zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Verwertung statt Stadtplanung

Horst Müller-Zinsius und Peter Paffhausen kritisieren Entwicklung von Brauhausberg und Speicherstadt

Teltower Vorstadt - Fundamentale Kritik an der Potsdamer Stadtplanung durch Politik und Verwaltung haben die Chefs der beiden großen Potsdamer Kommunalunternehmen geübt. Peter Paffhausen von den Stadtwerken und Horst Müller-Zinsius von Pro Potsdam nutzten dazu die gut besuchte Veranstaltung „Potsdamer Mitte im Dialog“ am Dienstagabend im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG). Thema des Abends war die umstrittene Bebauung des Brauhausberges, dessen Entwicklung durch den Masterplan von Christoph Kohl eng mit der Gestaltung der Speicherstadt zusammenhängt. Beide Firmenchefs befürchten starke Einbußen bei der Weiterveräußerung von Grundstücken, sollten die Verwertungsmöglichkeiten eingeschränkt werden durch eine von Bürgerinitiativen geforderte geringere Bebauung.

„Quo vadis Speicherstadt – eine Streitschrift“ betitelte Müller-Zinsius seinen Vortrag und versprach damit nicht zu viel. Der Pro-Potsdam-Chef stellte für die Speicherstadt Ideal und Realität gegenüber. Ideal wäre demnach für die Speicherstadt nach dem Nutzungsende 1993 „die frühzeitige Erkennung der städtebaulichen Missstände durch Politik und Verwaltung“ gewesen. Durch die Ausweisung als Sanierungs- oder Entwicklungsgebiet wäre die Speicherstadt „der Bodenspekulation entzogen worden“.

Stattdessen hat die Stadt „auf den Einsatz des städtebaulichen Instrumentariums verzichtet“, sagte Müller-Zinsius. Statt Stadtplanung machte die Stadt Kasse: Für 2,35 Millionen Euro verkaufte sie den städtischen Schlachthof an die Pro Potsdam GmbH. Damit war die Stadttochter einer von sechs Grundstückseigentümern in der Speicherstadt, deren Devise Müller-Zinsius zufolge so lautete: „Jeder gegen jeden.“ Für eine private Bodenordnung, den Aufkauf der Flächen durch einen Entwickler, seien die Preise mittlerweile zu hoch gewesen. Doch „irgendwann ist uns die Erkenntnis gedämmert“, erklärte Müller-Zinsius, „wenn wir nicht die Bodenordnung machen, wird nie was draus.“ Zu „teilweise sehr hohen Preisen“ habe die Pro Potsdam 2006 mit dem Flächenankauf begonnen. Früh sei der Stadt signalisiert worden, es sei „keine renditeorientierte Vermögensanlage“. Heute rechne die Pro Potsdam GmbH mit einem Defizit ihres Speicherstadt-Engagements zwischen 2,5 und 7,5 Millionen Euro, erklärte Müller-Zinsius und fragte: „Wer trägt dafür die Verantwortung?“ Sollte der Berliner Investor Klaus Groth nicht bis zum 31. Dezember 2012 für den von ihm gekauften mittleren Speicherstadt-Teil eine Baugenehmigung auf Basis des Kohl’schen Masterplans erhalten, „reißt es uns ein Loch von 8,5 Millionen Euro in die Kasse“, so der Pro-Potsdam-Chef weiter. „Um ein wirtschaftliches Desaster zu vermeiden“ müsse der Bebauungsplan für die Speicherstadt zügig erarbeitet werden – auf der Basis des Masterplans.

Hintergrund des Vorstoßes ist ein Antrag der Bündnisgrünen, wonach die Qualität in der Speicherstadt durch eine lockere und niedrigere Bebauung gesichert werden müsse – was Einbußen bei der Grundstücksveräußerung durch die Pro Potsdam GmbH bis hin zur Rückabwicklung des Grundstückskaufs durch Groth zur Folge haben könnte. Die Stadtverordneten verwiesen den Antrag gestern Abend in den Bauausschuss, wo Pro Potsdam sich erneut positionieren soll.

Aus ähnlichem Antrieb suchte Stadtwerke-Chef Paffhausen die Öffentlichkeit. Die Stadtwerke wollen zwölf Millionen Euro durch den Verkauf der Brauhausberg-Wiese einnehmen. Damit soll das neue Freizeitbad an der Biosphäre teilfinanziert werden. Resümee der Paffhausen-Rede, gezogen von einer Zuhörerin im Publikum: Nur weil die Landesregierung mit 24 Millionen Euro Fördergeld für ein Spaßbad lockte, muss heute der Brauhausberg derart dicht bebaut werden. Paffhausen: Weil die Stadtwerke das Interesse hatten, für das auf dem Brauhausberg geplante Niemeyer-Bad die Energie-Versorgung zu machen, „hatten wir plötzlich das Thema am Bein“. Die Niemeyer-Pläne scheiterten, nun plant die Stadt im Bornstedter Feld ein anderes Bad, bis 27. Mai 2011 reichen die Firmen überarbeitete Architekturvorschläge ein. Paffhausen: Wir tun als Dienstleister, was die Stadt als Auftraggeber sagt – aber „das Niemeyer-Herzblut ist nicht mehr dabei“.

Der deutliche Insider-Blick auf die Kurzsichtigkeit, mit der die Stadt in städtebauliche Großprojekte stolpert, löste beim Publikum Unmut und Unverständnis aus. Die Vorträge zeigten, „wie man die Bürger ignoriert“, sagte Bauausschuss-Mitglied Steffen Pfrogner. „Das ist keine Stadtentwicklung, sondern Grundstücksverwertung“, entrüstete sich ein Zuhörer. „Renditearchitektur von Renditedesignern“, donnerte der Architekt Christian Wendland. Sein Kollege Bernhard Wendel forderte einen offenen städtebaulichen Wettbewerb für den Brauhausberg.

Zur Startseite