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Die Corona-Pandemie führte vor allem in Pflegeheimen zu schweren Situationen.

© picture alliance/dpa

Potsdams Rathaus verschickt Brief an Corona-Tote: Schmerzhafter Fehler vom Amt

Das Potsdamer Gesundheitsamt bescheinigte einer 81-Jährigen die Corona-Genesung – fast sieben Monate, nachdem sie an Covid gestorben war. "Das ist wie ein Schlag in die Magengrube", sagt ihr Sohn.

Von Carsten Holm

Potsdam - Am 17. Juni 2021, einem Montag, geht in einem Potsdamer Seniorenheim ein Brief der Stadtverwaltung ein. Absender: „Der Oberbürgermeister, Fachbereich Öffentlicher Gesundheitsdienst.“ Darunter steht, etwas versetzt: „Auskunft erteilt Frau Dr. Böhm“. Sie ist die Leiterin des Gesundheitsamts. Adressiert ist das Schreiben an die 81 Jahre alte Heimbewohnerin Renate N. Die Stadt hat eine gute Nachricht für die Seniorin. „Bestätigung einer überstandenen SARS-CoV-2-Infektion“ steht in gefetteten Lettern über der amtlichen Mitteilung. Es ist ein Brief, so scheint es, der vor allem den älteren Potsdamern in den schweren Zeiten der Pandemie Erleichterung bereiten könnte. Denn kaum jemand hat so wie sie unter monatelangen Besuchsverboten und erzwungener Einsamkeit gelitten.

Fassungslosigkeit beim hinterbliebenen Sohn

Ein paar Tage später hält Markus N., ein Sohn von Renate N., das Schreiben in den Händen. Seine Mutter hat ihm eine umfassende Vorsorgevollmacht ausgestellt. Er kann kaum fassen, was er da liest. Das Gesundheitsamt attestiert seiner Mutter, ihre Covid-Infektion „überstanden“ zu haben und nun „genesen“ zu sein. Zu diesem Zeitpunkt aber ist Renate N. bereits seit fast sieben Monaten tot. Sie war am 29. November 2020 an Covid gestorben.

"Schlag in die Magengrube"

Markus N. sagt den PNN, den Brief der Stadt habe er als „Schlag in die Magengrube“ empfunden: „Wie kann man ein solches Schreiben ohne die einfachste Plausibilitätsprüfung verschicken?“ Also ohne den einfachen Datenabgleich darüber, ob der Adressat eines amtlichen Schreibens noch lebt oder verstorben ist.

Mail an die Stadt blieb unbeantwortet

Schmerzhaft seien die Erinnerungen an die „irritierenden Umstände“ beim Tod seiner Mutter wach geworden, sagt Markus N. Wegen der Corona-Bestimmungen habe er sie monatelang nicht in dem Seniorenheim besuchen dürfen, wenige Tage, bevor sie starb, habe er einen Zwischenbericht erhalten, in dem von „Verbesserungen“ die Rede war. Es war eine kurze Erholung vor ihrem Tod. Damals sei seine Mutter allerdings nicht mehr in der Lage gewesen, mit ihm zu telefonieren. Einen Totenschein habe er nicht bekommen, wegen der Folgen der Pandemie sei sie erst Ende Mai bestattet worden. Eine E-Mail, die Markus N. als Reaktion auf den Brief aus der Verwaltung an die dort angegebene Adresse schickte, blieb unbeantwortet.

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Als die PNN nun zu dem Fall im Rathaus anfragen, versucht die Stadtverwaltung nicht, ihr Versagen im Fall von Renate N. zu beschönigen. „Wir müssen mit äußerstem Bedauern feststellen, dass es hier zu einem Fehler unsererseits gekommen ist“, sagte Stadtsprecher Markus Klier auf Anfrage der PNN, „dieser Brief hätte nicht rausgehen dürfen. Wir möchten uns daher in aller Form bei den Hinterbliebenen entschuldigen.“

Auch in anderen Städten Covid-Pannen

Zu Pannen wie in Potsdam kam es auch anderswo. In der niedersächsischen Stadt Vechta verschickte das Gesundheitsamt im Juni Bescheide über die Genesung an Bürger, die niemals an Covid erkrankt waren, „ein Softwarefehler“, hieß es. Bereits im Januar hatte der Tagesspiegel über Briefe mit der Einladung zu einer Impfung berichtet, die an Corona Verstorbenen in Berlin zugegangen waren. „Nutzen Sie die Chance, sich mit der Impfung vor einer Covid-19-Erkrankung zu schützen“, schrieb die Stadt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte bereits im April 2020 im Bundestag um Verständnis für Fehler und falsche Entscheidungen in der Corona-Krise gebeten: „Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen.“

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