überwinden, sodass in ihrer Chaosschöpfung eine einzigartige Lebenserfahrung entstehe. Ein großer Satz und ein gewaltiger romantischer Gedanke, den man Schacht so auf den ersten Blick gar nicht zutraut. Ihm, der 1951 im Frauengefängnis Hoheneck geboren wurde, 1973 wegen „staatsfeindlicher Hetze“ in der DDR zu sieben Jahren Freiheitsentzug verurteilt wurde und später Chefreporter Kultur für die Welt und Welt am Sonntag war. Der sich selbst eigentlich als eher konservativ und als Strukturmensch bezeichnet. Doch vielleicht kommt das Bedürfnis, große Gefühle zu beschreiben, gerade daher. Aus der Ordnung, die eben durch die Liebe vollkommen aufgehoben werden kann, wie Schacht selbst sagt. Und dann stelle sich die Frage, wie man damit umgeht. Das aufzuschreiben sei eine große ästhetische Herausforderung gewesen, auch deshalb, weil der Roman autobiografische Züge trägt. Zwanzig Jahre habe der Stoff gelegen, vier Jahre sei er am Schreibtisch bearbeitet worden. Er habe sich vom Stoff ablösen, die Geschichte sortieren müssen.

Entstanden ist dabei eine zärtliche, fast poetische Liebesgeschichte. Ein großer Liebesbrief – tatsächlich ist ein Teil des Romans in Briefform verfasst – an die Liebe selbst. Schacht gibt tiefe Einblicke in die Gedankenwelt seines Protagonisten, verwebt sie mit dem Zeitgeist der Nachwendezeit und vermeidet es gekonnt, in kitschige Plattitüden abzudriften. Und so erzählt er leidenschaftlich, aber doch nüchtern, mal laut, mal leise und immer irgendwie als Naturgewalt. Eine Naturgewalt, die den Leser einmal auseinandernimmt und als neu zusammengesetzten Menschen im letzten Kapitel wieder auftauchen lässt. S. Kugler

S. Kugler

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