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Der Verkehrsbetrieb Potsdam will elf neue Diesel-Busse anschaffen,

© Ottmar Winter

Verkehrsexperte klärt auf: Elektrobus nicht unbedingt besser als Dieselbus

Der Verkehrsbetrieb Potsdam will neue Dieselbusse anschaffen. Das wird kritisiert. Nun verteidigt ein Verkehrsexperte diese Entscheidung.

Potsdam - Die geplante Anschaffung elf neuer Dieselbusse durch den Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP) sorgt weiter für Gesprächsstoff. Der in Potsdam lebende Verkehrsforscher Michael Ortgiese sagte den PNN, die vom ViP angestoßene Ausschreibung habe durchaus Vorteile. Ob der Einsatz von Dieselbussen noch zeitgemäß sei, sei eine Frage, die man nicht so einfach beantworten kann.

Zunächst das Angebot erweitern

Moderne, saubere Dieselbusse haben nach Ortgieses Ansicht durchaus Vorteile. „Mit Blick auf die Klima- und Umweltbelastung ist es für mich natürlich erstes Ziel den öffentlichen Nahverkehr zu stärken und hier ein super attraktives Angebot zu schaffen“, sagte Ortgiese, der am Institut für Verkehrssystemtechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und an der Technischen Universität Berlin arbeitet. Zuvor war er seit 2012 Professor für Verkehrswesen an der Fachhochschule in Potsdam.

Um Emissionen zu verringern, sei es am wichtigsten den Verkehr von Autos mit Verbrennungsmotoren zu reduzieren. Um den Umstieg auf Bus und Bahn zu erleichtern, sei als erster Schritt eine „schnelle und signifikante Angebotserweiterung mit bewährter Technologie“ nötig, so Ortgiese. Als zweiten Schritt brauche man dann eine klare Strategie für den Umstieg auf nichtfossile Antriebe.

Michael Ortgiese.
Michael Ortgiese.

© Andreas Klaer

Ein dünnes, exklusives Elektrobus-Angebot sei hingegen unattraktiv, wenn man Autofahrer zum Umstieg bewegen wolle. Zwei Dieselbusse sind sozusagen besser als ein Elektrobus. Ortgiese verweist auch auf die höheren Anschaffungskosten für Elektrobusse. Außerdem müssen auch betriebliche Fragen geklärt werden: So müsse man klären, welche Reichweiten die Fahrzeuge haben und wie oft und wie lange sie geladen werden müssen, weil davon abhängt, wie oft sie pro Tag ihre Strecke bedienen können. Am Ende gehe es auch ums Geld: Ohne entsprechende Finanzierung könne weder das Angebot erweitert werden noch der Umstieg auf alternative Antriebe gelingen, so Ortgiese.

Grüne sind entsetzt

Wie berichtet hatte der Verkehrsbetrieb im Dezember eine Ausschreibung für die Anschaffung von insgesamt elf neuen Bussen bis zum Jahr 2022 gestartet. Sie sollen ältere Fahrzeuge ersetzen. „Für den Betrieb der angebotenen Fahrzeuge ist ausschließlich Dieselkraftstoff vorgesehen“, heißt es in den Ausschreibungsunterlagen. Die Gelenkbusse sollen 18 Meter lang sein und vier Türen haben.

Die Pläne waren bei den Potsdamer Grünen auf Kritik gestoßen. Anfang Januar bezeichneten sie die Anschaffung als „Investition in Millionenhöhe, die das Stadtklima auf Jahre belasten wird“. Das sei nicht nur für Klimaaktivisten und politisch Engagierte, die sich in den letzten Jahren für Klimaschutz einsetzten, ein Schlag ins Gesicht, teilte der Potsdamer Kreisverband der Grünen mit. Der ViP-Geschäftsführung fehle es an Mut, neue Wege zu gehen. „Es wird Zeit, dass sie aus ihrem Winterschlaf erwacht“, so die Reaktion der Potsdamer Grünen.

Von "Klimanotstand"-Entscheidungen noch nichts zu spüren

Tatsächlich vertragen sich die Pläne nicht mit dem erklärten Willen der rot-grün-roten Rathauskooperation. Die hatte zum Start verkündet, man wolle „eine Verkehrswende in Richtung Umweltverbund. Der öffentliche Nahverkehr ist dabei für uns das zentrale Element, ihn werden wir ausbauen und attraktiver machen.“ Im August hatte die Stadtverordnetenversammlung dann mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linken, Die Andere und des Einzelabgeordneten Alexander Frehse (Die Partei) den sogenannten Klimanotstand beschlossen. Damit sollen künftig alle Entscheidungen des Stadtparlaments hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Klima bewertet werden.

Doch für den öffentlichen Nahverkehr in Potsdam sind die Auswirkungen bisher nicht spürbar: So gehörte zum Beschluss auch, alternative Finanzierungsmodelle für den öffentlichen Nahverkehr zu suchen und Verbesserungen in der Tarifstruktur des Verkehrsverbunds Berlin Brandenburg zu prüfen – etwa eine Ausweitung des Tarifbereichs C oder das 365-Euro-Jahresticket. Stattdessen wurden zu Jahresbeginn die Ticketpreise erhöht.

Warten auf die richtige Technik

Der Verkehrsbetrieb hatte die Diesel-Pläne gerechtfertigt: Bisher getestete Elektro- oder Hybridbusse konnten auf Grund mangelnder Reichweite und fehlender Ladeinfrastruktur nicht im Linienbetrieb eingesetzt werden. „Um es klar zu sagen, wenn die Technik für eine Flottenumrüstung ausgereift ist, wird der ViP auch beim Bus elektrisch fahren“, so dessen Sprecher Stefan Klotz. Dennoch müsse man derzeit neben den Klimaaspekten auch die Zuverlässigkeit und die Wirtschaftlichkeit betrachten. „Es muss auch eine bedarfsgerechte Lade- und Werkstattinfrastruktur geschaffen werden.“ Diese sei nicht vorhanden.

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