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Exklusiv

Verzögerungen beim Tierheim: Potsdamer Fundtiere müssen wohl noch länger nach Zossen

Beim Tierheimbau an der Michendorfer Chaussee gibt es Verzögerungen. Bis die Potsdamer Fundtiere dort betreut werden können, dürfte es noch dauern.

Kurze Wege sehen anders aus: Mehr als 80 Kilometer hin und wieder zurück muss ein Angestellter des Potsdamer Ordnungsamt rund alle drei Tage fahren, um Potsdamer Fundtiere zum seit 2015 zuständigen Tierheim nach Zossen zu bringen. Rund 110 solcher Fahrten sind im Schnitt pro Jahr nötig, also mehr als 8800 Kilometer in einem VW-Kombi mit einem Verbrauch von 8,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Diese Zahlen und Fakten hat die Stadtverwaltung jetzt auf PNN-Anfrage bekannt gegeben.

Das Tierheim entsteht auf dem Sago-Gelände

Kürzer könnten die Wege erst werden, wenn das gerade entstehende Tierheim des Potsdamer Tierschutzvereins (TSV) neben dem Sago-Gelände an der Michendorfer Chaussee endlich fertig wird und genügend Platz bietet. Doch das dürfte noch einige Jahre dauern. Denn aktuell macht der TSV zunächst eines von fünf größeren Flachbauten auf dem Gelände bezugsfertig für Tiere. Vielleicht reiche das Vereinsvermögen noch für den Umbau eines zweiten Hauses, sagte Vereinschef Günter Hein bei einem PNN-Besuch vor Ort. 
Das Problem: Bisher hat der Verein das eigentlich von der Stadt zugesagte Geld nicht erhalten – einmal geht es um eine von den Stadtverordneten beschlossene Anschubfinanzierung in Höhe von 150000 Euro. Zum anderen handelt es sich um Spenden für einen Tierheimbau in Höhe von 130000 Euro, der Betrag wird derzeit von der Stadt verwaltet und muss vom TSV gesondert beantragt werden. „An der Bürokratie sind wir bisher gescheitert“, sagte Hein. Gerade unternehme man einen neuen Versuch. 
Stadtsprecherin Juliane Güldner sagte dazu auf Anfrage, es handele sich um „einen Standard-Antrag, der von jedem Zuwendungsempfänger ausgefüllt werden muss“. So ein Verfahren sei auch „üblich und praktikabel um Gelder nachvollziehbar und verantwortungsvoll auszureichen“. Man wolle gern auszahlen, habe eine zügige Prüfung vorbereitet – dem TSV sei auch bereits in mehreren Gesprächen Unterstützung angeboten worden, sagte die Rathaussprecherin. 

Der Chef des Tierschutzvereins, Günter Hein.
Der Chef des Tierschutzvereins, Günter Hein.

© Henri Kramer

Auch Joop engagierte sich

Dieser Antrag ist aber nicht die einzige Schwierigkeit, mit der der vorwiegend von Ehrenamtlern getragene Verein zu kämpfen hat. Der allgemeine Bauboom habe schon zu Verzögerungen beim Ausbau des ersten Flachbaus geführt, weil nötige Fachfirmen nicht immer sofort loslegen konnten. So sollte der erste Bau eigentlich schon im Sommer fertig sein, hoffte man. Auf einen neuen Termin wollte sich Hein daher auch nicht festlegen. 
Vor Ort war gleichwohl reger Baubetrieb wahrnehmbar: Die ersten Tierunterkünfte sind schon fast fertig, ebenso ein medizinischer Bereich und Räume für das Personal. „Wir mussten das Gelände zunächst auch erschließen – hier gab es weder Strom noch Wasser“, so Hein. Wichtig sei die Hilfe vieler Firmen, die wie der Baustoffhandel Brun & Böhm auch Rabatte gewähren würden. Richtfest für das Heim war im Dezember 2018, damals kam auch Star-Designer Wolfgang Joop – der als Schirmherr des Projekts auch T-Shirts entworfen hat: „Der Verkauf läuft leider noch etwas schleppend.“

Gleichwohl ist es TSV-Chef Hein nicht bange, dass der Verein auch weitere Einnahmen machen kann, um das Tierheim zu erweitern. Denn das Interesse, dass überhaupt in Potsdam nach vielen Jahren wieder eine Tierunterkunft entsteht, sei „sehr groß“ – gerade auch von Menschen, die ihre Tiere nicht in den Urlaub mitnehmen oder von Umlandgemeinden, die Fund- und Verwahrtiere in kleinerem Umfang unterbringen müssen. „Dieses Heim wird sehr solide und vorzeigbar.“ Zugleich erklärte Hein, werde man wohl erst mit einem dritten Gebäude in der Lage sein, genügend Fundtiere auch für die Stadt Potsdam aufnehmen zu können. 
Laut Stadtsprecherin Güldner sind im Zossener Tierheim jedes Jahr im Schnitt 150 Fund- und Verwahrtiere untergebracht – zum Beispiel Hunde, deren Besitzer gestorben sind. Klar sei bereits, dass man Zossen auch 2020 nutzen werde, sagte Güldner. Und nach der besagten Erweiterung könne sich auch der TSV an einem Vergabeverfahren zur Betreuung der Potsdamer Fundtiere beteiligen. 

Ende 2008 wurde das alte Tierheim geschlossen

Seit der Schließung des alten TSV-Tierheims am Wildpark Ende 2008 ist Potsdam die einzige Landeshauptstadt der Republik ohne ein Tierheim. Was die deswegen nötigen Fahrten nach Zossen für die CO2-Bilanz der Stadt in Zeiten des Klimanotstands bedeutet, hat im Rathaus noch niemand berechnet. Sprecherin Güldner sagte: „Eine Abschätzung der Klimabilanz unter Berücksichtigung von Faktoren wie des Aufwandes für den Tierheimbau und -betrieb in Potsdam, des sich ergebenden Leerstandes im vorhandenen Tierheim Zossen sowie des sich verkürzenden Fahrweges zum neuen Tierheim anstelle nach Zossen ist bislang nicht erfolgt.“ Klar ist zumindest: 8800 Kilometer pro Jahr bedeuten bei dem verwendeten VW-Transporter T6 Kombi bei einem laut ADAC durchschnittlichen Ausstoß von 168 Gramm klimaschädliches CO2 pro Kilometer fast 1,64 Tonnen CO2 – jedes Jahr. Zum Vergleich aber auch: Jeder Deutsche verbraucht im Schnitt etwa elf Tonnen pro Jahr. Erst vergangene Woche hatte die Stadtverwaltung erklärt, dass auch Städte ihren CO2-Fußabdruck kurzfristig und möglichst deutlich reduzieren müssten.

So sieht es im ersten Haus für das Tierheim jetzt aus.
So sieht es im ersten Haus für das Tierheim jetzt aus.

© Henri Kramer

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