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Viele Themen, viele Versprechen: Die 100-Tage-Bilanz von Oberbürgermeister Mike Schubert

Potsdams neuer Oberbürgermeister Mike Schubert hat am Beginn seiner Amtszeit viele Themen gesetzt. Ob er sie alle erfolgreich beenden kann oder doch vieles nur Ankündigung bleibt, entscheidet sich auch bei der Kommunalwahl.

Potsdam - Mike Schubert blickt in die Kamera. „Endlich ist es soweit – nach drei Monaten Vorbereitung werden wir am Samstag einen ersten Stadtteilspaziergang in Potsdam- West machen“, kündigt der Rathauschef am Mittwochnachmittag in einer Botschaft beim Videoportal YouTube an. Einladungspostkarten für den Termin ab 11 Uhr seien an 4000 Potsdamer Haushalte gesendet worden. „Ich würde mich freuen, wenn ich viele von Ihnen dann an der MBS-Arena begrüßen dürfte, wir gemeinsam durch den Stadtteil wandern und wir uns anschauen, wo sich Dinge gut verändert haben oder wo sie Fragen haben. Ich freue mich auf Sie.“

Solche Stadtteilspaziergänge zu bürgerfreundlichen Zeiten hat Schubert bereits in seinem Oberbürgermeister-Wahlkampf angekündigt. Es ist nicht das Einzige, was Schuberts Amtsführung deutlich von der seines Vorgängers Jann Jakobs unterscheidet – das lässt sich schon jetzt sagen. Am Donnerstag ist der 46-Jährige genau 100 Tage im Amt.

In dieser Zeit hat Schubert schon Dutzende Tweets abgesetzt, fast wöchentlich kurze Videobotschaften aufgenommen, selbst bei Instagram sendet er Meldungen, auch private Unternehmungen mit der Familie – und kommt mittlerweile auf eine vierstellige Zahl von Menschen, die er so direkt mit seinen Wortmeldungen erreicht, Tendenz steigend. Sein Vorgänger Jann Jakobs hatte nicht einmal einen Facebook-Account. „Auch der Laptop hier war vorher nicht da“, erklärte Schubert einige Tage nach seinem Amtsantritt, als er Journalisten ins Oberbürgermeisterbüro im Rathaus eingeladen hatte.

Der Nahbare

Solche neuen Wege hat Schubert angekündigt – näher dran an den Potsdamern zu regieren, Politik mehr für die zu machen, die schon hier wohnen. Erste Bürgersprechstunden hat er bereits abgehalten, wegen des großen Interesses finden sie nun einmal im Monat statt.

Natürlich ist es auch das Privileg des Neuen, dass die Menschen gespannt sind. Aber Schubert untermauert diese Spannung bisher fast im Wochentakt mit neuen Projekten. Da ist zum Beispiel der lang stiefmütterlich behandelte Stadtkanal, dessen Wiedererrichtung er zum langfristigen Bürgerprojekt in der Mitte machen will, auch für ein kühleres Stadtklima in immer heißeren Sommern. Mit den Umlandgemeinden hat er eine Vereinbarung für regelmäßige Treffen unterzeichnet um gemeinsame Lösungen für die Verkehrsprobleme der Region zu finden. Ebenso gibt es ein neues Bündnis für den Schlaatz, mit dem das Problemviertel ähnlich aufgewertet werden soll wie die Gartenstadt Drewitz.

Und da ist sein Eintreten für den Erhalt des Terrassenrestaurants Minsk am Brauhausberg, das möglicherweise aufgestockt werden sollen, damit sich die Sanierung für Investoren noch lohnt – ein umstrittener Ansatz. Auch der von Schubert favorisierte Plan, die defizitäre Biosphäre für 17 Millionen Euro zu einer Klima-Erlebniswelt umzugestalten, hat in der Kommunalpolitik nicht nur Befürworter gefunden, auch in der mit dem Oberbürgermeister ohnehin nicht immer meinungsgleichen SPD-Fraktion regte sich Kritik.

Schubert versuche eben, die in der Amtszeit seines Vorgängers angesammelten Probleme zu lösen und nicht weiter vor sich her zu schieben, sagen seine Befürworter. Kritiker dagegen meinen, dass so viele Bälle in der Luft am Ende dazu führen, dass alle Wünsche auf dem Boden der Tatsachen enden.

Der Zupackende

Die Zahl der Baustellen ist ohnehin schon groß. Als eine seiner ersten Amtshandlungen packte Schubert einen Umbau der Verwaltung an, vor allem soll ein gemeinsames Jugend- und Schulamt für eine bessere Kita- und Schulbauplanung sorgen. Ein neues Hauptamt soll die Verwaltung auch im Inneren besser zusammenhalten, auch die hohe Krankenrate senken. Bei diesen vielen Neuerungen müsse Schubert aber aufpassen, dass die Stadtverwaltung bei dem vorgelegten Tempo mitkomme, sagen Beobachter.

Denn es fehlt im Rathaus an Personal, auch in der Führungsebene. Das sorgt selbst bei scheinbaren Selbstverständlichkeiten für Probleme – nach dem Wahlkampf irritierte etwa die Nachricht, dass im Rathaus manche geplante Ausschreibung mangels Vergabejuristen liegen bleibt – und zu wenig Internetspezialisten da sind, die in Schulen moderne Computer installieren können. Nun will Schubert schnell 120 Extrastellen schaffen, die Mittel dafür sollen die Stadtverordneten noch vor der Kommunalwahl im Mai absegnen.

Der Nachtragshaushalt wird nach Jahren, in denen die schwarze Null als Ziel der Stadtpolitik galt, ohnehin ein Offenbarungseid. Denn mit dem Haushalt wird endgültig auch über die Rückzahlung der vorher über Jahre zu hoch angesetzten Kitagebühren abgestimmt – was die Stadt inzwischen bis zu 45 Millionen Euro kosten soll, auch wegen eines neuen Urteils zu falsch angewandten Rabattregeln für Geschwisterkinder. Allerdings gilt hier eine Mehrheit kurz vor dem Urnengang als sicher – jede Partei, die hier gegenreden würde, müsste damit rechnen von den Wählern abgestraft zu werden. Mehr ein Vabanque-Spiel scheint da die von Schubert gewünschte Besetzung des verwaisten Chefsessels im Sozialdezernat noch vor der Kommunalwahl – hier muss er eine Persönlichkeit finden, die auch in geheimer Wahl eine Mehrheit der dann schon im Wahlkampfmodus befindlichen Stadtverordneten erreichen kann.

Die Wahl am 26. Mai wird für Schubert entscheidend – dann wird klar, mit welchem Bündnis er im Stadtparlament regieren kann oder ob er weiter wechselnde Mehrheiten suchen muss. Was in den ersten hundert Tagen auffällig war, ist die gute Zusammenarbeit, die Schubert mit seinem früheren Gegner und Linke-Oppositionschef Hans-Jürgen Scharfenberg pflegte – der selbst den möglichen Abriss des Staudenhof-Wohnblocks im Gegenzug zu neuen Sozialwohnungen in der Mitte nicht infrage stellte. Auch bei Minsk und Biosphäre war man sich einig. Und bei den Leitlinien für das gesellschaftlich breit aufgestellte Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“ hielt Schubert an dessen klarer Anti-Rechts-Ausrichtung fest – sehr zum Ärger der CDU.

Der Brückenbauer

Werden da schon vor der Wahl also Brücken zur Linken aufgebaut, auch mit Blick auf den ersten Wahlgang der Oberbürgermeisterwahl, als nicht-konservative oder linke Parteien insgesamt rund 75 Prozent der Stimmen holten? Schubert bestreitet solche Absichten, zumal niemand das Wahlergebnis vorhersehen könne. Allerdings wolle er die in den vergangenen Jahren sehr schnell gewachsene Stadt wieder mehr zusammenführen.

Einen ersten Vorgeschmack, dass dieser Anspruch auch nach hinten losgehen kann, bekam Schubert vor dem Neujahrsempfang im Nikolaisaal, als er unter anderem dem linksalternativen Aktivisten Lutz Boede – 30 Jahre nach 1989 – die Ehre zukommen ließ, sich für seine Verdienste um die Demokratie in der Nachwende-Zeit ins Goldene Buch der Stadt eintragen zu dürfen. CDU und AfD schäumten, von Boykott war die Rede – während beim eigentlichen Empfang der Applaus für alle Geehrten groß war, auch für Boede. Die Botschaft war klar: Die Stadt zusammenzuführen muss nicht heißen, auch immer alle politischen Gruppen gleich stark umarmen zu müssen.

Diesen Ansatz spüren auch die Freunde des im Bau befindlichen Turms der Garnisonkirche, den Jakobs noch vorantrieb. Schubert vertritt hier eine distanzierte Haltung, lässt offen, ob er überhaupt ins Kuratorium der Stiftung für den umstrittenen Wiederaufbau geht. Diese so von seinem Vorgänger nie gekannte Distanz kann – zusammen mit Symbolen wie dem Minsk – auch ein bisschen Heilung sein für die Seelen jener, die sich vom Tempo der Veränderung in der Stadt überfahren fühlen, die etwa immer noch der alten Fachhoschule hinterhertrauern.

Der Abholer

Gerade solche Menschen, die sich von der Kommunalpolitik abgewandt haben, will Schubert wieder abholen. Doch so etwas kann auch Zielkonflikte schaffen: Das Dauerärgernis Verkehr ist nur ein Beispiel, das Schubert mit einem anderen Problemen austarieren muss: So hat er angekündigt, notfalls die Entwicklung des neuen Stadtteils Krampnitz zu bremsen, sollte kein aus seiner Sicht überzeugendes Verkehrskonzept für das geplante Vorzeigeviertel für bis zu 10.000 Menschen vorliegen. Wobei ein Ausbremsen aber mit dem Ziel kollidieren würde, die Wohnungsnot in der Stadt zu bekämpfen.

Hohe Mieten, Verkehrschaos und all die vielen anderen Potsdamer Debatten: Die Themen für Videobotschaften an die Potsdamer dürften Schubert nicht ausgehen. Und zwar für den Rest seiner achtjährigen Amtszeit.

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